Als Vertreter von CSU und Grünen am vergangenen Mittwoch im Rathaus ihren Koalitionsvertrag besiegelten, wiesen sie auf einen Punkt auffällig oft hin: Es werde sicher auch mal „quietschen“, nicht immer werde „eitel Sonnenschein herrschen“ und überhaupt wisse man schon, dass Schwarz und Grün nicht die geborenen Partner seien.
„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, heißt es in einem Gedicht von Hermann Hesse, und die beiden Regierungspartner haben sich schon ein Stück weit darin geübt, ihren Anfang zu entzaubern. Das ist gut so: Zauberei und Politik passen nicht zusammen.
Augsburg: CSU und Grüne haben Kompromissbereitschaft bewiesen
Beide Parteien haben mit ihrer Einschätzung Recht, was aber keinesfalls heißen muss, dass die Koalition nicht funktionieren wird. Wie bei jedem Bündnis würde das Problem nicht so sehr darin liegen, dass es mal unterschiedliche Meinungen gibt (das liegt in der Natur der Sache einer Koalition), sondern es würde darin liegen, dass man diese Meinungsverschiedenheiten nicht vernünftig regeln kann.
Dafür sind die Voraussetzungen nicht so schlecht. Schon beim Koalitionsvertrag haben beide Parteien Kompromissbereitschaft bewiesen. Das betonen beide Seiten, und das ist nach der Lektüre des Dokuments wohl auch zutreffend. Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) und die wahrscheinliche künftige Bürgermeisterin Martina Wild (Grüne) haben ein sehr gutes persönliches Verhältnis zueinander und vertrauen sich. Das ist schon mal eine gute Voraussetzung, um etwaige Meinungsverschiedenheiten in den Griff zu bekommen. Genauso entscheidend wird aber sein, wie die beiden Fraktionen im Rathaus miteinander arbeiten werden. Es ist vielleicht übertrieben, von einem Zusammenprall der Kulturen zu sprechen, aber Leo Dietz als möglicher künftiger CSU-Fraktionschef und Verena von Mutius-Bartholy als Grünen-Fraktionschefin werden vielleicht erst etwas Gewöhnungszeit brauchen, wobei das Bündnis auch in den Fraktionen hohe Akzeptanz zu haben scheint.
Warum Schwarz-Grün in Augsburg ein Experiment ist
Schwarz-Grün in Augsburg ist ein Experiment, das von den Landesleitungen der beiden Parteien durchaus mit Interesse beobachtet werden wird. Was ihre Herkunft und innere Kultur betrifft, könnten die beiden Parteien wohl kaum unterschiedlicher sein. Bei den Inhalten hingegen hat zumindest in Augsburg eine bemerkenswerte Annäherung stattgefunden, die nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass die CSU – dem gesellschaftlichen Trend folgend – ein Stück weit ökologischer geworden ist. In vielen Dingen ist die Richtung dieselbe, Unterschiede gibt es eher in der Frage, wie weit und wie schnell man voranschreiten möchte. Eine „autofreie Altstadt“, so die Grünen-Forderung, gibt es vorläufig nicht, aber punktuelle Verkehrsberuhigungen, wie sie die CSU gefordert hatte.
Zu hoch hängen darf man den Koalitionsvertrag nicht, und das nicht nur, weil vieles unter dem corona-bedingten Vorbehalt der Finanzierung steht. Bei manchen Punkten heißt es etwa, dass man ihre Umsetzung „prüfen“ werde, was erst einmal heißt, dass eine Entscheidung noch offen ist.
Zwischen Schwarz-Grün wird es Meinungsverschiedenheiten geben
Und gänzlich ausgespart wurde das Thema Fahrrad-Bürgerbegehren, das ohne die Corona-Krise vermutlich schon die notwendige Zahl an Unterstützer-Unterschriften beisammen hätte. Ein großer Teil der Forderungen wurde in den Koalitionsvertrag aufgenommen, aber explizit Stellung zum Begehren (das die Grünen im Wahlkampf unterstützten, die CSU nicht) wird nicht genommen. Man wolle zügig mit den Initiatoren des Begehrens ins Gespräch kommen, heißt es von beiden Parteien zum weiteren Vorgehen. Die Frage, wie die Koalitionspartner diese erste Meinungsverschiedenheit lösen, wird wohl zur ersten Kostprobe für das Agieren der nächsten sechs Jahre.
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