Vor Supermärkten und Warenhäusern versammeln sich die Kunden oft schon vor Ladenschluss, weil sie auf ein besonderes Schnäppchen aus oder Frühaufsteher sind. Auch bei der Augsburger Tafel bilden sich vor dem Beginn der Warenausgabe Schlangen. Ihre Kunden müssen jeden Euro zweimal umdrehen und sind froh, einmal die Woche mit einer vollen Einkaufstasche nach Hause gehen zu können. Nicht immer klappt das reibungslos.
Die 70-jährige Frau, die sich an diesem Mittag in der Tafel-Hauptstelle in Oberhausen mit Lebensmitteln eingedeckt hat, lächelt zufrieden: „Ich habe nur eine kleine Rente, da ist die Tafel eine große Hilfe für mich“, sagt sie und strebt dem Ausgang zu. Hinter ihr drängen sich die nächsten Kunden an den verschiedenen Stationen und lassen sich von den Helfern Obst, Gemüse, Brot, Milchprodukte und vieles mehr geben.
1200 Minderjährige werden von der Augsburger Tafel versorgt
Für Fritz Schmidt sind diese Szenen Alltag, denn die insgesamt sechs Ausgabestellen im Stadtgebiet erfahren regen Zulauf. „Wir unterstützen derzeit rund 4000 Menschen in Augsburg, darunter 1200 Kinder und Jugendliche sowie viele Rentner“, sagt der Vorsitzende des Tafel-Vereins. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle seien in Augsburg schon einmal 5000 Menschen auf die Hilfe der sozialen Einrichtung angewiesen gewesen.
Wer eine Berechtigungsausweis will, muss den Mitarbeitern seine Bedürftigkeit nachweisen – etwa in Form eines Renten- oder Hartz IV-Bescheids. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, wird der Ausweis zunächst für ein Jahr ausgestellt. Der Tafelausweis ermöglicht es den Kunden, einmal in der Woche zu einem bestimmten Zeitpunkt die ihnen zugeteilte Ausgabestelle – in Oberhausen , Göggingen , Lechhausen , Bärenkeller, der Jakobervorstadt und Stadtbergen – aufzusuchen. Erwachsene zahlen für ihren Einkauf zwei Euro, Kinder und Jugendliche sind gratis.
Trotz aller Kundeneinteilung und Beschränkung auf einen Besuch pro Woche, herrscht zu den Ausgabezeiten teilweise drangvolle Enge. Das hat auch eine junge, alleinerziehende Mutter erlebt, die zu ihrem Termin nach Oberhausen ihr Baby im Kinderwagen dabei hatte – und diesen auf Geheiß der Mitarbeiter draußen vor der Tür stehen lassen sollte. „Ich kann doch meine Tochter nicht alleine lassen, noch dazu in der Kälte“, sagt sie.
Schmidt kann gut verstehen, dass die Mutter mit dieser Situation hadert. Doch es gehe in Oberhausen dermaßen eng zu, dass der Kinderwagen nicht in den Warenraum mitgenommen werden dürfe. „Am besten wäre es, das Kind entweder zuhause zu lassen oder eine zweite Person zum Aufpassen mitzubringen“, sagt er. Die Mitarbeiter könnten dies leider nicht übernehmen, denn die seien mit Ware auffüllen, Ausgabe und anderem beschäftigt.
Ehrenamtliche Helfer sind teilweise auch Tafel-Kunden
Apropos Mitarbeiter: Der alleinerziehenden Mutter ist aufgefallen, dass sich diese vor den Augen der Klienten an den Waren bedienten und sich teilweise die besten Stücke zur Seite legten. „Das darf doch nicht sein“, empört sie sich. Tafel-Chef Schmidt streitet die Beobachtungen nicht ab, relativiert sie aber. „Einige unserer ehrenamtlichen Helfer zählen selbst zu den Tafel-Kunden. Auch die anderen dürfen mal etwas mit nach Hause nehmen.“ Allerdings sollte das nur in Absprache mit den jeweiligen Teamleitern der Fall sein, wenn Ware übrig geblieben ist.
Den Verantwortlichen der Tafel ist bewusst, dass es manchmal zwischen den Helfern und den Mitarbeitern knirscht. „Wir überlegen gerade, ob wir in unseren großen Filialen zusätzliche Öffnungszeiten anbieten sollen, um die Ausgabe zu entzerren. Aber wir arbeiten jetzt schon an der Obergrenze“, sagt Schmidt . Über dieses Thema und andere organisatorische Dinge soll demnächst entschieden werden.
Die Augsburger Tafel bekommt einen größeren Lastwagen
Auch intern kommen auf die Augsburger Tafel Veränderungen zu, erklärt der Vorsitzende. „Wir bekommen immer weniger Ware von den Supermärkten , dafür aber mehr aus dem Online-Handel.“ Die Folge: Da dort meist größere Warenpaletten abgeholt werden müssen, sind die vorhandenen Fahrzeuge zu klein geworden. Abhilfe schaffen soll jetzt ein größerer Lkw, der voraussichtlich im Juni geliefert wird. Ihren Fuhrpark, ihre Ausstattung, Kühlräume und einiges mehr kann sich die Tafel nur leisten, weil sie neben den vielen Helfern auf Sponsoren, Spenden, Mitgliedsbeiträge und vereinzelt Stiftungsgelder setzen kann.
Als Vorsitzender hat Fritz Schmidt das alles im Blick. Er selbst kam vor etwa zehn Jahren als Vorruheständler zur Tafel. Mit Menschen, denen das Geld für die täglichen Dinge des Lebens fehlt, hatte er aber schon während seines Arbeitslebens bei den Stadtwerken zu tun. „Ich musste das Geld eintreiben, wenn Kunden ihre Rechnungen nicht zahlen konnten. So kam ich auch in Kontakt mit dem Sozialamt.“ Heute ist der 70-Jährige nahezu jeden Tag für Menschen in Not im Einsatz. Wie viele Stunden da zusammenkommen? „Ich schreibe sie nicht auf“, sagt Schmidt .
Kontakt: Die Augsburger Tafel benötigt für die Arbeit in den sechs Ausgabestellen und ihre Fahrdienste weitere Helfer. Interessenten können sich unter der E-Mail-Adresse info@augsburger-tafel.de oder unter der Telefonnummer 0821/313331 melden.
Warum es in der Augsburger Tafel mitunter knirscht - lesen Sie einen Kommentar von Redakteurin Andrea Baumann : Die Augsburger Tafel braucht jüngere Helfer
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