Es hätte ein gutes Jahr 2020 werden können für die Fuggerei: Im Januar kamen 50 Prozent mehr Besucher als im selben Monat 2019, im Februar lag das Plus bei elf Prozent. Doch dann kam Corona und mit dem Virus die Schließung der Sozialsiedlung für Touristen. Die finanziellen Verluste sind so hoch, dass die Fugger’schen Stiftungen Sanierungen schieben müssen. Auch das 500-jährige Bestehen der Sozialsiedlung im nächsten Jahr wird kleiner ausfallen – unter anderem wird das geplante Bürgerfest gestrichen.
Rund 920.000 Euro nimmt die Fuggerei pro Jahr durch Eintrittsgelder ein. Seit 2006 müssen Gäste für einen Rundgang durch die Sozialsiedlung bezahlen, aktuell sind es 6,50 Euro pro Person. Mit dem Geld hält die Stiftung die Häuschen der Bewohner in Schuss. Doch dieses Jahr wird hier der Rotstift angesetzt. „Wir hätten gerne eine halbe Million Euro mehr investiert, aber Dächer, Fenster und Türen können aktuell nicht auf Vordermann gebracht werden“, sagt Sprecherin Astrid Gabler. Alles, was die Optik betrifft, müsse warten, wahrscheinlich werden auch ein, zwei Wohnungen weniger saniert. Die Kernsanierung eines Hauses, die heuer geplant war, kann sich die Stiftung ebenso wenig leisten.
Jakob Fuggers ehrgeizige Ziele
Jakob Fuggers (1459–1525) Ziele waren langfristiger wirtschaftlicher Erfolg der Firma, der soziale Aufstieg der Familie und ein ewiger Bestand der Stiftungen.
Besondere Beziehungen unterhielt er zu Kaiser Maximilian I. Seine Geschäftsverbindungen zu den Habsburgern waren Grundlage für den Aufstieg der Fuggerschen Firma. Ein Spruch Jakob Fuggers lautet: „Bin reich von Gottes Gnaden und jedermann ohn Schaden.“
Jakob Fugger der Reiche und seine Frau Sibylle Artzt waren kinderlos geblieben. In seinem Testament bestimmte Jakob seinen Neffen Anton Fugger zum alleinigen Nachfolger.
Im Jahr 1525 übernahm dieser mit 32 Jahren die Leitung der Firma und führte sie überaus erfolgreich bis zu seinem Tod 1560. Anton Fugger richtete die Firma wie die Stiftungen neu aus. (AZ)
Denn auch eine andere Einnahmequelle ist versiegt: der Forst. Die Holzpreise sind aufgrund mehrerer Stürme so stark gesunken, dass der Wald eher ein Draufzahlgeschäft sei, sagt Stiftungsadministrator Wolf-Dietrich Graf von Hundt. Der Tourismus erhole sich zwar, aber nur langsam: „Beim Einzeltourismus haben wir wieder 80 Prozent der Normalwerte erreicht. Schulklassen und innerdeutsche Busreisen sind dagegen fast komplett weggebrochen.“ Auch aus dem Ausland kämen nur wenig Gäste. Allein für die kurze Zeit von Mitte März bis Mitte Mai liegen die Verluste laut von Hundt bei rund 160.000 Euro.
Dabei sollten bis nächstes Jahr eigentlich alle 67 Fuggerei-Häuschen auf Vordermann gebracht sein. Denn im Jahr 2021 wird die älteste Sozialsiedlung des Kontinents wohl weltweit im Fokus stehen: Sie feiert ihr 500-Jähriges. Am 23. August 1521 hatten Jakob Fugger und seine Neffen den Stiftungsbrief für die Einrichtung unterzeichnet, die seitdem dem immer selben Zweck dient: bedürftigen Augsburgern für wenig Geld eine Heimat zu bieten.
Auch mit Augsburgs Bürgern wollte man das Fuggerei-Jubiläum feiern
Die Fugger’schen Stiftungen und die Stadt wollten diese 500 Jahre mit prominenten Gästen, vor allem aber auch mit den Bürgern feiern. Geplant waren ein Festakt, ein historisches Bürgerfest und viele andere Aktionen übers Jahr 2021 hinweg. Doch Corona hat nicht nur die Finanzierung durcheinander gewirbelt, auch die Unsicherheit, welche Veranstaltungen im kommenden Jahr überhaupt mit wie vielen Besuchern möglich sein werden, hat die Planungen umgeworfen. „Wir versuchen uns zu fokussieren und manches zusammenzulegen, um einen sparsamen Umgang der Mittel zu schaffen und dieses Jubiläum trotzdem feiern zu können“, sagt Astrid Gabler. Großveranstaltungen wie ein historisches Bürgerfest dagegen wurden bereits gestrichen.
Dennoch: An einigen Ideen will man in der Fuggerei festhalten. So soll das Museum in der Mittleren Gasse, das die Geschichte der Sozialsiedlung erzählt und auch eine historische Wohnung zeigt, modernisiert werden. Künftig sollen Besucher dort erfahren, woher Jakob Fugger das Geld für die Stiftung nahm und welche Rolle Anton Fugger spielte, der das Fugger-Imperium im Jahr 1525 von seinem Onkel Jakob übernahm. Auch soll erklärt werden, warum Jakob Fugger die Sozialsiedlung überhaupt ins Leben rief.
„Fuggerei der Zukunft“: Augsburger Idee soll in der Welt verbreitet werden
Die Stadt beteiligt sich mit einer Ausstellung im Maximilianmuseum am Jubiläumsjahr. Es geht allgemein um das Thema Stiftungen, eine Tradition, die in Augsburg seit jeher groß geschrieben wurde. Genau hier wollen kommendes Jahr auch die Fugger’schen Stiftungen ansetzen. „Wir würden die Augsburger gerne dazu bewegen, sich wieder stärker für ihre Stadt zu engagieren“, sagt Stiftungsadministrator Graf von Hundt. Seit einiger Zeit arbeiten die Stiftungen deshalb gemeinsam mit Experten an der Idee einer „Fuggerei der Zukunft“. Ausgehend von Augsburg soll eine Modellsiedlung entwickelt werden, die ähnlich wie die Fuggerei Bedürftigen hilft, deren Idee aber auf Länder in aller Welt übertragen werden könnte. Der Startschuss dafür soll im Jubiläumsjahr fallen."
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