Gabriele Roß ist seit vier Jahren Bewohnerin des Afra-Pflregeheims des Sozialdiensts katholischer Frauen (SKF) in der Augsburger Innenstadt. Nach ihrer dritten Hirnblutung konnte ihr Mann Andreas die heute 69-Jährigen zu Hause nicht mehr betreuen. „Wir haben mit dem Afra-Heim aus pflegerischer Sicht eine wirklich gute Lösung für meine Frau gefunden“, erzählt Andreas Roß. Doch eines macht ihm Sorgen: Die in Augsburg und bundesweit immer weiter steigenden Kosten für diese Versorgung. Roß zahlt aktuell rund 2900 Euro pro Monat für das Pflegeheim seiner Frau zu. Von einer durchschnittlichen Rente sei dies nicht zu bezahlen, sagt er. Immer mehr Menschen seien in einem solchen Fall auf Sozialhilfe des Bezirks angewiesen. Es drohe die Mittellosigkeit. Als Heimbeirat sei er an den Entwicklungen nahe dran. Aber auch für die Heime sei die aktuelle Lage eine Belastung.
Andreas Roß sitzt auf einem der Balkone des Afra-Heims und schildert seine Lage. Um Zahlen nennen zu können, nutzt er das Beispiel seiner Frau: Aktuell kostet deren Heimplatz - sie nutzt ein Zweibettzimmer alleine - 6631 Euro. Rund 2900 bezahle er selbst. Davon sei der Zuschuss der Beihilfe, den seine Frau als ehemalige Beamtin erhält, bereits abgezogen. Er schieße von seiner Rente zu, dazu habe man rechtzeitig Vorsorge getroffen und es gebe Rücklagen. „Ich bin hier im Vergleich zu anderen in einer privilegierten Situation und kann mir das Heim derzeit noch leisten“, ist es ihm wichtig zu betonen. Doch auch seine Ressourcen seien endlich, bei vielen anderen Bewohnerinnen und Bewohnern sei dieser Punkt aber längst erreicht. Ihnen drohe der Abstieg in die Sozialhilfe. Manche würden aus Sorge davor einen Heimplatz gar nicht erst als Möglichkeit in Erwägung ziehen. Für ein wohlhabendes Land wie Deutschland sei dies ein „Armutszeugnis“.
40 Prozent der Heimbewohner des Augsburger Afra-Heims beziehen Sozialhilfe
Rund 40 Prozent der Menschen im Afra-Heim beziehen Sozialhilfe in Form der vom Bezirk gezahlten Hilfe zur Pflege, berichten Izabela Langowska, Heimleitung im Afra-Heim, und Martina Kobriger, Geschäftsführerin des Trägers SKF. In anderen Augsburger Heimen sei der Anteil teils deutlich höher, sagen sie. Laut Regierung von Schwaben ist in deren Zuständigkeitsbereich der Eigenanteil für Bewohnerinnen und Bewohner allein 2023 um rund 24 Prozent gestiegen. Man rechne daher mit einer weiteren Steigerung des Sozialhilfeaufwands, weil die Kosten die Möglichkeiten der Bewohner und Angehörigen übersteigen und Privatvermögen aufgebraucht ist. Im Jahr 2023 flossen seitens des Bezirks Schwaben 54,7 Millionen Euro in die Hilfe zur Pflege.
Dem Heim macht Andreas Roß bezüglich der immer weiter steigenden Kosten keine Vorwürfe. Die Einrichtung gebe schlicht weiter, was nach Tarifverhandlungen, Inflation und Energiekrise zusätzlich für Personal, Strom und Lebensmittel anfalle. Kostentreiber, die auch der Bezirk als eine Ursache des Problems nennt. „Aktuell schießt der SKF zu, um das Heim zu betreiben“, sagt Martina Kobriger. Ziel sei es aber, aus eigenen Mitteln eine schwarze Null zu schaffen. Dafür stehen weitere Erhöhungen an. Derzeit laufen die Verhandlungen mit den Pflegekassen und den Sozialhilfeträgern. Das Afra-Heim sieht laut Heimbeirat rückwirkend zum 1. Juli eine Steigerung von etwa 590 Euro pro Monat vor. Ob das durchgeht, ist offen. Heimbeirat Andreas Roß geht zwar von einem niedrigeren Satz aus, aber: Alles, was nicht von der Pflegekasse übernommen wird, bleibt auch dann an den Bewohnern oder deren Angehörigen hängen.
Steigende Kosten setzen auch die Pflegeheime unter Druck
Aber nicht nur für sie, sondern auch für die Heime wird die Finanzierung der Pflege zunehmend zum Risiko. Weil der Bezirk Schwaben aufgrund Personalmangels Anträge auf Hilfe zur Pflege nur schleppend bearbeitet, habe das Afra-Heim Ausstände in Höhe eines mittleren sechsstelligen Betrags, sagt Kobriger. Gestiegene Kosten könnten an zuständigen Stellen immer nur rückwirkend geltend gemacht werden. Weil Personal fehlt, könne das Haus zudem nicht voll ausgelastet werden - auch das habe Effekte auf die Kalkulation. Dass immer wieder Heime finanziell in ihre Grenzen kommen, könne sie daher gut nachvollziehen. Gerade für privatwirtschaftlich betriebene Einrichtungen, die - anders als der SKF - einen Gewinn erzielen müssen, sei dies eine enorme Herausforderung. Teils gehe dies zwangsweise zulasten der Versorgung.
Andreas Roß und Martina Kobriger setzen sich, wie viele andere, für eine Reform der Pflegefinanzierung ein. Der Heimbeirat hat zusammen mit 100 Unterstützern im vergangenen Jahr einen Brief an Gesundheitsminister Karl Lauterbach und die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll, geschrieben. „Es braucht eine Vollversicherung für den Pflegefall“, sagt Kobriger. Anders sei das Ganze auf Dauer nicht finanzierbar. Beide Politiker hätten geantwortet. „Diese Wertschätzung hat gut getan“, sagt Roß. Eine Lösung des Problems habe es, wie erwartet, nicht geben können, aber man sei gehört worden. Auch der Städtetag hatte sich zuletzt klar für eine Reform ausgesprochen. Das Thema ist auf der Agenda, jetzt müsse etwas passieren. Denn, da sind sich Roß und Kobriger einig, je länger es dauert, umso mehr Menschen rutschen in die Sozialhilfe und Heime geraten zunehmend unter Druck.
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