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Augsburg: Rush-Hour vor der Ausgangssperre: Kurz vor 21 Uhr in Augsburg

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Rush-Hour vor der Ausgangssperre: Kurz vor 21 Uhr in Augsburg

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    Abends, kurz vor halb zehn, in Augsburg. Nur eine Person ist in der Innenstadt noch unterwegs - sie ist auf dem Heimweg von der Arbeit.
    Abends, kurz vor halb zehn, in Augsburg. Nur eine Person ist in der Innenstadt noch unterwegs - sie ist auf dem Heimweg von der Arbeit. Foto: Peter Fastl

    Die Aral-Tankstelle an der B17 ist nicht erst seit Corona ein beliebter Treffpunkt für junge Augsburger. Doch seit den Ausgangsbeschränkungen hat sich hier so etwas wie ein sozialer Raum entwickelt. Man kann sich auf dem Parkplatz sehen und bei einem Bier oder Energy-Drink kurz ein wenig plaudern. Auch an einem Abend in dieser Woche gegen 20.45 Uhr ist hier wieder Betrieb, zu zweit oder auch in kleinen Grüppchen stehen Menschen zusammen und scheinen den kalten Abend zu genießen. Nichts deutet darauf hin, wie sich nur fünf Minuten später die Szenerie verändern wird.

    Bis kurz vor 21 Uhr herrschte an dieser Tankstelle noch reger Betrieb.
    Bis kurz vor 21 Uhr herrschte an dieser Tankstelle noch reger Betrieb. Foto: Peter Fastl

    Christian und seine Verlobte Clarissa stehen mit ein paar Freunden auf eine Zigarette auf dem Parkplatz der Tankstelle. "Unser Sozialverhalten hat sich durch die Ausgangssperre schon sehr verändert", berichtet er. Früher habe man sich frühestens um 22 Uhr hier draußen getroffen und dann den Abend zusammen verbracht. "Jetzt kommen wir abends hier kurz vorbei, holen Getränke und schauen, ob wir jemanden zufällig treffen. Eine Zigarette, dann geht es wieder nach Hause." Seiner Freundin gehen die Abende mit den Kumpels stark ab. "Die Sperrstunde finde ich willkürlich gewählt", sagt sie. "Ob wir um 21 Uhr oder um 22 Uhr nach Hause gehen, ist dem Virus doch egal!"

    Niemand will mit dem Gesetz in Konflikt kommen

    Doch mit dem Gesetz will hier niemand in Konflikt kommen. Wie auf ein Kommando hört man um 20.50 Uhr Autotüren schlagen, überall auf dem Tankstellengelände blenden Scheinwerfer auf. In einer eiligen Choreographie reihen sich die Autos aneinander und fahren in Richtung B17, und damit in die Stadt, davon. Kein einziges Auto steht mehr auf dem Platz. Ziemlich genau zehn Minuten brauche man von hier bis in die Wohnviertel von Lechhausen, hatten die jungen Leute vorher noch berichtet.

    Im Tankstellengebäude, wo gerade noch Menschen mit Getränken in der Hand an der Kasse standen, ist es mit einem Mal still geworden. "Das bleibt jetzt so, bis sich morgen früh gegen 5 Uhr die ersten Arbeiter ein Frühstück holen", weiß Lisa Ossyra an der Kasse. Die 24-Stunden-Tankstelle liegt, dank der Ausgangssperre, die Nacht über wie ausgestorben da. "Zwischen 19 und 21 Uhr ist richtig viel los, weil sich die Menschen mit Getränken und Snacks für den Abend eindecken", sagt die Verkäuferin. In der Tankstelle gibt es einen Getränkemarkt, weshalb die Preise hier moderat sind. Die einzigen Fahrzeuge, die nach 21 Uhr noch zum Tanken kämen, seien Lkw auf der Durchfahrt. "Wir nutzen die Ruhe, um sauber zu machen und Ware einzuräumen", sagt Lisa Ossyra.

    Genauso leer sieht es eine Stunde später auch in der Innenstadt aus. Am Königsplatz wartet Taxifahrer Raed Warshane auf den letzten Fahrgast für diesen Tag. "Nachts braucht niemand mehr ein Taxi - ich mache um 22 Uhr Schluss", sagt er. Gerade mal 20 bis 30 Taxen würden im gesamten Stadtgebiet dann noch späte Gäste transportieren - und dabei mehrere Stunden zwischen den einzelnen Fahrten im Auto warten.

     Taxifahrer Raed Warshane macht mit seinem Taxi nach 21 Uhr kaum noch Umsatz.
    Taxifahrer Raed Warshane macht mit seinem Taxi nach 21 Uhr kaum noch Umsatz. Foto: Peter Fastl

    Kurz darauf öffnet er die Türe seines Taxis für Andrea Mehler, die sich erschöpft in die Sessel sinken lässt. Die Altenpflegerin kommt aus Lechhausen von der Arbeit und will nur noch nach Hause. "Die Ausgangssperre ist mir ziemlich egal", sagt sie. Von ihrem Arbeitgeber hat sie eine Bescheinigung, dass sie so spät noch unterwegs sein darf. "Ich bin froh, dass ich noch ein Taxi bekommen habe, das ist erheblich angenehmer, als mit den Öffentlichen zu fahren", findet die Frau.

    Richtig blöd findet Davut die Ausgangssperre. Der junge Mann wartet gegen 22 Uhr am Königsplatz auf eine Straßenbahn. Er kommt von einem Freund - eine Erlaubnis für seinen späten Weg hat er natürlich nicht. Dafür einige "Rezepte", mit denen er glaubt, um eine Strafe herumzukommen. Immerhin kostet es 500 Euro, wenn ihn die Polizei ohne triftigen Grund zu dieser Stunde antrifft. "Die Polizisten rennen nicht gerne - ich konnte schon zweimal einer Kontrolle davonlaufen", behauptet er. Für den Notfall hat er sich noch ein paar "triftige Gründe" zurechtgelegt, die er erzählen will.

    Um 22 Uhr ist die Augsburger Innenstadt auch an diesem Abend wieder wie leer gefegt. Ein Polizeiauto fährt im Schritttempo über den Königsplatz in Richtung Hauptbahnhof. Eine einzelne Frau, die schnellen Schrittes über den Platz läuft, ignorieren die Beamten. Die Ausgangssperre wirkt - die Menschen bleiben ihn ihren eigenen vier Wänden.

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