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Foto: Peter Fastl
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Michael "Schlicki" Schlickenrieder kontrolliert im Weissen Lamm Impf- und Genesenennachweise sowie Ausweisdokumente. Wenn alles passt, verteilt er einen Stempel.

Augsburg
12.11.2021

Streifzug durch Augsburg: So werden im Nachtleben Corona-Regeln kontrolliert

Von Max Kramer

Augsburg drängt zurück in Bars und Clubs. Die Betreiber stehen vor neuen Problemen, gefälschte Impfnachweise sind nur eines. Wie bleibt all das unter Kontrolle?

Das Ziel liegt zwei Meter entfernt, die Tür steht weit offen. Aus dem Inneren drängt ein dumpfer Bass in den sanft-nebligen Schleier, der sich über die Augsburger Maxstraße gelegt hat. Zwei Männer Anfang 20, schwarzes Haar und weißes Schuhwerk, stehen in der kalten November-Nacht und haben ein Problem. Sie wollen da rein, ins Peaches. Doch sie prallen ab am Türsteher der Cocktailbar. "Only one vaccination, not possible, sorry", sagt er, nur eine Impfung, kein Eintritt. Er zeigt auf das spanischsprachige Dokument, das ihm einer der beiden auf dem Smartphone entgegenstreckt. Kurzes Herumgewische, ein Fingerzeig. Der Türsteher schaut noch mal genauer hin, es dauert, die nächsten in der Schlange warten schon. Dann ein kurzes: "Ah, okay. Go in." Gleich 21 Uhr, die Nacht hat begonnen.

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Foto: Peter Fastl
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Mithilfe der Luca App können sich Besucher im Peaches anmelden.

Augsburgs Nachtleben ist wieder da. Alle paar hundert Meter schallt Musik aus Kneipen, vor den Clubs stehen die Menschen an, junge Menschen ziehen mit Bierflaschen in der Hand durch die Straßen. Die Stadt hat sich die Nacht zurückgeholt, zum Preis jedoch eines 'Aber': Nicht jeder darf überall rein. In Clubs und Diskotheken gilt aktuell 2G, Bars und Restaurants können ungeimpfte Gäste noch nach vorherigem PCR-Test bewirten. Der Druck steigt - und offenbar reagieren immer mehr Ungeimpfte darauf mit kriminellen Mitteln: Hatte die Polizei Anfang September in Bayern noch 110 Fälle von gefälschten Impfnachweisen festgestellt, waren es in den vergangenen Wochen schon über 800. In Augsburg ist bislang die Rede von "Einzelfällen", die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher liegen. Das Problem: Fälschungen sind oft kaum zu identifizieren - auch, weil gleichzeitig offizielle Dokumente kursieren, die sich voneinander deutlich unterscheiden.

Clubs, Diskotheken und Bars haben Probleme bei der Kontrolle von 3G

Vor dem Peaches ist es gerade etwas ruhiger. Der Türsteher - kein Hüne, aber unmissverständlich im Auftritt - stützt sich auf ein kleines Pult, auf dem er sich sonst die "Eintrittskarten" vorzeigen lässt: die Kombination aus Impf- oder Genesenen-Nachweis und Ausweisdokument. "Bei 90 Prozent der Gäste dauert das zwei Sekunden: eine für den digitalen Nachweis, eine für den Ausweis. Zack, weiter. Beim Rest ist es komplizierter." Wie bei den beiden jungen Spaniern gerade sei es oft nicht einfach, das Vorgelegte zu prüfen - vor allem bei Genesenen-Nachweisen. "Ich habe schon viele Dokumente gesehen, klein, groß, bunt, englisch, albanisch. Es kann gut sein, dass da Gefälschtes dabei war. Wenn wir nicht sicher sind, schicken wir die Leute weg. Keine Diskussion."

Weil auch der Tanzbereich geöffnet hat, gilt an diesem Abend im Peaches 2G. In der Bar hat eine Vierer-Gruppe Platz genommen, eine kleine Geburtstagsgesellschaft, an jedem Arm ein orangenes Eintritts-Bändchen. Studentin Denise hatte selbst schon Corona und ist zusätzlich geimpft. Sie sagt, sie habe das Gefühl, dass es immer mehr zu einer Spaltung zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften komme. Das besorge sie. Gleichzeitig begrüße sie die Kontrollen am Eingang, "das tut ja niemandem weh". Nicken in der Runde. Vithu, der an diesem Tag 24 Jahre alt wird, betont: "Es ist uns wichtig, dass man ordentlich auf die Nachweise schaut. Es gibt einem ein Stück Sicherheit." Aus eigener Erfahrung wisse er aber, dass nicht überall genau hingeschaut werde - "vielleicht 80 zu 20".

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Foto: Peter Fastl
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Student Vithu feierte mit den Studentinnen Denise, Laisa und Julia (von links) im Peaches seinen Geburtstag.

Wer an diesem Abend durch Augsburger Bars und Kneipen zieht, kommt dieser Quote relativ nahe. Etwas früher in einer bekannten Studentenkneipe in der Innenstadt: Direkt hinter dem Vorhang grüßt eine junge Bedienung und bittet fast entschuldigend um Nachweis und Ausweis. Gerade erst habe sie "leider" einen Gast heimschicken müssen, der nur einen Schnelltest dabei gehabt habe. "Aber schau, dafür müsst ihr hier keine Maske tragen." Auch die nächsten Bars kontrollieren konsequent - teilweise sogar strenger als erforderlich, es gilt 2G statt 3G plus. Scheinbar keine Regeln gelten dagegen in einem Lokal wenig später. Kontrolliert wird hier, in gemütlich dekorierten Räumlichkeiten, gar nichts. Masken trägt trotz Hinweis vor der Tür niemand. Beim Abschied gefragt, ob er noch einen Nachweis sehen wollten, zuckt der Barkeeper mit den Schultern.

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Es ist dies ein Spiel mit dem Feuer - nicht erst, seitdem die Politik im Rahmen der jüngsten Verschärfungen drakonische Strafen bei fehlenden Kontrollen angekündigt hat. Mehrere Augsburger Bar- und Klubbetreiber berichten von regelmäßigen Besuchen durch das Ordnungsamt. Diese Frequenz wird nun steigen: Ab sofort unterstützt die Polizei die Stadt Augsburg bei den Kontrollen auf Einhaltung der 2G-, 3G- und 3G-plus-Regeln. "Dabei stehen vor allem Betriebe wie Bars, Diskotheken und Gaststätten sowie hochfrequentierte Einrichtungen im Fokus", heißt es in einer Mitteilung von Freitag. "Aber auch sonstige Veranstaltungen, bei denen Anhaltspunkte der Nichteinhaltung von Infektionsschutzvorgaben vorliegen, werden entsprechend überprüft."

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Wer sich nicht an die Regeln hält, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss zahlen: Besucher bis zu 250 Euro, Betreiber bis zu 5000 Euro. Auch wenn solche Fälle bislang die Ausnahme sind: Bei vielen Betreibern herrscht angesichts der strenger werdenden Maßnahmen Unverständnis. Das Argument: Es gebe keine Beweise dafür, dass das Nachtleben Infektionstreiber sei. Tatsächlich erklärt Augsburgs Gesundheitsreferent Reiner Erben: „Im Vergleich spielen Klubs und Diskotheken aufgrund der hier geltenden 2G-Regeln keine große Rolle in Bezug auf das Infektionsgeschehen in Augsburg. Infektionen in der Gastronomie sind selten, Infektionen in Clubs und Discotheken noch seltener.“ Die Frage ist aber, ob sich wirklich wenige anstecken - oder ob es nur nicht bekannt wird. Das Gesundheitsministerium teilt denn auch mit: „Clubs und Diskotheken sind Bereiche, in denen ein sehr hohes Infektionsrisiko besteht.“ Die Staatsregierung prüfe derzeit, "ob weitere Verschärfungen der bestehenden Maßnahmen erforderlich sind."

Ordnungsamt und Polizei kontrollieren Impfnachweise in Augsburg

Die Nacht schreitet voran, das Weisse Lamm ist voll. Aus den Boxen prasseln laute Beats auf das überwiegend studentische Publikum. Am Eingang der Bar im Theaterviertel steht Michael "Schlicki" Schlickenrieder, ein großer, gut gelaunter Mann. Auch er checkt sofort Ausweis und Impf- oder Genesenennachweis. Vereinzelt, wenn etwa der gelbe Impfpass besonders abgewetzt daherkommt, muss er genauer hinschauen. Den Stempel auf die Hand bekommen dann aber alle. "Die meisten haben ihre Dokumente schon parat, wenn sie durch die Tür kommen. Unser Publikum ist eher jung, fast alle sind geimpft. Das macht's einfacher." Nur ein, zwei Mal habe er mitbekommen, dass falsche QR-Codes von Tests vorgezeigt worden seien. Der Türsteher habe die Betroffenen dann weitergeschickt, die Polizei habe man deshalb aber nicht rufen wollen.

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Foto: Peter Fastl
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Ein farbiges Bändchen berechtigt zum Eintritt in den Club.

Sebastian Karner betreibt das Weisse Lamm, die gegenüber liegende Soho Stage und den Klub Kantine am Königsplatz. Dass gerade in Klubs nun 2G gelte, sei eher eine Erleichterung. "Gerade bei den Tests gibt es ein furchtbares Durcheinander von Zertifikaten, Bestätigungen und sonstigen Dokumenten. Sowas zu fälschen, ist leider viel zu einfach." Seiner Ansicht nach müssten die Testergebnisse von zertifizierten Stellen einheitlich per QR-Code mit einer Datenbank rückgekoppelt sein. So ließe sich die Echtheit per Scan in den Bars einfach überprüfen. Doch auch bei Impfzertifikaten könne man sich nie hundertprozentig sicher sein. "Es reichen ein paar Klicks, um eine Top-Fälschung zu bekommen."

Im Internet können gefälschte Impfnachweise gekauft werden

In der Tat gibt es etliche Möglichkeiten zu betrügen. Auf der Plattform Telegram etwa gibt es mehrere spezialisierte Gruppen. In einer von ihnen, ganz öffentlich, reicht das Angebot von "Negativer Corona Test - 50 Euro" über "Antikörpertest Covid-19 - 130 Euro" bis hin zu "Impfpass inkl. QR-Code (registriert, kann digitalisiert werden) - 250 Euro". Versanddauer jeweils: zwei bis vier Tage. Nach Angaben von Markus Trieb, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben-Nord, gibt es unterschiedliche Wege, an gefälschte Impfnachweise zu kommen. "Entweder haben die Betroffenen selbst etwas in ihrem Impfausweis ver- oder geändert, oder einen Impfnachweis verwendet, der von einer dritten Person ausgestellt wurde." In Augsburg und Nordschwaben seien die häufigsten Fälle in Apotheken registriert worden. "Dort wollten die betreffenden Personen offenbar ein digitales Impfzertifikat durch den vorgezeigten analogen Impfnachweis erlangen."

Mitternacht ist längst vorbei, auf den Gehwegen stehen leere Bierflaschen Spalier für die weniger werdenden Nachtschwärmer. Der Nebel hat die Stadt inzwischen verschlungen, in der Ferne sind nur grobkonturig Lichter erkennbar. Eines gehört zu einem Klub, der noch offen hat. Aus dem Inneren dröhnt die Musik, draußen steht das Ordnungsamt. "Wollt Ihr kontrollieren?", fragt einer, der für den Klub verantwortlich zu sein scheint. "Heute nicht", sagt einer der beiden uniformierten Männer. "Wir waren nur gerade in der Nähe." Ein Bus des Ordnungsamts kommt, die Männer steigen ein und fahren davon, vorbei an der kleinen Schlange, die gerade kontrolliert wird. "Perso auch?", fragt da einer. "Alter, so genau bin ich noch nie gecheckt worden." Der Sicherheitsmann verzieht keine Miene und wünscht viel Spaß.

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