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Modular Augsburg: So waren die Auftritte am Festival-Samstag

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Tag 2 auf dem Modular: 01099 und 86150 sind hier ein Match

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    01099 ist eine deutsche Band aus Dresden. Der Bandname bezieht sich auf die Postleitzahl von Dresden-Neustadt, dem Herkunftsort der Band. Sie haben am Samstagabend mit 86150 gematcht. Trotz Regenschauer feiert das Augsburger Publikum ihren Auftritt.
    01099 ist eine deutsche Band aus Dresden. Der Bandname bezieht sich auf die Postleitzahl von Dresden-Neustadt, dem Herkunftsort der Band. Sie haben am Samstagabend mit 86150 gematcht. Trotz Regenschauer feiert das Augsburger Publikum ihren Auftritt. Foto: Peter Fastl

    Es ist ein ungewohntes Line-Up, in dem sich das Augsburger Mundart-Septett Loamsiada wiederfindet: Elektro und Hip Hop anstatt artverwandter Brassbands. Sie würden trotzdem jeden harten Gangsterrap-Kiez einnehmen, und zwar mit entwaffnender Nettigkeit: „Servus, I bin da Mo, und des is da Vale mit seiner Posaune, und wir ham hier jetzt das Sagen, wenn's recht ist.“ - „Ich küsse dein Herz, Bruder, was geht bei euch?“ - „Bei uns gibt’s Hits mit sauber Blechgebläse, verstehst, und a bissl Gute-Laune-Ska-Bretter hamma auch dabei, und des is unsere neue Single, die hoaßt 'Kanapee', weil mir san saugemütlich. Trotzdem machen wir zu jeder Tages- und Nachtzeit eine Fetznstimmung, selbst als erste Band des Tages!“ - „Wort, Bruder, wirklich?“ - „Na schau doch selbst, was bei uns vor der Bühne los ist.“ 

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    David Gojani hat seine Schwester am Klavier auf der Bühne und eine ansehnliche Anzahl an Fans davor, Kreischen und Fanplakate inklusive. Eines davon äußerst den Wunsch, ein Kind von ihm zu bekommen. Vielleicht sollte er damit noch ein wenig warten, denn sonst wird es schwierig mit dem Touren. Und die akustischen Deutschpop-Songs mit Texten über Dinge, die einem durch den Kopf gehen, wenn man nicht mehr zwölf, aber auch noch nicht 30 Jahre alt ist, sollte er auf jeden Fall über die Stadtgrenzen hinaus in die Republik tragen. 

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    Wetter? Egal! Der zweite Festival-Tag bringt Sonne, Regen – und gute Stimmung. Die Bilder vom Modular-Festival.

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    Es scheint, als wären Sweed eigens für einen sonnigen Modular-Nachmittag gegründet worden, so eindeutig fangen sie den Vibe des Festivals in ihren Songs ein. Warmer Indiepop mit Reggae-Offbeats, Funkzitaten und Slacker-Gesang, der nach UV-Strahlen und Weißweinschorle klingt, nach Glitzerschminke und „Free Hugs“. Und Sänger Niklas Schwedt ist mindestens so nett wie die anderen 7000 Menschen auf dem Gelände. Es ist das bis jetzt größte Festival, das sie gespielt haben, aber es ist gut möglich, dass die im nächsten Jahr noch deutlich größer werden. 

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    Der Augsburger DJ David Kochs gibt den Takt vor.
    Der Augsburger DJ David Kochs gibt den Takt vor. Foto: Peter Fastl

    Die ersten organischen Instrumente auf der Clubstage im Park hängen um die Hälse von Cowboy Lyf und zeigen beim Soundcheck mehr Allüren als so mancher Hollywoodstar. Das Trio nimmt es mit britischer Gelassenheit und bei ihrem lockeren Elektrofolk im Dreampop-Gewand ein bisschen Brummen in den Monitorboxen in Kauf. Das Publikum schwelgt, eine verteilt Pfeffi aus dem Plastikschlauch in Familiengröße. Oder ist das nur grünes Mundwasser? Falls dem so war, hatten sie bei den klug komponierten, minimalen Technobeats und der Leftfield-Elektronik von David Kochs wenigstens frischen Atem. 

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    „Ich bin nicht okay, und ich will es auch gar nicht sein“, singt Aleyna mit zarter, charaktervoller Stimme. Dabei wirkt sie sehr okay auf der gut gefüllten Newcomer-Bühne. Aus den piano-getragenen Tagebucheinträgen, die sie zum Modular-Warm-Up vergangenes Jahr im Wittelsbacher Park gespielt hat, sind gut produzierte Elektropopsongs geworden, die es vollkommen zurecht dieses Jahr ins Festivalprogramm geschafft haben. Von Aleyna wird sicher noch zu hören sein. 

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    Die Indiepop-Nummern der Band Tränen versetzen das Augsburger Publikum in Stimmung.
    Die Indiepop-Nummern der Band Tränen versetzen das Augsburger Publikum in Stimmung. Foto: Peter Fastl

    Apropos Wittelsbacher Park. Da hat Steffen Israel schon vor Jahren mit seinen Chemnitzer Kraftklub-Kumpels gegen das Modular-Team gekickt. Nun kommt er mit seiner Band Tränen wieder. Tränen fließen abseits von Trauer wie heute wahrscheinlich in Köln entweder aus Dummheit, weil man sich nach dem Habanero-Schneiden ins Auge gefasst hat. Oder eben aus purer Freude. So glitzert hier und da eine kleine Träne im Augenwinkel vor der Bühne, aus Freude über den Humor der Band, über die simplen, aber auf den Punkt gespielten Indiepop-Nummern oder über den nahenden Festivalabend, den die Tränen ein ganzes Stück verheißungsvoller machen. 

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    Bis jetzt gab es wirklich nichts zu meckern beim Line-Up des diesjährigen Modulars, aber Josy gehört nun wirklich nicht auf die kleinste Festivalbühne vor Ort, sondern auf die größte. Und zwar bei Sonnenuntergang. Den TV-Kommerz hat sie schon lange hinter sich gelassen, ihre Stimme ist getränkt in schwarzem Soul, sie checkt auch Jazz und macht zusammen mit ihrer fantastischen Band im selbstgeschaffenen Spannungsfeld zwischen Björk und Erykah Badu was sie will. Das ist so gut, dass sogar die herzlose Soundanlage im Gaskessel einknickt und sich für 30 Minuten erbarmt, nicht so grottig zu klingen wie bei einigen Acts zuvor. 

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    Nur das Wetter ist am ersten Tag des Modular-Festivals trüb. Mehrere tausend Besucherinnen und Besucher lassen sich die Stimmung nicht verderben.

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    Falls es irgendjemand unter den Tausenden vor der großen Bühne nicht mitbekommen haben sollte, wer da wie ein Orkan auf die Bretter fegt, sagt er es im ersten Song zur Sicherheit gleich multiple Male selbst: „Es ist Kwam!“ Kwam.E aus Hamburg, um genau zu sein. Er könnte aber angesichts seines ultradicken Old-School-Boom-Baps auch aus Brooklyn stammen. Da blieb sogar Samy Deluxe die Spucke weg, als er auf der Bildfläche erschien, obwohl der eigentlich dafür bekannt ist, beständig zu betonen, dass doch er selbst der beste Rapper sei. Aber Kwam.E hat nicht nur die besten Kopfnicker-Beats der Stunde, sondern auch einen Wahnsinns-Flow und eine Energie wie ein Marathonläufer mit implantierten Duracell-Batterien. Als zwischen den bei solchen Beats unvermeidlichen, sich beständig von oben nach unten bewegenden Armen auf einmal zwei Krücken in den blauen Abendhimmel gestreckt werden, wird es schon fast messianisch. Wunderheilung durch Deutschrap. So was gibt es auch nur hier. 

    Der Hamburger Rapper Kwam.E verpasst dem Augsburger Publikum eine extra Portion Energie.
    Der Hamburger Rapper Kwam.E verpasst dem Augsburger Publikum eine extra Portion Energie. Foto: Peter Fastl

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    Auch Gewitterwolken sind Hip-Hop-Fans, und so lockt Kwam.E eine dunkle Wand zum Gaswerk. Die ersten Donnergrollen verkünden Unheil und die Türen des Gaskessels sind plötzlich zu. Warum, weiß niemand so genau, und als sie dann endlich geöffnet werden, läuft das Konzert der Augsburger Indieband Sin Fin auf der Newcomer-Bühne schon seit zehn Minuten. Angesichts des strengen Zeitplans ist das mehr als unglücklich, für die Band wie für die Fans. Sin Fin sind tatsächlich Newcomer, aber alles andere als Anfänger. Sie spielen Indierock, wie er sein soll: rau, eingängig, melodiös und mit viel Seele. Semina Ceviks Stimme kann Dunkelheit erhellen wie die Blitze draußen den nachtschwarzen Himmel. Und die Leopardenhosen von Basser Philipp Heuermann sind das Outfit des Tages. Punkt. 

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    Nass aber glücklich. Der Regen am zweiten Abend trübte die Festivalstimmung nicht.
    Nass aber glücklich. Der Regen am zweiten Abend trübte die Festivalstimmung nicht. Foto: Peter Fastl

    Als der Vorhang für die Dresdner 01099 fällt, ist die Luft voller Wasser, aber der Himmel voller Geigen. Die Elektrorapper ernennen die Fans zu Familienmitgliedern, und die Familie hält eben zusammen, auch wenn es wie aus Kübeln schüttet und sich Elektronen in wilden Zacken hinter der Bühne in den Himmel fräsen. Niemand hat Lust, nach Hause zu gehen, die Menschen feiern die Band und sich selbst. Alte Hits, brandneue Songs, egal, was gibt es schöneres als den Ausnahmezustand? Abgesehen davon kommt der Regen sowieso nicht im Pulk vor der Bühne an, sondern verdampft schon einige Meter über den Köpfen der schwitzenden Menge. Als die Band das Publikum auffordert, zum Schutz der Demokratie unter allen Umständen am 9. Juni zur Europawahl zu gehen, antworten tausende Kehlen umgehend mit einem spontanen, von Herzen kommenden Fäkalgruß an die AfD. Dass die Menschen vor und auf der Bühne zu einer solchen Einheit verschmelzen, sieht man nicht alle Tage. 01099 und 86150, it's a match! Dann wollten aber doch viele nach Hause zum Abtrocknen. Und die, die noch nicht genug hatten, wurden von City Club-Resident Djonni Laser und dem Londoner Ravemozart Jasper Tygner einfach mit Beats trocken geföhnt. Es ist einfach für alles gesorgt bei diesem Festival. 

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