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Augsburg: Tag 1 auf dem Modular: Regen, Beats und gute Laune

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Tag 1 auf dem Modular: Regen, Beats und gute Laune

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    Bestes Festival-Outfit am ersten Modular-Tag: Regenponcho oder Regenjacke.
    Bestes Festival-Outfit am ersten Modular-Tag: Regenponcho oder Regenjacke. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Festivals sind wie Pfannkuchen. Der Erste schmeckt schon so, wie man es sich vorstellt, aber ganz perfekt wird er eben nie. Trinidad haben die undankbare Position des ersten Pfannkuchens. Die meisten sind noch nicht da, und die wenigen, die es schon vor die große Bühne am Gaskessel geschafft haben, sind noch nicht warm und dazu nass. Das Augsburger Trio benannte sich nach der heiligen Dreifaltigkeit, daher könne man die Show als eine Art Gottesdienst sehen, wie sie sagen. Selbstbewusstsein haben sie auf jeden Fall schon mal. Mit ihren Sonnenbrillen und den gleichen T-Shirts versprühen sie einen Hauch von Club-Robinson-Animateuren, doch die wissen schließlich, wie man die Menschen in Bewegung versetzt. Trinidads Karibiksound zwischen Orishas und Reggaeton auf Steroiden bringen die ersten fünf Reihen dann auch zum Tanzen. Mehr sind einfach noch nicht da.

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    Kathi O. profitiert davon, dass ihre Bühne im Gaskessel steht. Denn der hat ein Dach. Man würde ihr aber Unrecht tun, erklärte man den Zuspruch des Publikums nur mit der trockenen Location. Denn sie hat gute, selbstproduzierte Beats, abwechslungsreiche Songs im Spannungsfeld zwischen R'n'B und Pop, eine reife Stimme und dazu beste Laune. Das steckt an und die ersten Modular-Vibes färben den grauen Stahlbeton des Kessels in allen Farben des Regenbogens. 

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    Nur das Wetter ist am ersten Tag des Modular-Festivals trüb. Mehrere tausend Besucherinnen und Besucher lassen sich die Stimmung nicht verderben.

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    Nachdem vergangenes Jahr die Club-Stage so viel Zuspruch erfahren hatte, ist es nur konsequent, dass sie dieses Jahr prominent auf die Parkbühne verlegt wurde. Das DJ-Kollektiv des Münchner Labels Public Possession hat Beats von sphärisch bis treibend und eine Homepage, auf der man von einem Smiley begrüßt wird, der Smileys erbricht. Das passt gut zu dem nachmittäglichen Dauerregen – ist eigentlich zum Kotzen, aber trotzdem sind alle am Grinsen. Denn Regen ist wie ein verspäteter ICE. Er nervt, aber es bringt auch nichts, sich deswegen die Laune verderben zu lassen. 

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    Vor der Hauptbühne feiert eine inzwischen deutlich angewachsene Menge völlig zurecht die Berlinerin Layla. Die zieht mit Flow und Attitüde toxischen Koksnasen die Ohren lang und lässt über harten, mondänen Garage-Beats sämtliche Sexisten dieser Welt im sprichwörtlichen Regen stehen. Wenn Layla für die Gegenwart deutscher Popkultur steht, dann steht es gut um sie.

    Viele Schilder weisen den Besucherinnen und Besuchern auf dem Modular-Festival ihren Weg. Manche bringen selber ein Schild mit.
    Viele Schilder weisen den Besucherinnen und Besuchern auf dem Modular-Festival ihren Weg. Manche bringen selber ein Schild mit. Foto: Klaus Rainer Krieger

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    ZMON hat auf der Newcomer-Bühne im Kessel als erster organische Instrumente dabei. Leider gehen die im Geballer seiner Großraumdiscobeats völlig unter. Seine Setlist wirkt ein wenig wie ein Mixtape aus allem, was in den letzten zwei Jahren auf YouTube viel geklickt wurde. Enthusiasmus hat er dafür im Überschuss, und sein eigenes Ding wird er schon noch finden. Er ist ja noch jung. 

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    Sam Wernik nennt sich Sampagne und rappt über Agavendicksaft, den Champagner des kleinen Mannes mit Sorgen zwischen untreuer Freundin und gekündigtem Bausparvertrag. Es liegt eine beständige Melancholie über seinem Liebeskummer-Trap, und es gab wohl selten eine sanftere Stimme, die das Publikum zum Ausflippen aufgefordert hat. Ob die Menschen deswegen so euphorisch sind, oder wegen des Hits, den er mit Cro aufgenommen hat, oder wegen des über die Köpfe fliegenden Wasserballs, oder weil sich das Modular 2024 wieder richtig anfühlt, das wissen nur sie selbst. Aber die Laune auf und vor der Bühne ist prächtig, was will man also mehr. 

    Sampagne rappt auf der großen Bühne am Gaskessel. Die Laune auf der Bühne ist prächtig - bei den Zuschauern auch.
    Sampagne rappt auf der großen Bühne am Gaskessel. Die Laune auf der Bühne ist prächtig - bei den Zuschauern auch. Foto: Klaus Rainer Krieger

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    Kaos haben einen Punkrocknamen und klauten ihren Eltern deren Blink-182-CDs. Dann gingen sie in den Proberaum und schrieben Punkrock, der klingt, als hätte eine Band der Generation Z vor dem Schreiben ihren Eltern deren Blink-182-CDs geklaut. Klingt kompliziert, ist aber so und beste Voraussetzung für eine kleine, wilde Punkrockshow. Nur eines ist schwer zu verstehen: Warum, zum heiligen Johnny Ramone, kommt das Schlagzeug nur vom Band? 

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    Der 17. Mai ist der internationale Tag gegen Homo-, Bi- und Transphobie. Dass dieser Tag hoffentlich so bald wie möglich nicht mehr nötig sein muss, dafür stehen auf der Parkbühne zwei wichtige Figuren der queeren Clubszene. Rachel Noon, die mit pumpendem Acid den queeren Untergrund in New York mitprägte sowie Isabella aus Barcelona, Mitgründer*in des LGTBQ+-Kollektivs Maricas, verleiten die Menschen zu ekstatischem Arme in die Luft werfen, Aerobic-Übungen und abgeklärten Club-Moves. Alle tanzen, wie sie wollen und lieben, wen sie wollen. 

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    Gäbe es den Begriff „Hyperpop“ noch nicht, er müsste für Domiziana erfunden werden. Die Beats würden selbst in einer 130-Zone geblitzt werden, ihr Gesang klingt wie ein Chipmunk nach dem Stimmbruch, ihr Outfit ist eklektisch und ihre Bühnenpräsenz überwältigend. Ein Blümchen-Zitat in Hochgeschwindigkeit zeigt: Sie ist der 90er-Jahre-Raverin nicht unähnlich, nur eben relevanter. Und cooler. Es ist randvoll und alle gehen steil. Dabei ist gerade mal die Tagesschau vorbei. 

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    Antipasti sind eigentlich eine Vorspeise, auf der Newcomer-Bühne gibt es Antipasti als Dessert. Dass der Sound verwaschen gemischt und viel zu leise gedreht ist, dafür kann das Quartett nichts. Aber schade ist es trotzdem, dass die schönen, manchmal fast chansonhaften Indiepop-Nummern nicht den Sound bekommen, den sie verdient hätten. 

    Der Regen hat den Besuchern den ersten Festivaltag nicht vermiest. Vor der Hauptbühne herrscht trotzdem gute Stimmung.
    Der Regen hat den Besuchern den ersten Festivaltag nicht vermiest. Vor der Hauptbühne herrscht trotzdem gute Stimmung. Foto: Klaus Rainer Krieger

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    Makko war vor drei Jahren schon mal da und hat seitdem nochmal einige Fans in der Stadt dazugewonnen. Nicht nur deswegen geht die Headliner-Position für den Berliner klar. Er zeigt nämlich einmal, dass man auf die altbekannte, auch ein wenig überstrapazierte Trap-Hi-Hat auch Texte legen kann, in denen man nicht immer nur feststellt, dass man selbst der Derbste ist. Außerdem weiß er, wie tanzbare Popmusik funktioniert, die massentauglich ist, aber dank Trompetensamples und Gitarrensprenklern nicht austauschbar. Schade nur, dass er nach dem fulminanten Beginn in der Mitte des Sets die Geschwindigkeit rausnimmt und sich arg im sphärischen Cloud-Rap verliert. Und was die kleinen Hörspielversionen einer Foto-Love-Story aus der Bravo zwischen den Songs sollen, das soll auch einer mal erklären.

    Aber am Schluss gibt’s wieder Hits, und alle freuen sich, wenn sie nicht schon zu Sedef Adasi abgewandert sind. Die hat Augsburg auf die Elektro-Weltkarte gebracht, sammelt mehr Flugmeilen als überbezahlte Konzernmanager und wird in den wichtigsten Clubs der Welt mit offenen Armen empfangen. Sie ist ein Star, und dementsprechend voll ist es bei ihrem Set. Die Luft erzählt, dass es einige wohl nicht so ernst nehmen mit dem freistaatlich verordneten Marihuana-Verbot. Ob der Typ, der mit Sonnenbrille und ordentlich Promille durch die Dunkelheit wankt, nur um in einem noch regennassen Busch zu landen, ein besseres Vorbild für die anwesenden jungen Besucherinnen und Besucher ist als eine anonyme, sich schnell im Abendwind auflösende THC-Wolke, sei einmal dahingestellt. Sedef Adasi jedenfalls ist mit ihrer charismatischen Performance und dem geschmeidigen, house-infizierten Technoset ein würdiger Abschluss für den ersten Festivaltag und ein guter Startschuss für eine lange Aftershow-Nacht in den Clubs der Innenstadt. 

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