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Augsburg: Prozess gegen Augsburger Drogendealer: Zeugen geben Einblicke ins Milieu

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Prozess gegen Augsburger Drogendealer: Zeugen geben Einblicke ins Milieu

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    Er wollte Augsburgs größter Drogendealer werden – und hätte es beinahe geschafft: Richard S. (Name geändert, vorne) steht wegen Drogendelikten vor Gericht. Links im Bild ist sein Verteidiger, der Rechtsanwalt Mathias Grasel, zu sehen.
    Er wollte Augsburgs größter Drogendealer werden – und hätte es beinahe geschafft: Richard S. (Name geändert, vorne) steht wegen Drogendelikten vor Gericht. Links im Bild ist sein Verteidiger, der Rechtsanwalt Mathias Grasel, zu sehen. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Einmal fuhren sie zusammen nach Holland. Richard S.(Name geändert), 40, nun angeklagt wegen diverser Drogendelikte, und ein heute 24 Jahre alter Mann, der an diesem Tag im Landgericht als Zeuge geladen ist. Der Zeuge erinnert sich kaum noch an Details des gemeinsamen Trips mit dem Auto, er war damals schwer drogenabhängig, wie er berichtet. Wo ging es genau hin und wann, wer fuhr überhaupt das Auto, wie kam man zurück nach Deutschland? Bleibt alles unbeantwortet. An seine Funktion während der Reise erinnert sich der Zeuge hingegen noch ganz gut: Er fungierte als Heroin-Tester für den Angeklagten.

    Der Angeklagte wollte Augsburgs größter Drogendealer werden

    Richard S. war damals, 2018, in der Augsburger Drogenszene unter einem anderen Namen bekannt, er nannte sich Marvin. Offenbar ging im Milieu aber zu der Zeit auch bereits sein echter Name umher, der junge Zeuge berichtet jedenfalls, ihn gekannt zu haben. Richard S. war damals eine große Nummer in der Drogenszene der Stadt. Laut Anklage wollte er einer der „größten Drogendealer im Augsburger Raum“ werden, und das dürfte für eine gewisse Zeit auch geklappt haben.

    Es geht in seinem Fall jedenfalls um schwindelerregende Mengen an Drogen; mal ein Kilogramm Heroin hier, mal tausende Ecstasy-Tabletten dort. Richard S. kaufte sich ein kleines Geschäft im Schwabencenter zur Fassade, das er als heimliches Lager nutzte; dazu hatte er einen Lagerraum im Textilviertel angemietet. Er zog den Ermittlungen zufolge unter seinen Kunden ein Verkaufssystem auf – mit vergünstigten Preisen bei hoher Zuverlässigkeit. Eine Art Liga für andere Dealer, bei der man den „Bronze-“ oder „Silberstatus“ erlangen konnte. Irgendwann stieß die Polizei auf ihn.

    Seit Oktober 2018 sitzt Richard S. bereits in Untersuchungshaft, der Prozess gegen ihn vor der 14. Strafkammer des Landgerichtes läuft bereits seit Wochen. Die Verhandlung liefert auch Einblicke in die Augsburger Drogenszene, in die Welt kleinerer Dealer etwa, die oft selbst abhängig sind. Einige von ihnen sagen an diesem Prozesstag aus, sie werden fast allesamt aus der Haft oder dem sogenannten Maßregelvollzug vorgeführt – also in dem Fall Bezirkskrankenhäusern, in denen suchtkranke Straftäter untergebracht und therapiert werden.

    Im Schwabencenter sollen die Drogen verkauft worden sein

    Da ist ein junger Mann, der 2018 nach eigener Auskunft ein paar Mal Drogen von Richard S. kaufte und zuletzt 5000 Ecstasy-Tabletten von ihm erwerben wollte. Ein Deal, zu dem es laut Anklage nicht mehr kam, weil Richard S. schließlich verhaftet wurde. Der Zeuge ist verurteilt wegen diverser Drogendelikten und weiß zu berichten, dass er die Qualität der Drogen des Angeklagten für nicht allzu berauschend gehalten und ohnehin keine Freundschaft zu ihm bestanden habe.

    Da ist ein anderer Mann, der aus einem Bezirkskrankenhaus vorgeführt wird, ebenfalls längst verurteilt. Er hatte im Sommer 2018 in Augsburg mit Kokain gedealt und erzählt, er habe einmal im Geschäft im Schwabencenter Stoff vom Angeklagten gekauft. Ein dritter Zeuge wird aus einem weiterem BKH nach Augsburg gebracht und ist sehr wütend auf den Angeklagten, der im Prozess viele Notizen macht, etwas in sein Laptop tippt, eigene Fragen an die Zeugen und Anträge stellt.

    Ein Mann sagt als Zeuge aus, der im Geschäft im Schwabencenter offenbar Mitarbeiter war. Auch er, man ahnt es, rechtskräftig wegen Drogendelikten verurteilt und aus einem BKH in den Gerichtssaal kommend. Der Angeklagte, so berichtet er, habe seines Wissens nie selber Drogen konsumiert und als Einziger den Schlüssel zum Lagerraum im Textilviertel gehabt.

    Prozess gegen Dealer: Waren seine Drogen auch am Oberhauser Bahnhof im Umlauf?

    Den Ermittlern war mit der Verhaftung von Richard S. ein größerer Schlag gegen die Drogenkriminalität in Augsburg gelungen; sie hatten einen regelrechten Drogenring gesprengt, dessen Mitglieder teils auch die Drogenszene am Oberhauser Bahnhof mit Stoff versorgt haben sollen. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Augsburg gab es aufgrund von Erkenntnissen aus dem Verfahren insgesamt 27 weitere Verfahren gegen mutmaßliche Abnehmer. In 14 Fällen davon mussten die Angeklagten später ins Gefängnis, einer von ihnen erhielt eine Haftstrafe von neun Jahren. Der Mann sagt an diesem Tag ebenfalls vor Gericht aus, berichtet von Drogen-Bestellungen im Darknet und gemeinsamen Fahrten nach Holland.

    Die vielen Verurteilungen kamen auch deswegen zustande, da Richard S. auspackte, nachdem die Kripo ihn festgenommen hatte.

    Im Prozess wirkt er intelligent und unauffällig. Er wäre ein unscheinbarer Drogenbaron, sollte er verurteilt werden, wonach alles aussieht. Ihm droht eine längere Haftstrafe. Der Prozess wird fortgesetzt.

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