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Augsburg: Prozess um riesigen Schuh-Diebstahl bei Online-Händler stockt

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Prozess um riesigen Schuh-Diebstahl bei Online-Händler stockt

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    Aus einem Lager des Unternehmens Zalando klauten Diebe palettenweise Waren. Doch die juristische Aufarbeitung des Falls stockt.
    Aus einem Lager des Unternehmens Zalando klauten Diebe palettenweise Waren. Doch die juristische Aufarbeitung des Falls stockt. Foto: Martin Schutt, dpa

    "Neue Schuhe drücken am meisten" – dieses alte Sprichwort passt wie angegossen auf ein Verfahren, das in Augsburg verhandelt wird: Es geht um den dreisten Diebstahl nagelneuer Nike-Sportschuhe im Wert von vielleicht 300.000 Euro – vielleicht auch nur 80.000 Euro, vielleicht auch mehr.

    So ganz genau kann es der Online-Handelsriese Zalando aus Berlin nicht beziffern, dem ab Herbst 2013 palettenweise Waren geklaut wurden, die auf Umwegen auch in Augsburg landeten und billig verscherbelt wurden. Und weil diverse Zahlen herumschwirren, die Kripo in Berlin angeblich nicht ordentlich ermittelt hat und das Gericht die von der Staatsanwaltschaft gezimmerte Anklage als "mit Mängeln behaftet" ansieht, scheint sich der Fall zu einer unendlichen Geschichte zu entwickeln. Mit nicht vorhersehbarem Ausgang.

    Ein Teil der Beute wurde nach Augsburg verschickt

    Wie so oft im Leben, so hat auch in diesem filmreifen Ganoven-Coup "Kommissar Zufall" eine Hauptrolle gespielt. Zwei Polizisten, die in einer Nacht im September 2014 bei einem Lokal in Berlin standen, rieben sich verwundert die Augen: Die Gäste, die nach kurzem Aufenthalt wieder aus der Kneipe herauskamen, hatten ein ganz anderes Outfit als zuvor. Sie trugen plötzlich nagelneue Sportschuhe in poppigen Farben, teils auch modische, teure Jacken. Der Gedanke an ein Hehlernest lag nahe.

    Daraufhin hörte die Kripo das Telefon des Wirtes ab. Und der Anfangsverdacht bestätigte sich bald. In dem Lokal wurde "heiße Ware" verscherbelt, die aus dem Berliner Zentrallager des Internetversandhändlers Zalando (Jahresumsatz fast vier Milliarden Euro) stammte.

    Drahtzieher der florierenden Geschäfte mit "heißer Ware" war ein Security-Mann, 33, der das Zalando-Lager nachts bewachen sollte. Er schleuste einen ziemlich klein gewachsenen Kumpel, 37, über ein Fenster in die Räume ein. Nike-Sportschuhe und Boss-Jacken wurden dann lastwagenweise beiseite geschafft und nicht nur in Berlin verhökert. Der Hauptabnehmer, 34, soll dann einen Teil der Beute an seinen in Augsburg lebenden Cousin, 27, versandt haben – in 40 Postpaketen, die in zwei Kneipen in Oberhausen und Lechhausen aufschlugen. Dort warteten schon zahlreiche Abnehmer auf die hochmodische Ware zu recht günstigen Preisen.

    Die juristische Aufarbeitung des Falls stockt

    Schon in einem ersten Prozess im Juni 2016 hatte es zwischen Amtsgericht und Staatsanwaltschaft ziemlich geknirscht. Vorsitzende Richterin Rita Greser, für eine deutliche Sprache bekannt, hatte heftige Kritik an der Anklagebehörde geübt: Die Anklageschrift beruhe auf Schätzungen, falschen Zahlen. Sie sei keine Grundlage für den Prozess. Die beiden angeklagten Berliner Haupttäter wurden deshalb nur in einem einzigen Anklagepunkt schuldig gesprochen und zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der Prozess gegen die übrigen Angeklagten wurde ausgesetzt, die Staatsanwaltschaft zu Nachermittlungen aufgefordert.

    Die Neuauflage: Jetzt saßen die beiden Cousins aus Berlin und Augsburg (Verteidiger: Werner Ruisinger und Michael Weiss) auf der Anklagebank. Beiden wurde Hehlerei vorgeworfen. Doch auch im zweiten Anlauf hakte es: Einer der bereits rechtskräftig verurteilten Haupttäter aus Berlin sollte als wichtiger Zeuge aussagen. Doch er ließ die Prozessbeteiligten im Regen stehen. Er müsse auf sein Kind aufpassen, könne nicht kommen, hatte er mitgeteilt.

    Die Folge: ein Ordnungsgeld von 500 Euro plus Kosten für das nun erneut geplatzte Verfahren. Außerdem monierte Richterin Greser, dass der Online-Händler Zalando nicht in der Lage war, genaue Schadenszahlen anzugeben. Angeblich sei die Ware, die gestohlen worden war, teils noch nicht in das System eingespeist gewesen. Die Kripo hatte den Wert der nach Augsburg geschickten Pakete einfach hochgerechnet. Ein Sportschuh (Verkaufspreis 80 Euro) wurde gewogen und das Gesamtgewicht der 40 Pakete dann in den Verkaufswert aller Schuhe um- und hochgerechnet – eine Methode, die das Gericht für zu vage hält. Die beiden Verteidiger regten an, das Verfahren gegen ihre Mandanten einzustellen. Das Gericht setzte den Prozess erneut aus – Fortsetzung irgendwann im nächsten Jahr.

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