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Augsburg: Schule der Zukunft: Wittelsbacher Grundschule setzt auf Kooperation

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Schule der Zukunft: Wittelsbacher Grundschule setzt auf Kooperation

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    Gemeinsam üben (von links) Lena, Marah, Finn und Jonathan am Nachmittag Lesen. Das Tutorenprojekt ist eine der ersten Neuerungen nach dem Umstieg der Wittelsbacher Grundschule auf das Modell "kooperativer Ganztag".
    Gemeinsam üben (von links) Lena, Marah, Finn und Jonathan am Nachmittag Lesen. Das Tutorenprojekt ist eine der ersten Neuerungen nach dem Umstieg der Wittelsbacher Grundschule auf das Modell "kooperativer Ganztag". Foto: Silvio Wyszengrad

    Der Gong, der das Ende des Schultages eingeläutet hat, ist schon lange verhallt. Und doch herrscht an diesem Nachmittag auf den Gängen der Wittelsbacher Grundschule reger Betrieb. Konzentriert brüten einige Buben und Mädchen in den Klassenzimmern über dem Einmaleins oder den ersten Buchstaben, während anderswo schon eine wilde Fußballpartie im Gange ist. In einem Raum im Erdgeschoss basteln die Kinder mit einer Betreuerin Dreieckswürfel für den Sternenmarkt in ein paar Tagen, ein paar Meter weiter spielen zwei Mädchen mit ihren Kuscheltieren. Versteckt hinter einer Tür haben es sich einige Schüler auf Kissen gemütlich gemacht und üben gemeinsam Lesen. Die Zweitklässler lesen den Viertklässlern aus einem speziellen Ordner vor. Erst einzelne Wörter, dann mit Silbentrennung. Das Tutorensystem, bei dem Kinder aus den Klassen 2 und 4 sowie 1 und 3 ein festes Lese-Tandem bilden, es ist eine der ersten Neuerungen, die an der Schule mit dem Kooperativen Ganztag umgesetzt wurden.

    Im September hat die Schule das neue Konzept eingeführt. Auf den ersten Blick hat sich noch nicht viel geändert. Eine Mittagsbetreuung gibt es an der Schule schon seit 26 Jahren, das Personal ist das gleiche geblieben. Der Umbau der Räume ist noch in Planung. Und doch, sagen Schulleiterin Iris Samajdar und die Leiterin der

    Clara und Rosa sind mit Feuereifer dabei und machen Schokoladenäpfel für den Sternenmarkt, der in diesem Jahr von Schule und Mittagsbetreuung gemeinsam gestemmt wird.
    Clara und Rosa sind mit Feuereifer dabei und machen Schokoladenäpfel für den Sternenmarkt, der in diesem Jahr von Schule und Mittagsbetreuung gemeinsam gestemmt wird. Foto: Silvio Wyszengrad

    Lehrer und Betreuer arbeiten jetzt auf Augenhöhe

    In gewissem Sinne könne man die neue Verbindung mit einer Hochzeit vergleichen. Beide Partner sind nun gleichberechtigt, sogar das Hausrecht liegt nicht mehr bei der Schulleiterin allein. Den Sternenmarkt zur Weihnachtszeit hatte in der Vergangenheit etwa immer entweder die Schule oder die Mittagsbetreuung organisiert. In diesem Jahr gab es erstmals gemeinsame Teams mit bestimmten Aufgaben. Insgesamt, betonen Samajdar und Teßarek, sei es ihnen schon immer darum gegangen, die Kinder ins Zentrum zu stellen. "Es geht um das gleiche Kind - von morgens bis abends." Schon bisher gab es an der Schule oft Elterngespräche, an denen auch die Mittagsbetreuung beteiligt war. Das wird mit dem neuen Modell nun noch verstärkt. 

    Bei der Ausstattung der Räumlichkeiten für den Kooperativen Ganztag ist die Schule noch in der Findungsphase. Doch auch hier wird sich einiges ändern. Aus dem Klassenzimmer soll gewissermaßen ein Kinderzimmer werden, erklärt die Schulleiterin. Denn wie in einem Kinderzimmer werde in den Räumen künftig gelernt, aber auch gespielt, geruht und getobt. "Dafür müssen die Räume komplett anders ausgestattet sein. Wir wollen die Kinder nicht bis 17 Uhr ständig ermahnen müssen, weil sie Unterrichtsmaterialien und unterrichtsrelevante Ordnungen im Raum durcheinander bringen." 

    Schul-Räume werden mithilfe der Hochschule neu gedacht

    Gemeinsam mit verschiedenen Fakultäten der Augsburger Hochschule arbeitet die Schule gerade an einem Konzept für die künftige Raumausstattung. Dabei geht es auch darum, die Flure einzubeziehen oder in den hohen Räumen des Altbaus eine zweite Ebene einzuziehen. Innovative Möbel werden konzipiert, bei denen mit einem Handgriff aus einer Schrankwand im Klassenzimmer eine Sofalandschaft mit Spielregal und einer Wand für die Kunstwerke vom Nachmittag wird. Denn dass die Kinder auch nach Unterrichtsschluss Spuren im Haus hinterlassen dürfen, sei ein wichtiger Punkt. "Sie sollen sichtbar sein", findet die Schulleiterin, die der Verbindung von Unterricht und Nachmittagsbetreuung unter einem Dach noch einen weiteren positiven Aspekt abgewinnen kann - den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen. "Wir haben ein Haus und müssen auch nur eines heizen." 

    Bestehendes Personal wurde für das Konzept nachqualifiziert

    90 Prozent der Erstklässler werden aktuell im Rahmen des Kooperativen Ganztags an der Wittelsbacher Grundschule betreut. Gebucht werden kann eine Betreuungszeit bis 17 Uhr. Wenn aber mal ein Kindergeburtstag oder ein Freibadbesuch ansteht, können die Kinder selbstverständlich auch früher abgeholt werden, sagt Dorthe Teßarek. Eine Flexibilität, die im gebundenen Ganztag oder im Hort fehlt. Daneben biete das neue Konzept für die Eltern auch mehr Verlässlichkeit in den Ferien. "Wir haben die Betreuung da ausgeweitet und haben nur noch 20 Schließtage." 

    Eine Ausweitung der Betreuung geht aber immer auch mit einem höheren Personalbedarf einher. Und das ist bekanntlich gerade im pädagogischen Bereich rar gesät. Auch hier, sagt Teßarek, gehe man neue Wege. Anstatt pädagogisches Personal von anderswo abzuwerben und damit dort Löcher zu reißen, setzt die Stadt verstärkt auf die Nachqualifizierung des bestehenden Personals. Langfristig ergäben sich dadurch viele Möglichkeiten. Denkbar wäre zukünftig etwa, die pädagogischen Fachkräfte am Vormittag im Schulhaus für die Betreuung von Vorschülern einzusetzen, die keinen Kitaplatz bekommen haben. Oder aber eine Betriebskita für die Kinder der Lehrkräfte aufzubauen. Damit würden die Stellen, die vorher hauptsächlich Teilzeitstellen waren, attraktiver - auch für Männer, glaubt Teßarek. "Wir haben die Räume, wir hätten das Personal. Man muss es nur tun", findet Iris Samajdar.

    Die Kinder individueller fördern und fordern

    Noch sind das nur Visionen. Doch an der Wittelsbacher Grundschule wollen sie Vorreiter und Vordenker sein. Auch beim Thema Hausaufgaben. Denn von Hausaufgaben könne man bei 90 Prozent Betreuungsquote am Nachmittag ja eigentlich gar nicht mehr sprechen. Hier, glauben die beiden, würden alle Seiten davon profitieren, wenn die Lehrkräfte in der Lernzeit am Nachmittag eingebunden wären. "Mit einer Kombination aus Lehrer und pädagogischer Fachkraft könnte man die Kinder individueller fordern und fördern", sagt Iris Samajdar. Damit alle Kinder die gleichen Chancen haben.

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