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Augsburg: Die Stadt steht wegen fehlender Plätze in der Jugendhilfe unter Druck

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Die Stadt steht wegen fehlender Plätze in der Jugendhilfe unter Druck

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    Die Versorgungslage für ambulanten und stationären Hilfebedarf im Jugendbereich stößt an seine Kapazitätsgrenzen. Das hat Auswirkungen für Augsburger Jugendliche.
    Die Versorgungslage für ambulanten und stationären Hilfebedarf im Jugendbereich stößt an seine Kapazitätsgrenzen. Das hat Auswirkungen für Augsburger Jugendliche. Foto: Kaya (Symbolbild)

    An diesem Tag sind in der Augsburger Inobhutnahmestelle Biwak acht Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren untergebracht – genauso viele, wie die Einrichtung des Sozialpädagogischen Instituts Augsburg (SIA) auch Plätze für schutzbedürftige Mädchen und Jungen anbietet. Manche bleiben wenige Tage, andere ein paar Monate. Weil es deutschlandweit an stationären Jugendhilfeplätzen mangelt und in den vergangenen Monaten auch wieder mehr unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach

    Würde das Biwak an diesem Tag angefragt, weil ein minderjähriges Kind nach Schutz sucht, es nicht zu seinen Eltern will oder es von der Polizei aufgegriffen wird, die Einrichtung könnte es nicht mehr aufnehmen. In den vergangenen Monaten seien die Schutzplätze kontinuierlich überbelegt worden, sagt SIA-Geschäftsführer Jürgen Mölle. Bis zu zwölf Personen kamen dann in der Einrichtung unter. Doch aufgrund des Fachkräftemangels ist das derzeit nicht mehr möglich. Der Druck habe in den vergangenen Monaten zugenommen. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Auswirkungen auf den Alltag von jungen Menschen gebe es mehr psychische Auffälligkeiten, so Mölle. Im Biwak werden Mädchen und Jungen aufgenommen, die dringend eine Anschlussmaßnahme bräuchten. "Doch dafür fehlen Plätze", sagt Mölle. Deshalb werde aus einem kurzen Aufenthalt ein langer – was nicht nur für die Jugendlichen frustrierend sei.

    Schutzstellen sollen künftig für Augsburger Jugendliche freigehalten werden

    Die Stadt hat auf das Problem reagiert – sie ist gesetzlich dazu verpflichtet, den Herausforderungen im Kinderschutz nachzukommen. Insgesamt 17 Inobhutnahmestellen stünden in Augsburg für Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren zur Verfügung, zählt Jugendamtsleiter Joachim Herz auf. Für die Einrichtungen Biwak und Condrobs, die ebenfalls Schutzstellen anbieten, wird bis Ende des Jahres eine sogenannte Schutzstellenplatzfreihaltung finanziert. Das haben die Mitglieder in der jüngsten Sitzung des Jugendhilfeausschusses beschlossen. So wurde in den vergangenen Monaten ein Teil der Augsburger Plätze von auswärtigen Jugendämtern teilweise monatelang blockiert. Durch die finanzielle Zusage könne nun für Versorgungssicherheit gesorgt werden. "Dieser Weg, der jetzt eingeschlagen wird, war längst überfällig", betont Mölle.

    Und auch in Sachen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge solle sich etwas tun, so Herz. Die Ankunft von minderjährigen Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan oder verschiedenen Ländern Afrikas steige seit Ende 2021 wieder stetig an. Derzeit kämen im Schnitt fünf unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Monat in Augsburg an. Die Stadt sei mit mehreren Trägern im Gespräch, um Plätze für diese geflüchteten jungen Menschen zu schaffen, berichtet der Jugendamtsleiter. Strukturen, die 2015 aufgebaut wurden, waren aufgrund mangelnder Nachfrage in den vergangenen Jahren wieder abgebaut worden. "Wir wollen eine schnelle Anschlussversorgung schaffen", sagt Herz. Niemand soll einen Kinderschutzplatz unnötig lange für sich beanspruchen.

    Mitarbeiter des Sozialdienstes fragen teilweise bei 70 Einrichtungen an

    Der Mangel an stationären Jugendhilfeplätzen ist aber auch damit nicht gelöst. In Augsburg werde wie auch in allen anderen Kommunen händeringend nach freien Plätzen gesucht. Eine aktuelle Abfrage im Sozialdienst hat ergeben, dass in 72 Familien der Hilfebedarf so eingeschätzt wird, dass die jungen Menschen nicht in den Familien bleiben, sondern in einer Wohn- oder Heimgruppe untergebracht werden müssten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialdienstes fragten im schlimmsten Fall bis zu 70 Einrichtungen an. "Und dann ist nicht garantiert, dass ein Platz gefunden wird", sagt Herz. Allein der Aufwand, Einrichtungen abzutelefonieren, sei enorm. Zeit, die an anderer Stelle zur Bearbeitung von anderen Aufgaben fehle beziehungsweise zu einer zusätzlichen Belastung der Belegschaft führe.

    Personalrat Goran Marsal berichtete im Jugendhilfeausschuss von Überlastung im Sozialen Dienst. "So schlimm war es noch nie", hieß es in einer Reihe von Zitaten, die er vorlas. Um Wartezeiten auf einen geeigneten Platz zu überbrücken, würde versucht, Kindern und Jugendlichen ambulante Hilfen zu vermitteln. Doch auch die Versorgungslage stieße an ihre Kapazitätsgrenzen.

    Derzeit werden durch Krieg, Inflation und Energiepreise Existenzängste geschürt

    Der hohe Bedarf werde durch viele Faktoren beeinflusst, erklärt Jugendamtsleiter Herz. Aufgrund der Corona-Pandemie zeige sich das Verhalten von jungen Menschen in einigen Fällen verändert: Es komme zu Rückzug, fehlendem Sozialverhalten in Gruppen bis hin zu aggressivem Verhalten. Aufgrund von Kurzarbeit oder Entlassungen von Eltern seien während der Pandemie Existenzängste geschürt worden. Das Kriegsgeschehen in der Ukraine, der Anstieg der Energiepreise und die Inflation tragen ebenfalls dazu bei – und sorgten für weiteren Druck in Familien.

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