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Augsburg: Taxi und Scooter statt Bus und Tram: Wer vom Streik im Nahverkehr profitierte

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Taxi und Scooter statt Bus und Tram: Wer vom Streik im Nahverkehr profitierte

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    Statt Straßenbahnen waren am Freitagmorgen Fahrrad- und Rollerfahrer am Königsplatz zu sehen.
    Statt Straßenbahnen waren am Freitagmorgen Fahrrad- und Rollerfahrer am Königsplatz zu sehen. Foto: Annette Zoepf

    Chaos auf den Straßen, leere Bus- und Straßenbahnhaltestellen - der zweite Warnstreik innerhalb weniger Tage im Augsburger Nahverkehr hat am Freitag vor allem den Berufsverkehr durcheinandergebracht. Stellenweise waren die Straßen in der Innenstadt völlig verstopft, Autofahrer standen in langen Staus. Weniger Probleme dagegen hatten Verkehrsmittel wie Fahrräder und Roller. Vor allem die Anbieter von E-Scootern hatten bereits im Vorfeld auf den Streik reagiert und teilweise sogar ihre Flotten für diesen Tag verstärkt.

    Im öffentlichen Nahverkehr ging am Freitagmorgen in Augsburg stellenweise nicht viel.
    Im öffentlichen Nahverkehr ging am Freitagmorgen in Augsburg stellenweise nicht viel. Foto: Annette Zoepf

    Der Warnstreik, zu dem die Gewerkschaft Verdi aufgerufen hatte, ging am Freitag bis etwa 14 Uhr. Danach dauerte es rund zwei Stunden, bis Busse und Straßenbahnen wieder fahrplanmäßig unterwegs waren. Mit dem Ausstand will die Gewerkschaft einen einheitlichen Tarifvertrag erreichen.

    Sogar Fahrradfahrer stehen wegen des Streiks im Stau

    Als Fahrradfahrer steht man in der Regel selten im Stau. Doch kurz vor Schulbeginn blockierten am Freitagmorgen so viele Radler den Gehweg hinter der Pferseer Unterführung, dass sie nur stoßweise über die Ampel in Richtung Innenstadt fahren konnten. Vor allem Schüler, aber auch einige Berufspendler nutzten das gute Wetter, um dem Stau auf zwei Rädern davonzufahren. Zwischen den Radlern sah man etliche E-Roller – selbst jüngere Schüler hatten sich offenbar einige der motorisierten Gefährte geschnappt, um damit bequem in die Schule zu kommen.

    Vor dem Peutinger-Gymnasium stehen kurz vor acht Uhr auffallend viele Autos mit auswärtigen Nummernschildern, man sieht Münchner und sogar Nürnberger Kennzeichen. Aus vielen der Fahrzeuge steigen gleich mehrere Kinder aus - offenbar haben hier Eltern auf der Fahrt zur Arbeit ihren Dienstwagen genommen, um die eigenen und Nachbarskinder zur Schule zu bringen. Auch aus dem Auto von Elmaz Ismaeli steigen mehrere Mädchen und verschwinden schnell im Schulhaus. "Ich habe heute frei, da war es kein Problem, die Kinder zu fahren", sagt der Vater. Den Streik findet er legitim. "Ich habe auch erst vor Kurzem gestreikt", verrät er.

    Die Streikenden haben diesmal ganze Arbeit geleistet. Gerade mal ein Fahrzeug ist an diesem Morgen ausgerückt, berichtet Stadtwerke-Sprecher Matthias Reder. Auch die Mitarbeiter, die in der Vorwoche noch gestrandete Fahrgäste am Königsplatz auf den richtigen Weg brachten, fehlen. "Letzte Woche haben Fahrscheinprüfer die Fahrgäste informiert, die stehen heute nicht zur Verfügung beziehungsweise machen auch von ihrem Streikrecht Gebrauch", so Reder. Die Fahrgäste seien verärgert, hätten sich aber mit der Situation arrangiert. "Über die Kameras, beispielsweise am Kö, können wir ganz gut beurteilen, wie viele Fahrgäste an der Haltestelle stehen - die Situation ist überschaubar", so der Sprecher.

    Taxifahrer profitieren von den Streiks

    Wer morgens kurz entschlossen ein Taxi nehmen wollte, musste lange Wartezeiten in Kauf nehmen. Ab 7.30 Uhr seien nahezu alle Fahrzeuge zu Vorbuchern unterwegs gewesen, berichtet der Chef der Taxi-Genossenschaft, Ferdi Akcaglar. Für die Taxifahrer sei der Streiktag endlich wieder eine Möglichkeit, gutes Geld zu verdienen. Beim Streik am vorvergangenen Dienstag hätten sich die Fahrten mehr als verdoppelt – das erste gute Geschäft seit Beginn der Pandemie, so der Genossenschafts-Chef.

    Wer morgens ein Taxi nehmen wollte, musste Wartezeiten in Kauf nehmen.
    Wer morgens ein Taxi nehmen wollte, musste Wartezeiten in Kauf nehmen. Foto: Annette Zoepf

    In der Innenstadt sind einzelne Taxifahrer weniger glücklich. Von 30 Minuten Fahrtzeit vom Königsplatz bis zur Blauen Kappe, wo er ein Schulkind absetzen musste, berichtet ein Fahrer. Wer dann erst mal in der Innenstadt stehe, tue sich schwer, Folgeaufträge zu bekommen. Sein Kollege am Königsplatz wartet vergebens auf Fahrgäste, den Mut will er trotzdem nicht verlieren. "Am Dienstag lief es prima – von mir aus könnte jede Woche einen Tag lang gestreikt werden", findet der Fahrer.

    Beim Scooter-Anbieter Lime stiegen die Zahlen um 297 Prozent

    Auch die Anbieter von E-Scootern profitieren von dem Streik. Obwohl der neueste Anbieter "Lime" seine Roller erst am 30. September, also am Tag nach dem ersten Streiktag, in Augsburg aufstellte, kann er mit Zahlen aus anderen Städten wie Nürnberg und Fürth aufwarten. Um 297 Prozent seien die Fahrten dort vergangene Woche im Vergleich zu einem regulären Dienstag gestiegen, so Pressesprecher Florian Anders. Andere Anbieter geben keine genauen Zahlen heraus, sprechen aber von einem "deutlichen Anstieg" der Fahrten.

    Der Anbieter "Voi" hat deshalb für den Streik am Freitag in mehreren Städten sein Roller-Kontingent aufgestockt. In Augsburg waren das zusätzliche 50 Roller, wie General-Manager Claus Unterkircher sagt. Die Unternehmen gehen davon aus, dass manch ein Benutzer, der wegen des Streiks auf den Roller umgestiegen ist, auch künftig als Kunde bleibt. "Natürlich haben wir auch einige Neukunden in so einem Fall, die uns idealerweise künftig mit dem ÖPNV kombinieren", so Unterkircher. Das sei auch das Ziel der Aktion - eine noch attraktivere Abdeckung in Zusammenarbeit mit dem ÖPNV.

    Fahrgastverband fordert künftig ausgedünnte Streikfahrpläne

    Der Fahrgastverband Pro Bahn hat unterdessen von den Tarifpartnern gefordert, trotz Streikmaßnahmen für ein Mindestmaß an Mobilität zu sorgen. Dazu müsse es ausgedünnte Streikfahrpläne auf den wichtigen Verbindungen geben. Dies müssten Gewerkschaft und Verkehrsunternehmen sicherstellen und 48 Stunden vorher öffentlich machen, damit sich Fahrgäste darauf einstellen können. Streiks seien unbestrittene Bestandteile der Tarifautonomie, nur seien davon nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Fahrgäste betroffen.

    Ein Problem könnte allerdings sein, dass ein solches Rumpfangebot dann überlaufen wäre, was angesichts des Corona-Infektionsschutzes kritisch wäre. Pro Bahn hatte im Vorfeld der Streiks die Arbeitsniederlegungen zum jetzigen Zeitpunk grundsätzlich kritisiert. Sie sorgten dafür, dass bei einem Streik im Stadtverkehr die noch laufenden Angebote wie der innerstädtische Bahnverkehr und Regionalbuslinien proppenvoll würden. In Zeiten von Corona sei dies ein unnötiges Risiko. (mit skro)

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Streiks bei Nahverkehr & Co.: Es gibt nie den passenden Zeitpunkt

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