Den beiden entscheidenden Abstimmungen ging am Donnerstagnachmittag ein Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition voraus. Ein Schlagabtausch, der relativ heftig ausfiel. Der Stadtrat hat Martin Schenkelberg, 40, zum Sozialreferenten und Jürgen Enninger, 51, zum Kultur- und Sportreferenten gewählt. Schenkelberg erhielt 36 Stimmen – eine Stimme mehr, als CSU und Grüne/Generation Aux zusammen mit Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) gestern im 60-köpfigen Stadtrat hatten (ein CSU-Stadtrat fehlte). Enninger erhielt 35 Stimmen. Die übrigen Stadträte stimmten in der geheimen Wahl also offenbar nicht für die Wunschkandidaten des Regierungsbündnisses. Sie schrieben andere Namen auf den Stimmzettel oder gaben ungültige Stimmen ab.
Dies zeugt von der Unzufriedenheit über die Vorgehensweise, die die Stadtregierung bei der Auswahl der Kandidaten an den Tag gelegt hatte. Schwarz-Grün hatte die Auswahl der Bewerber unter sich ausgemacht. Die Opposition erfuhr nicht, wer sich noch alles für die beiden Ämter beworben hatte. Bis die beiden Referenten in Augsburg loslegen, wird noch einige Zeit vergehen: Schenkelberg und Enninger starten im Herbst.
Martin Schenkelberg ist aktuell Sozialreferent in Ansbach
Schenkelberg, aktuell Sozialreferent in Ansbach und zuvor bei kommunalen Spitzenverbänden als Jurist tätig, sagte in seiner Bewerbungsrede, er wolle Teilhabe- und Chancengerechtigkeit realisieren und auch „Anwalt der Schwachen und Schwächsten in der Stadtregierung“ sein. Wichtig sei ihm die Zusammenarbeit mit Bildungsbürgermeisterin Martina Wild (Grüne), weil Soziales und Bildung eng miteinander zusammenhingen. In Richtung der Opposition sagte CDU-Mitglied Schenkelberg, er stehe für eine parteiübergreifende Zusammenarbeit. Ein Ziel sei es, Strukturen in den Stadtteilen auszubauen. „Ich weiß, wie wichtig es ist, vor Ort bei den Menschen zu sein.“
Auf Nachfrage von Beate Schabert-Zeidler (Fraktion Bürgerliche Mitte) sagte Schenkelberg, er werde unter der Woche und bei Bedarf auch an den Wochenenden in Augsburg sein, aber sonst an Wochenenden bei seiner Frau in Ansbach leben. Roland Wegner (V-Partei) wollte wissen, wieso Schenkelberg nach Augsburg kommen wolle, nachdem er erst im April in Ansbach als Sozialreferent angefangen hatte. Schenkelberg sagte, in Augsburg gebe es als Politiker mehr Gestaltungsmöglichkeiten als in Ansbach, wo er als regulärer Beamter tätig sei. „Ich bin ein politischer Typ.“
Jürgen Enninger ist in München für die Kreativwirtschaft verantwortlich
Jürgen Enninger betonte, Kultur und Sport gleichrangig zu sehen. Beide Bereiche kämen durch ehrenamtliches Engagement zustande und seien zentrale Bausteine für das Leben in einer Stadt. Daran sollten alle teilhaben können. „Es geht nicht darum, in den Club gelassen zu werden, sondern darum, mittanzen zu dürfen.“ Hochkultur und freie Szene sehe er als Ergänzung und nicht als Gegensätze. Zur Stärkung der freien Szene müsse das Gaswerk weiterentwickelt werden. Als Sportreferent wolle er für die Vereine jederzeit ansprechbar sein. Augsburg sei eine „selbstbewusste Sportstadt“. Enninger, gelernter Kulturwirt, ist in München aktuell für das Thema Kreativwirtschaft verantwortlich und war früher bei der Staatsoper und in einem Musikverlag tätig. Er kündigte an, seinen Lebensmittelpunkt von München, wo er mit seinem Mann zusammenlebt, nach Augsburg zu verlegen. Im Sport habe er keine große Expertise, gab Enninger zu. Allerdings könne er von seiner Erfahrung in der Arbeit mit Ehrenamtlichen profitieren.
Vor den Wahlen hatten sich Regierung und Opposition beharkt. Ein großer Teil der Rathausopposition bemängelt, in die Vorauswahl der Kandidaten nicht eingebunden gewesen zu sein. Die Auswahlkommission, die aus den insgesamt mehr als 100 Bewerbungen insgesamt je sechs Kandidaten in die engere Auswahl nahm, bestand aus Vertretern von CSU und Grünen. Der frühere SPD-Sozialreferent Stefan Kiefer sagte, er ziehe seine Bewerbung zurück, um einen ohnehin aussichtslosen „Abstimmungsmarathon“ zu vermeiden. Unter den Bewerbern für das Kultur-/Sportreferat war dem Vernehmen nach ebenfalls ein ehemaliger Referent: Peter Grab (WSA) hatte Interesse bekundet.
Kritik im Stadtrat Augsburg an der Art der Referentenauswahl
Aus der Opposition wurde der Ruf laut, zumindest die Namen der sechs „heißen Kandidaten“ hinter verschlossenen Türen zu erfahren. „Wir haben den Eid geleistet, das Beste für die Stadt zu entscheiden. Aber wie sollen wir entscheiden, wenn wir nichts wissen?“, so Beate Schabert-Zeidler (Fraktion Bürgerliche Mitte). „40 Prozent des Stadtrats haben Sie bei der Auswahl der Kommission ausgeschlossen“, kritisierte Florian Freund, Vorsitzender der Sozialfraktion (SPD/Linke). Die Antrittsrede von Oberbürgermeisterin Weber mit „mehr Miteinander“ im Stadtrat sei wohl noch „Marketingsprech aus dem Wahlkampf“ gewesen. „Diesen Stil hätte ich so von Ihnen nicht erwartet.“ Er mutmaßte, unter Vorgänger Gribl hätte es das so nicht gegeben.
Weber konterte. „Ich verstehe, wenn es eine gewisse Frustration bei Ihnen gibt, aber Sie ziehen eine Mär auf.“ Als Oppositionspolitikerin würde sie womöglich aber auch nicht anders handeln, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Entscheidend sei aber die Wahl im Stadtrat, nicht das Vorauswahl-Verfahren. Insofern gebe es keinen Unterschied zur Wahl der Referenten am 4. Mai, als das Regierungslager ein Personaltableau aufstellte. Die Posten seien nun mal – bei aller Wichtigkeit der fachlichen Qualifikation – politisch geprägt. Die Namen der Bewerber werde sie aus Datenschutzgründen nicht nennen. „Es gab Bewerber, die explizit darum gebeten haben, dass das nicht passiert, weil sie in anderen Städten in verantwortlicher Position stehen.“ Verena von Mutius-Bartholy, Fraktionschefin der Grünen, sagte, die Opposition sei in Aufsichtsräten und bei Ausschuss-Vorsitzenden stark beteiligt worden. Insofern sei die Kritik unangebracht.
Lesen Sie dazu den Kommentar: Stadtrat Augsburg: Eine starke Opposition tut gut
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