Manfred Peters (*Name geändert) ist immer noch etwas erstaunt. Als er am 6. Dezember 2020 am Augsburger Hauptbahnhof aus dem Zug stieg und das Gebäude in Richtung Süden verließ, passten ihn Ordnungskräfte ab. Peters trug "fahrlässig keine Maske", wie es im späteren Bußgeldbescheid hieß, dabei herrschte zu jener Zeit in Teilen des öffentlichen Raumes in Augsburg Maskenpflicht, auch um den Hauptbahnhof herum. Manfred Peters allerdings sah bei sich keine Schuld, er legte Einspruch gegen den Bescheid ein, sodass es vor wenigen Wochen zu einem Termin am Augsburger Amtsgericht kam. Noch immer beschäftigen derartige Verfahren die Justiz, und es ist absehbar, dass sich das so schnell auch nicht ändern wird.
Im Fall von Manfred Peters ist die Lage komplexer, als man zunächst denken könnte, denn im damaligen Amtsblatt der Stadt Augsburg, in dem die entsprechende Allgemeinverfügung veröffentlicht wurde, sind zwar die Gebiete für die Maskenpflicht im öffentlichen Raum benannt, auch ist in einem Schaubild dargestellt, an welchen "stark frequentierten Plätzen und Straßen" von Fußgängern zu der Zeit eine "Mund-Nasen-Bedeckung" zu tragen war. Doch dieses Gebiet umfasste zwar den Bahnhofsvorplatz, die Bahnhofstraße und die Viktoriastraße, aber nicht die Halderstraße, die ebenfalls vom Bahnhof zum Königsplatz führt. Aber just an dem Eck von der Viktoriastraße zur Halderstraße sei er kontrolliert worden, sagt Peters. Aus seiner Sicht: im Bereich der Halderstraße, also dort, wo eben keine Maskenpflicht bestand.
Wobei die Situation etwas rätselhaft ist: In späteren Amtsblättern der Stadt Augsburg ist das im Text benannte Gebiet zwar eigentlich unverändert, werden doch dieselben Straßen und Plätze aufgeführt, der farblich markierte Bereich im Dokument, der die Maskenpflicht in den Übersichtskarten anzeigt, ist um den Bahnhof herum aber etwas größer als zuvor - und zwar eben um jenes Eck, in dem die Viktoriastraße in die Halderstraße übergeht.
Corona-Bußgelder in Augsburg: Hohe Strafen, viele Einsprüche
Peters, der nicht aus Augsburg kommt und sagt, zu der Zeit habe er nach Verlassen des Bahnhofs auch keine Schilder gesehen, die auf die Maskenpflicht hingewiesen hätten, sollte jedenfalls laut Bußgeldbescheid ursprünglich 153,50 Euro bezahlen, wehrte sich aber dagegen und konnte vor Gericht bewirken, dass sein Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wurde, wie das Amtsgericht auf Anfrage bestätigt. Peters kommt also um die Zahlung herum.
Seit 2020 gab es Hunderte Verfahren rund um Corona-Bußgelder am Augsburger Amtsgericht. Mal ging es um ein Paar, das je 500 Euro berappen musste, weil der Mann und die Frau in der Neujahrsnacht 2021 am Königsplatz ohne Maske unterwegs waren, und das zu einer Zeit, in der die Ausgangssperre galt, mal ging es um eine verbotene Grillparty im Hinterhof einer Metzgerei mit mehreren Teilnehmern. Der letzte Stand: 889 derartige Corona-Verfahren sind seit Beginn der Pandemie beim Amtsgericht eingegangen, 803 von ihnen sind bereits erledigt. Macht also noch 86 offene Verfahren, eine überschaubare Zahl.
Viele Verstöße gegen Corona-Regeln landen letztlich vor Gericht
Allerdings ist es absehbar, dass noch etliche offene Einsprüche zu Gerichtsverhandlungen führen werden. Oftmals dauert es nämlich ein wenig, ehe die Angelegenheit bei den Gerichten ankommt. Grundsätzlich läuft das Prozedere folgendermaßen ab: Wenn Menschen die Bußgeldbescheide nicht akzeptieren wollen, können sie innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dagegen Einspruch einlegen. Dann landet der Fall allerdings nicht gleich bei dem Amtsgericht, sondern zunächst wieder bei der zuständigen Verwaltungsbehörde, also zum Beispiel der Stadt Augsburg. Erst wenn diese weiterhin davon überzeugt ist, dass der Bescheid korrekt war, leitet sie den Sachverhalt über die Staatsanwaltschaft an das zuständige Amtsgericht weiter. Nach Auskunft von Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) sind seit Beginn der Pandemie mehr als 13.000 Verstöße gegen die jeweils geltenden Infektionsschutzregeln aufgenommen worden. Rund 9000 Bußgelder seien inzwischen verhängt worden. "In rund 3000 Fällen wurden Einsprüche erhoben", sagt Erben. Der Großteil sei noch im laufenden Verfahren anhängig.
Das zeigt auch: Die Bereitschaft, gegen die Corona-Bußgelder vorzugehen, ist in der Bevölkerung offenbar enorm hoch - in Augsburg passierte dies also bislang in jedem dritten Fall. Die grundsätzliche Beobachtung deckt sich mit einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in bayerischen Großstädten im Frühjahr dieses Jahres. Darin hieß es von der Stadt München, dass die Einspruchsquote bei Corona-Verstößen in etwa doppelt so hoch sei im Vergleich zu sonstigen Ordnungswidrigkeiten. Auch in Nürnberg äußerte demnach eine Mitarbeiterin des dortigen Rechtsamts, es gebe bei Corona-Bußgeldern "deutlich höhere" Einspruchsquoten als sonst.