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Augsburg: Statistik zu Gewalttaten: Wie oft werden Flüchtlinge in Augsburg kriminell?

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Statistik zu Gewalttaten: Wie oft werden Flüchtlinge in Augsburg kriminell?

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     Der Anteil der tatverdächtigen Flüchtlinge bei den in Augsburg registrierten Gewalt- und Sexualstraftaten ist nach der Flüchtlingskrise deutlich gestiegen. Zuletzt ging er wieder leicht zurück.
    Der Anteil der tatverdächtigen Flüchtlinge bei den in Augsburg registrierten Gewalt- und Sexualstraftaten ist nach der Flüchtlingskrise deutlich gestiegen. Zuletzt ging er wieder leicht zurück. Foto: A. Kaya (Symbol)

    Der Fall, der seit einigen Wochen vor dem Augsburger Landgericht verhandelt wird, lässt Prozessbeteiligte und Beobachter immer wieder fassungslos zurück. Nabi S., 30, ein Flüchtling aus Afghanistan, hat in der Familie seiner Ehefrau ein Blutbad angerichtet. Er tötete mit einem Messer seinen 15-jährigen Schwager und verletzte weitere Familienangehörige schwer. Die Ermittler gehen davon aus, dass Nabi S. Rache übte, weil seine Frau sich nach einem Ehemartyrium von ihm getrennt hatte. Der Fall wirft die Frage auf: Wie oft werden Flüchtlinge kriminell? Was eine Auswertung der Kriminalstatistik für Augsburg aufzeigt.

     Der Anteil der tatverdächtigen Flüchtlinge bei den in Augsburg registrierten Gewalt- und Sexualstraftaten ging zuletzt leicht zurück.
    Der Anteil der tatverdächtigen Flüchtlinge bei den in Augsburg registrierten Gewalt- und Sexualstraftaten ging zuletzt leicht zurück. Foto: Alexander Kaya (Symbolfoto)

    Nach mehreren Jahren, in denen die Zahl der tatverdächtigen Flüchtlinge in Augsburg konstant angestiegen ist, sinkt die Kriminalität bei Flüchtlingen erstmals wieder leicht. Schwere Kriminalität, wie Mord, Totschlag, Raub, Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzungen, fasst die Polizei in ihrer Statistik unter dem Schlagwort Gewaltkriminalität zusammen. Die neuesten Daten, die derzeit zur Verfügung stehen, sind die Zahlen für das Jahr 2019. Daten für 2020 gibt es erst im Frühjahr. Bei der Gewaltkriminalität in Augsburg waren im Jahr 2019 demnach 16,6 Prozent der Tatverdächtigen Flüchtlinge – das ist, verglichen mit dem Anteil der Flüchtlinge an der Gesamtbevölkerung, ein relativ hoher Wert.

    Es betrifft nicht nur Flüchtlinge: Insgesamt ist der Anteil der Tatverdächtigen, die keinen deutschen Pass haben, bei der Gewaltkriminalität signifikant. 42,6 Prozent der von der Polizei ermittelten Gewalttäter waren im Jahr 2019 Ausländer. Zum Vergleich: Der Anteil der Menschen mit ausländischem Pass an der Bevölkerung in der Stadt Augsburg lag Ende 2019 bei 23,2 Prozent. Experten allerdings warnen davor, nur diese Anteile miteinander zu vergleichen. Das könne ein schiefes Bild ergeben.

    Unter den Flüchtlingen in Augsburg sind viele junge Männer

    Denn die deutsche Bevölkerung ist im Schnitt älter und weiblicher – und damit generell weniger anfällig für Kriminalität. „Grundsätzlich ist es so, dass jüngere Männer am anfälligsten dafür sind, Straftaten zu begehen – unabhängig von der Herkunft“, sagt Kriminaldirektor Ewald Weber. Er leitet die Abteilung für Verbrechensbekämpfung im Augsburger Polizeipräsidium. Gerade unter den Flüchtlingen sind viele junge Männer. Ein Vergleich ist zudem schwierig, weil niemand genau weiß, wie viele Flüchtlinge sich in welchem Jahr genau in der Stadt aufgehalten haben. Viele Asylbewerber sind auch nicht geblieben, sondern reisten weiter.

    Ganz erklärt das den eklatant hohen Ausländeranteil bei Gewaltdelikten aber dennoch nicht. Es spielten auch sozialen Faktoren eine wichtige Rolle, sagt Ewald Weber. Die Polizei betonte in den vergangenen Jahren immer wieder, wie wichtig eine gute Integration sei – denn es gehe beim Kriminalitätsrisiko auch um Punkte wie Ausbildung, Sprachkenntnisse, Einkommen und das soziale Umfeld. Bei Flüchtlingen, die in Gemeinschaftsunterkünften lebten, komme die beengte Wohnsituation und die oft unsichere Perspektive hinzu. Gerade bei Gewalttaten kann die Herkunft aber durchaus auch eine Rolle spielen.

    Männer aus "Ehrenkulturen" werden zu Paten ausgebildet

    Der nun wegen Mordes angeklagte Nabi S. dürfte dafür ein Beispiel sein. Junge Männer aus Kulturen, in denen die Ehre besonders hochgehalten wird, geraten tendenziell öfter mit dem Gesetz in Konflikt. Deshalb gibt es in Augsburg auch ein Projekt, das sich dieses Problems annimmt. Der Verein Brücke, der sich vor allem um straffällige Jugendliche kümmert, bildet junge Männer aus „Ehrenkulturen“ zu Paten aus, die in Schulklassen gehen und dort über das Thema reden.

    Ein Mann muss sich wegen Mordes an seinem 15 Jahre alten Schwager vor Gericht verantworten.
    Ein Mann muss sich wegen Mordes an seinem 15 Jahre alten Schwager vor Gericht verantworten. Foto: Stefan Puchner (Archivfoto)

    Schaut man auf die Statistik, könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass sich die Bemühungen um Integration offenbar auszahlen. Denn erstmals seit Längerem gab es 2019 einen Rückgang bei ausländischen Gewalttätern. Über Jahre war deren Zahl in Augsburg konstant gestiegen. Das zeigt der Blick auf die Statistik: Im Jahr 2014 waren bei der Gewaltkriminalität 40 Prozent der Tatverdächtigen Ausländer, 2018 lag der Anteil bereits bei 46,9 Prozent – und davon waren fast die Hälfte Flüchtlinge. Für das Jahr 2019 zeigt der Trend nun nach unten. Der Anteil der Gewalttäter ohne deutschen Pass ist auf 42,6 Prozent gesunken, darunter waren noch 16,6 Prozent Flüchtlinge.

    Bei Sexualstraftaten sieht es ähnlich aus. 2018 hatten 45,6 der Verdächtigen keinen deutschen Pass, davon 24,1 Prozent Flüchtlinge. 2019 betrug der Anteil 40,6 Prozent (davon 17,8 Prozent Flüchtlinge). Auch die Ausländerkriminalität insgesamt ging 2019 erstmals seit Jahren zurück, wenn auch nur gering. 2018 waren 39,7 Prozent aller Tatverdächtigen, die von der Polizei bei Straftaten ermittelt wurden, Ausländer, 2019 lag der Anteil bei 39,4 Prozent. Obwohl der Ausländeranteil an der Bevölkerung in Augsburg im selben Zeitraum weiter gestiegen ist – von 22,5 auf 23,2 Prozent.

    Ob es sich um eine dauerhafte Trendwende handelt, könne man bislang noch nicht abschätzen, heißt es bei der Polizei. Dazu müssten unter anderem die Zahlen für das gerade abgelaufene Jahr vorliegen. Die Kriminalstatistik für 2020 wird derzeit erstellt und soll im Frühjahr veröffentlicht werden.

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