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Augsburg: So tickt der Anwalt des Verdächtigen im Königsplatz-Prozess

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So tickt der Anwalt des Verdächtigen im Königsplatz-Prozess

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    Marco Müller arbeitet seit vielen Jahren als Strafverteidiger. Im Kö-Prozess vertritt er den Angeklagten.
    Marco Müller arbeitet seit vielen Jahren als Strafverteidiger. Im Kö-Prozess vertritt er den Angeklagten. Foto: Tanja Ferrari

    An einer Wand in der Anwaltskanzlei „Müller und Kollegen“ ist ein Graffito angebracht, es ist so farbenfroh und groß, dass man es nicht übersehen kann. Erstellt hat es vor Jahren ein Sprayer, der es als Augsburger „Blumenmaler“ zu einiger Bekanntheit brachte, das Kunstwerk zeigt einige Motive von ihm, darunter die sogenannte „Augsburgblume“: langer, geschwungener Stiel, fünf Blütenblätter. Marco

    Die Augsburgblume auf einem T-Shirt.
    Die Augsburgblume auf einem T-Shirt. Foto: Catrin Weykopf (Archiv)

    Also revanchierte der Künstler sich auf seine Art. Er sprayte eine Nacht durch das Graffito, das bis heute die Kanzlei verziert. Der Anwalt muss schmunzeln, wenn er die Anekdote erzählt. Der „Blumenmaler“ ist einer von vielen Mandanten, die Müller im Laufe der Jahre verteidigt hat, und einer von denen, zu denen Müller eine spezielle Beziehung pflegt. Es ist nicht der einzige.

    Der Fall sorgt für Aufmerksamkeit, aber auch für Hetze

    Marco Müller, 43, ist gerade im besonderen Fokus des öffentlichen Interesses. Er verteidigt den 17-Jährigen, der im vergangenen Jahr einem 49-jährigen Passanten am Königsplatz einen tödlichen Schlag verpasst hat. Der Fall sorgte von Beginn an für enorme Aufmerksamkeit und Anteilnahme, aber auch für Hass und Hetze im Internet; Müller sah sich, wie andere Augsburger Anwälte, die Verdächtige in dem Komplex vertraten, teils Anfeindungen ausgesetzt. „Wir haben genügend Nachrichten bekommen“, sagt er. Beeindruckt hat es ihn offenbar nicht. „Es gehört zum Geschäft.“

    Der Prozess um den tödlichen Schlag ist vielleicht nicht Müllers größter Fall, aber es gab mit Sicherheit seit Längerem kein Verfahren mehr in Augsburg, das derart große Wellen geschlagen hat. Müller ist seit 2004 als Anwalt zugelassen und in

    Ein klassischer Starverteidiger aber ist der gebürtige Augsburger nicht; keiner, der sich größtenteils um besonders lukrative und öffentlichkeitswirksame Mandate reißt. Tatsächlich gibt es kaum Tage, an denen man den Anwalt nicht im Gerichtsgebäude antrifft, manchmal hat er dort sechs, sieben Verhandlungen an einem Tag. Er vertritt kleine Dealer, die geringe Mengen Marihuana verkauft haben, oder junge Männer, die Widerstand gegen die Polizei geleistet haben. Justizalltag, nicht die ganz große Bühne. Müller sagt, er schaue zuerst auf den Mandanten, nicht zuerst darauf, wie viel Geld der mitbringe. Für die Augsburger Drogenhilfe und den Sozialdienst SKM, der etwa ebenfalls Drogenabhängige und Obdachlose betreut, biete die Kanzlei auch kostenlose Rechtsberatung an, sagt er.

    Marco Müller ist ein Anwalt, der mit seinen langen, zusammengebundenen Haaren schon optisch etwas heraussticht, vor allem aber auch deshalb auffällt, weil er zu seinen Mandanten oft einen guten Draht hat. Ihre Sprache beherrscht, obwohl die Distanz zwischen ihm, dem studierten Fachanwalt, und den Angeklagten, die oft aus unteren sozialen Schichten der Gesellschaft stammen, groß sein könnte. Doch das ist sie meist nicht. Müller und seine Mandanten wirken oft vertraut.

    Einmal, es ist Jahre her, hielt ein Richter den Anwalt zunächst gar für einen der Angeklagten. Das würde Müller heute nicht mehr passieren, dazu ist er in der Justizwelt längst zu etabliert und respektiert, auch von Staatsanwälten und

    Der Anwalt pflegt einen guten Draht zu seinen Mandanten

    Manche Anwälte halten das anders, aber wer Müller juristisch unterschätzt, weil er einen guten Draht zu seinen Mandanten pflegt, macht einen Fehler. Vor Gericht kann er die Tonlage variieren, je nach Bedarf sehr konfrontativ sein oder ein frühes Rechtsgespräch suchen, wenn es seinem Angeklagten nützt. Müller sei ein Anwalt, der sein Handwerk beherrsche, sagt der Augsburger Strafverteidiger Klaus Rödl.

    Marco Müller arbeitet seit vielen Jahren als Strafverteidiger. Im Kö-Prozess vertritt er den Beklagten.
    Marco Müller arbeitet seit vielen Jahren als Strafverteidiger. Im Kö-Prozess vertritt er den Beklagten. Foto: Tanja Ferrari

    Privat ist der Anwalt so normal und zugänglich, wie er im Gerichtssaal wirkt. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter, er sei ein absoluter Familienmensch, sagt Müller. In seiner Freizeit spielt er gerne Fußball und geht auf die Jagd.

    Bald steht ein Umzug an. Die Kanzlei, 2007 von Marco Müller und seiner Ehefrau Catharina gegründet, ist im Lauf der Jahre ziemlich gewachsen. Vier weitere Anwälte sind mittlerweile in ihr tätig, die Räumlichkeiten nun zu klein. Das soll sich ändern. Und wer weiß: Vielleicht wird ja auch die neue Kanzlei mit ungewöhnlichen Graffiti verziert.

    Hören Sie dazu auch den Podcast:

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