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Augsburg: Stadt Augsburg lässt Senioren aus der Ebnerstraße in andere Heime verlegen

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Stadt Augsburg lässt Senioren aus der Ebnerstraße in andere Heime verlegen

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    25 Seniorinnen und Senioren wurden am Mittwoch aus dem umstrittenen Heim in der Ebnerstraße in andere Häuser in Augsburg verlegt.
    25 Seniorinnen und Senioren wurden am Mittwoch aus dem umstrittenen Heim in der Ebnerstraße in andere Häuser in Augsburg verlegt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Vor dem Pflegeheim Ebnerstraße im Augsburger Stadtteil Oberhausen stehen am frühen Mittwochabend mehrere Krankentransporter verschiedener Rettungsdienste. Die Straße ist damit erst einmal dicht. Autofahrer müssen wenden. Im Haus gegenüber dem Seniorenheim hat es sich ein Anwohner am offenen Fenster bequem gemacht. Seine Arme hat er auf einem Kissen an der Fensterbank abgelegt. "Machen sie das Heim jetzt zu?", fragt er mit einer Zigarette im Mundwinkel. Dass die Einrichtung wegen Pflegemissständen in den Schlagzeilen stand, hat freilich auch er mitbekommen. Nun sorgt der Einsatz von Rettungskräften für Aufsehen.

    Helferinnen und Helfer, in Schutzkleidung gehüllt, holen betagte Menschen auf Tragen aus dem Gebäude, laden sie in die Fahrzeuge der Johanniter und Malteser, des Roten Kreuzes und von Bäuerle Ambulanz, fahren sie weg. "Es ist alles gut", beruhigt eine Helferin einen alten Mann, der auf einer Krankentrage aus dem Heim gerollt wird. Laut Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) handelt es sich bei der Aktion um eine Verlegung von rund 25 Seniorinnen und Senioren in andere Pflegeheime. Grund sei, dass sich die Corona-Lage in der Oberhauser Einrichtung weiter zugespitzt habe.

    Wie berichtet, hat das Heim - neben dem Pflegeskandal - seit Kurzem auch mit einem Corona-Ausbruch zu kämpfen. Wie Erben weiter berichtet, seien neben den Senioren mittlerweile auch so viele Beschäftigte infiziert, dass die Pflege nicht mehr gewährleistet werden könne. Aus diesem Grund habe die städtischer Heimaufsicht in Absprache mit der Regierung von Schwaben beschlossen, mit der Verlegung in andere Häuser zu beginnen.

    Bei den 25 Senioren aus dem Heim in der Ebnerstraße besteht "Gefahr in Verzug"

    Bei den rund 25 Personen handelt es sich laut Erben um höchst pflegebedürftige Senioren. Weil hier "Gefahr in Verzug" bestehe, seien sie die Ersten, die umquartiert werden und überwiegend in Einrichtungen der städtischen Altenhilfe unterkämen. Die Angehörigen beziehungsweise Betreuungspersonen seien informiert worden. Man habe ihnen auch die Gelegenheit gegeben, eine andere als die von der Heimaufsicht vorbereitete Unterbringung zu wählen. Die Aktion findet nach Angaben der Stadt im Beisein von Vertretern der Heimaufsicht und des Gesundheitsamtes statt. Auch die Polizei ist zwischenzeitlich vor Ort.

    Laut Erben ist es jetzt Aufgabe der Heimleitung, für ausreichend Pflegekräfte in der Einrichtung zu sorgen. "Sollte diese bis zu diesem Donnerstag dazu nicht in der Lage sein, werden die verbliebenen Bewohnerinnen und Bewohner ebenfalls verlegt", kündigt er am Mittwochabend an. Die Heimaufsicht der Stadt übernehme dann die Organisation freier Plätze in anderen Pflegeheimen. Dazu habe es entsprechende Vorüberlegungen mit Trägern gegeben. Unter den noch in der Ebnerstraße befindlichen Senioren seien auch Corona-Fälle zu verzeichnen. Ein Großteil stehe unter Quarantäne.

    Zuletzt waren in der Ebnerstraße 86 alte Menschen untergebracht. Der Träger des Heims, ein italienisches Unternehmen, hatte sich schon vor Längerem aufgrund der Personalsituation einen Aufnahmestopp auferlegt und nicht mehr alle Plätze belegt. Die Umquartierung von bislang 25 Personen bedeutet laut Gesundheitsreferent noch nicht, dass das Heim wegen der zuletzt bekannt gewordenen Missstände geschlossen wird. Aktuell sei die Corona-Situation Auslöser für diese Aktion, wobei die Stadt sich eine Schließung als letzten Schritt vorbehalten hat. Erben hatte auf Anfrage unserer Redaktion in der vergangenen Woche von einer unterdurchschnittlichen Impfquote sowohl beim Personal als auch bei den Senioren gesprochen.

    In den vergangenen Tagen waren massive Pflegemängel in dem Heim, das in Augsburger Pflegekreisen offenbar schon seit vielen Jahren einen schlechten Ruf hat, an die Öffentlichkeit gekommen. Auch der Fernsehsender RTLberichtete darüber und zeigte erschütternde Aufnahmen aus der Einrichtung. Für die Sendung war eine Reporterin als vermeintliche Praktikantin eingeschleust worden. In dem Beitrag war die Rede von Personalmangel, fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten für Bewohnerinnen und Bewohner und unsachgemäßer Verabreichung von Beruhigungsmitteln. Mitunter herrschte ein harscher Umgangston.

    Wovon eine mögliche Schließung des Heims an der Ebnerstraße abhängt

    Ob es zu einer Schließung der Ebnerstraße kommt, hängt zum einen von der Personalsituation ab und zum anderen davon, inwieweit in der Einrichtung die Anordnungen der Heimaufsicht umgesetzt werden. Die Kontrolleure selbst hatten zuletzt Defizite bei der Hygiene und der medizinischen Versorgung beanstandet. Laut Gesundheitsreferent Erben reichen die angeordneten Maßnahmen von Änderungen im Prozessmanagement über den Austausch von Führungskräften und Bußgeldern bis hin zur Schließung der Einrichtung als letzter Konsequenz.

    Der Nachbar gegenüber dem Seniorenheim schaut dem Treiben vor seiner Tür weiter zu und raucht. "Das andere Heim von dem Konzern, das am Schliersee, haben sie doch auch schon dichtgemacht", kommentiert er.

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