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Augsburg: Stress zwischen Gruppen? Wie Jugendliche die Lage beim Plärrer sehen

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Stress zwischen Gruppen? Wie Jugendliche die Lage beim Plärrer sehen

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    Marc Feyerabend (2. von links) und Lukas Detsch (2. von rechts) sind als Streetworker auf dem Augsburger Plärrer unterwegs. Ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche ist der Autoscooter.
    Marc Feyerabend (2. von links) und Lukas Detsch (2. von rechts) sind als Streetworker auf dem Augsburger Plärrer unterwegs. Ein beliebter Treffpunkt für Jugendliche ist der Autoscooter. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Die Sonne über dem Plärrer geht langsam unter, das bunte, laute Treiben nimmt seinen üblichen Lauf. Doch ein Fahrgeschäft sticht in all dem heraus: der Autoscooter, fast genau im Zentrum. Dutzende Jugendliche tummeln sich dort, auf oder an der Fahrbahn. Die meisten sind in kleineren Gruppen gekommen, flachsen, filmen sich, wollen sehen und gesehen werden. Auch Lukas Detsch und Marc Feyerabend beobachten das Treiben, schütteln Hände, halten Smalltalk, fragen nach. Die zwei Streetworker des Stadtjugendrings horchen hinein in Jugendliche, die derzeit besonders im Fokus stehen.

    Die Einschätzung, die die Polizei zur Plärrer-Halbzeit Anfang vergangener Woche abgab, konnte man durchaus als Alarmsignal verstehen. 200 bis 300 junge Leute hingen am Plärrergelände herum, hieß es. Sie gingen in Gruppen zwar nicht auf unbeteiligte Besucher, aber doch aufeinander los und wollten sich mit anderen messen. Immer wieder komme es zu Körperverletzungen, auch zu Übergriffen gegen Beamte.

    Zwischen jugendlichen Gruppen kommt es beim Plärrer zu Konflikten

    Samstagabend, kurz nach 18 Uhr, Lukas Detsch und Marc Feyerabend machen sich auf den Weg zum Plärrer. Noch bevor sie das Gelände erreichen, begegnen sie drei Jugendlichen, 16, 15 und 14 Jahre alt. Man kennt sich, die beiden Streetworker sind seit Jahren in Augsburger Stadtteilen unterwegs und dort Ansprechpartner, Vertrauenspersonen und Fürsprecher. Das ist beim Plärrer nicht anders, doch beim Volksfest rücken manche Themen stärker als sonst in den Vordergrund. Und so ist eine der ersten Fragen des 16-Jährigen, ob man noch einen Chip übrig habe. Er sei "blank". Feyerabend, 50 Jahre alt, greift in eine Jacke und reicht ihm einen Plastik-Jeton – eine Fahrt im Autoscooter.

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    Bei herrlichem Spätsommerwetter strömten die Besucher am Samstag auf den Augsburger Herbstplärrer.

    "Es geht viel um Teilhabe, beim Plärrer vielleicht noch mehr als sonst", sagt Detsch, 27 Jahre alt. Dafür brauche es aber vor allem: Geld. "Viele kommen hier mit zwei oder drei Euro an – damit kann man sich nicht mal eine Fahrt im Autoscooter leisten", sagt er. 90 Prozent der Jugendlichen, mit denen sie zu tun hätten, seien von "ökonomischen Problemen" betroffen – und so von vielem, was sich am Plärrer abspielt, ausgeschlossen. "Umso erstaunlicher ist eigentlich, welchen Stellenwert der Plärrer für sie hat." Wenn kein Plärrer sei, hielten sich Jugendliche je nach Altersstufe im Stadtgebiet auf. Mit etwa 14 Jahren liege der Fokus auf den Stadtteilen, die ohnehin für alle ein "sehr starker Identifikationspunkt" seien. Mit zunehmendem Alter weite sich der Radius dann: erst in benachbarte Stadtteile, dann in die Innenstadt. Die City-Galerie, der Königsplatz und die Maxstraße gelten dort als beliebte Anlaufstellen.

    Jugendliche treffen aus allen Augsburger Stadtteilen aufeinander

    Beim Plärrer kommen Jugendliche aus allen Richtungen zusammen. Die Streetworker des Stadtjugendrings sind dort immer zu zweit unterwegs, jeweils an Wochenenden und Familientagen. Ein Fokus liegt – auch das stärker als sonst – auf der Prävention von Konflikten, auch zwischen Gruppen. Dass es sie gibt, bestreitet keiner der Beteiligten. "Es kommt schon häufiger zum Stress", sagt ein 16-Jähriger, der mit zwei anderen unterwegs ist. Er selbst wolle Ruhe haben, aber andere provozierten gezielt. Dafür könne es schon reichen, sagt ein 15-Jähriger, einem in die Augen zu schauen. "Die fragen ,Was guckst Du so blöd?' und dann geht man besser." 

    Ein anderer Jugendlicher berichtet, gerade zwischen Gruppen könnten sich Situationen hochschaukeln. "Das geht im Spaß los, man bringt einen blöden Spruch. Und wenn dann eine Beleidigung kommt – vor allem gegen Vater, Mutter oder Tote –, dann gibt's Stress, dann schlagt auch mal jemand zu. Aber das passiert nicht oft und nicht einfach so, da muss was vorgefallen sein." Nach Auskunft eines anderen, 15 Jahre alt, könnten mal Rivalitäten zwischen Stadtteilen oder Vorgeschichten zwischen Gruppen eine Rolle spielen, mal "Frauengeschichten". Manche wollten schlicht "krass" wirken. Dass die Lage eskaliere, sei aber "selten".

    Zweimal erlebten auch Streetwork-Teams des Stadtjugendrings beim Herbstplärrer Konflikte. Einmal sei es auf dem Gelände zwischen zwei Gruppen zu einer "größeren Streitigkeit" gekommen, sagt Feyerabend, seine Kolleginnen hätten vermittelt. Eine weitere "Situation" habe es vor dem Eingang gegeben, ergänzt Detsch: "Ein Betrunkener hat Streit mit einer Gruppe gesucht und auch gefunden." Dass es gerade mal an den Eingängen knistert – vor allem rund um 20 Uhr, wenn die Unter-16-Jährigen das Gelände verlassen müssen – hat auch Mirko, 18 Jahre alt und aus Oberhausen, beobachtet. Wenn es Stress gebe, dann meistens dort. Sonst sei die Lage beim Plärrer aber relativ normal. "Die Polizei kontrolliert oft – ständig", sagt er.

    Polizei berichtet von Gewalt und Übergriffen bei Volksfest

    Auch andere berichten, besonders im Fokus der Polizei zu stehen. Ein 14-Jähriger erklärte gegenüber Streetworkern, er sei beim Herbstplärrer an einem Tag viermal kontrolliert worden, inklusive Taschenuntersuchungen. "Viele haben das Gefühl, dass das auch etwas mit ihrem Aussehen zu tun hat", sagt Detsch. Die meisten, mit denen sie in Kontakt seien, hätten Migrationshintergrund. "Aber deshalb sind sie natürlich keine Verbrecher." Er habe das Gefühl, dass während der Pandemie "etwas kaputtgegangen ist" zwischen Polizei und Jugendlichen. Gruppen seien teils sehr streng kontrolliert worden, dies habe "Spuren" hinterlassen. Gleichzeitig hätten Jugendliche wegen der Kontaktbeschränkungen nicht gelernt, Konflikte richtig zu lösen. Bei einzelnen könne sich das auch in Aggression äußern, dies sei aber die Ausnahme. "Die allermeisten sind normale, friedliche Jugendliche."

    Zurück am Autoscooter, Anita Diebold hat dort gerade eine neue Runde eingeläutet. Das Fahrgeschäft sei ein zentraler Anlaufpunkt für Jugendliche, bestätigt auch sie. Probleme gebe es aber "eigentlich nie", beim diesjährigen Herbstplärrer habe man keinen größeren Ärger an der Anlage mitbekommen. Auch sonst sei es dieses Jahr ruhig gewesen.

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