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Augsburg: Retter, Helfer – Opfer: Klinik-Personal erlebt mehr Gewalt und Aggression

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Retter, Helfer – Opfer: Klinik-Personal erlebt mehr Gewalt und Aggression

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    In Augsburger Krankenhäusern kommt es regelmäßig zu Über- und Angriffen, bis hin zu Körperverletzungen. Die Kliniken reagieren auf zunehmende Gewalt und Aggression.
    In Augsburger Krankenhäusern kommt es regelmäßig zu Über- und Angriffen, bis hin zu Körperverletzungen. Die Kliniken reagieren auf zunehmende Gewalt und Aggression. Foto: Marcus Merk (Archivbild)

    Ein älterer Mann kommt in die Notaufnahme des Uniklinikums Augsburg (UKA), sein Bein ist gebrochen. Er ist aufgewühlt und verwirrt, weiß nicht, warum er dort ist. Aufstehen soll er wegen seiner Verletzung auf keinen Fall, will genau das aber tun. Also versucht das Personal, ihn zu beruhigen, ihm klarzumachen, warum er liegen bleiben muss. Der Mann reagiert – mit Tritten. "So etwas passiert hier quasi jeden Tag", sagt eine UKA-Mitarbeiterin, fast routiniert. Fälle wie der geschilderte seien "vergleichsweise eher harmlos". Es gebe auch solche, die für das Personal traumatisch seien. "Und die machen einen total fertig."

    Krankenhäuser sind Orte der Heilung, teilweise aber auch der Gewalt und Aggression. Überdeutlich machte dies vor Kurzem ein Fall in Berlin, wo Angehörige eines Patienten zwei Klinik-Mitarbeiter niederschlugen, dokumentiert von einer Kamera. In Augsburg registriert die Polizei jedes Jahr zwischen 110 und 140 Straftaten in Kliniken, die Zahl schwankte in den vergangenen fünf Jahren leicht. Den größten – und leicht steigenden – Anteil machten dabei "Aggressionsdelikte" aus: In bis zu 20 Prozent dieser Fälle geht es um Körperverletzung, aber auch Beleidigung (bis zu 15 Prozent), Bedrohung (bis zu neun Prozent), Widerstand gegen Auch gegenüber Polizei und Rettungsdienst sei eine Zunahme der Aggressionsdelikte festzustellen, teilt ein Polizeisprecher mit.

    Patienten in Kliniken verhalten sich häufiger aggressiv und gewalttätig

    Besonders im Fokus stehen dabei Notaufnahmen. Einer Studie der Uniklinik Hamburg-Eppendorf zufolge erlebten innerhalb eines Jahres 97 Prozent der befragten Notaufnahmen-Mitarbeiter verbale Gewalt durch Patienten, 87 Prozent auch körperliche. Auch in der Notaufnahme des UKA gehören "insbesondere verbale Gewalt – etwa Beleidigungen oder Beschimpfungen – sowie Anspucken und Treten quasi zur Tagesordnung", wie das Krankenhaus mitteilt. Vor einigen Jahren sei ein Mitarbeiter regelrecht zusammengeschlagen worden – ähnlich wie nun in Berlin. Woher kommt diese Gewalt?

    "Die Menschen hier sind in einer Ausnahmesituation", sagt die UKA-Mitarbeiterin. Dass es da zu Eskalationen komme, sei "nie ganz zu vermeiden. Und gerade bei Älteren oder schwer Verletzten und Erkrankten hat man vielleicht sogar Verständnis. Die Hemmschwelle ist aber insgesamt gesunken." Man erlebe Beleidigungen, Drohgebärde, Bisse, Anspucken, Tritte, Randale in den Kabinen, und, und, und. "Oft werden wir mit der Institution Krankenhaus gleichgesetzt – wenn die Wartezeiten zum Beispiel länger sind, können wir natürlich nichts dafür. Der Frust wird aber an uns ausgelassen." Regelmäßig spielten auch Alkohol- oder Drogeneinfluss eine Rolle, gerade bei Jüngeren. Die Polizei berichtet, dass es auch bei Blutabnahmen nach Straftaten – oft Alkohol im Verkehr – häufiger zu Übergriffen komme. 

    Um das Personal zu schützen, setzt die Uniklinik auf einen eigenen 24-Stunden-Sicherheitsdienst. Dieser, bestätigt die Mitarbeiterin, sei für das gesamte Team "ein großer Sicherheitsfaktor". Alle erhalten zudem Deeskalationstrainings, nach Vorfällen steht ein Netzwerk aus geschulten Kollegen parat. 

    Augsburger Krankenhäuser erstellen Sicherheitskonzepte für Mitarbeiter

    Auch in anderen, kleineren Krankenhäusern ist das Thema Gewalt in den Fokus gerückt. Beispiel Hessing-Kliniken: Man stelle fest, "dass die Stimmung unter Patienten und Besuchern zum Teil aggressiver geworden ist", sagt Klinikleiter Matthias Gruber. Insbesondere an der Information sowie an der durchgehend geöffneten Notaufnahme habe man das Personal entsprechend verstärkt, sodass mindestens immer zwei Mitarbeiter anwesend seien. Der Einsatz eines Sicherheitsdiensts sei aktuell aber nicht geplant, tätliche Übergriffe auf Personal habe es noch nicht gegeben.

    Das ist am Bezirkskrankenhaus (BKH) Augsburg anders. "Wir erleben, dass Gewalt zunimmt", sagt Alkomiet Hasan, Ärztlicher Direktor am BKH und Lehrstuhlinhaber an der Uni Augsburg. Die Bandbreite sei enorm. "Meistens geht es um Beleidigungen. Hier ist aber auch schon einmal ein Patient mit einer abgebrochenen Flasche auf Personal losgegangen." Solche Fälle seien die "absolute Ausnahme", betont Hasan. "Gegen die wenigen Fälle, die es gibt, gehen wir aber rigoros vor." Habe ein Patient zumindest teilweise Kontrolle über sein Handeln, würden Übergriffe konsequent mit Anzeigen geahndet. "Die Psychiatrie ist kein rechtsfreier Raum."

    Polizei ist regelmäßig im Einsatz, Alkohol häufig im Spiel

    Warum nimmt die Gewalt zu? Grundsätzlich könne Personalmangel ein Grund sein, sagt Hasan, dies spiele am BKH aber nicht die große Rolle. Negativ bemerkbar machten sich andere Faktoren. Erstens: Im Vergleich zu früher dürfe man manche Patienten in Akutsituationen erst später behandeln. Dadurch würden Verläufe schwerer, das Risiko steige. Zweitens: Die Gesellschaft werde älter, im Bereich Demenz gebe es "viel akutere Fälle" – mit entsprechenden Auswirkungen. Drittens: Auf dem Drogenmarkt nehme die Vielfalt der Substanzen zu, häufig münde deren Konsum in massivem Kontrollverlust. Auch das BKH bietet dem Personal vielfältig Unterstützung an – präventiv, aber auch nach Vorfällen.

    Das Josefinum zählt pro Jahr etwa 40 Vorfälle, wie Thorsten Wagner, stellvertretender Pflegedirektor, mitteilt. Der Schwerpunkt liege dabei in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie -psychotherapie, weniger in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin oder der Frauenklinik. Dies liege sowohl an den unterschiedlichen Krankheitsbildern als auch am entsprechenden "Behandlungssetting". Eine "klassische Anspannungssituation", sagt Wagner, sei das Gefühl einer zu langen Wartezeit. Insgesamt komme es aber nur "sehr selten zu Situationen, die Unterstützung durch die Polizei oder einen Sicherheitsdienst erfordern". Das Personal sei gut geschult.

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