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Augsburg: Proteste im Iran: Augsburgerin bangt um ihre Nichten und Neffen in Teheran

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Proteste im Iran: Augsburgerin bangt um ihre Nichten und Neffen in Teheran

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    Die Augsburgerin Nasrin Khalili informiert sich via Handy über die Proteste im Iran.
    Die Augsburgerin Nasrin Khalili informiert sich via Handy über die Proteste im Iran. Foto: Silvio Wyszengrad

    Für die Friseurmeisterin Nasrin Khalili ist ihr Smartphone neben Kamm und Schere derzeit das wichtigste Utensil. Wann immer es die Zeit erlaubt, liest sie darauf Nachrichten aus ihrer Heimat. Seit dem Tod von Masha Amini, die Mitte September wegen unangemessener Kleidung in Teheran festgenommen wurde und in Haft starb, reißen die Schreckensmeldungen aus dem Iran nicht ab. Die Proteste gegen das Regime bewegen die 54-jährige Khalili, die in Lechhausen einen Friseursalon betreibt, sehr. Sie ist in großer Sorge um ihre Familie in der iranischen Hauptstadt. "Mir geht es gar nicht gut, weil ich nicht weiß, ob meine Nichten und Neffen auch demonstrieren und in Gefahr sind."

    Zumindest mit ihrer Mutter telefoniert sie nach wie vor regelmäßig. Doch seit einigen Wochen würden sie nur noch Belanglosigkeiten austauschen. "Wir reden nicht über die Situation im Iran, weil wir nicht wissen, ob das Gespräch abgehört wird." Nasrin Khalili traut dem Machtapparat in ihrer alten Heimat alles zu. Gleichzeitig hat sie Hochachtung vor den Menschen, die dagegen aufbegehren. Sie bewundere sie für ihren Mut. "Die jungen Leute wissen, dass sie gefoltert, eingesperrt oder sogar erschossen werden." Fast niemand mehr stehe hinter dem Regime, ist die Exil-Iranerin überzeugt.

    Nasrin Khalili stammt aus einer liberalen Familie

    Khalili wandert mit ihrer siebenjährigen Tochter und ihrem Mann 1995 nach Deutschland aus. Sie, die als Kind die Zeit von Schah Reza Pahlavi und seinen Modernisierungsprozess sowie als junges Mädchen ab 1979 den Wandel zur Islamischen Republik miterlebt hat, trägt sich damals schon länger mit dem Gedanken, wegzugehen. Das konservative Regime, die Unterdrückung der Frauen hätten ihr, die aus einer liberalen muslimischen Familie stammt, schwer zu schaffen gemacht. "Ich habe mich in der Öffentlichkeit angepasst und ein dunkles Kopftuch sowie einen langen Mantel getragen, aber zugleich immer davon geträumt, ins westliche Ausland zu gehen."

    Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini kommt es in Iran zu Protesten.
    Nach dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini kommt es in Iran zu Protesten. Foto: AP/dpa

    Auch wenn sie Mitte der 1990 Jahre noch kein Wort Deutsch spricht, ist ihr schnell klar: "Ich will nicht mehr zurück, will nichts mehr herunterschlucken." Rasch lernt sie in Augsburg die fremde Sprache, zeitweise hat sie ihren neugeborenen Sohn im Kurs dabei. Mit demselben Elan geht die im Iran ausgebildete Friseurin die Arbeitssuche an, macht die Gesellenprüfung, besucht die Meiserschule – und schafft sie auf Anhieb. Seit 18 Jahren führt sie einen Salon in Lechhausen. Nasrin Khalilis Kundschaft ist ebenso bunt gemischt wie ihr Freundeskreis, sie spricht fließend Persisch, Deutsch, Türkisch und etwas Englisch. Seit sie 2003 die deutsche Staatsbürgerschaft erworben hat, besucht sie regelmäßig ihre Familie im Iran und passt sich dabei in der Öffentlichkeit dem Kleiderkodex an. Mit ihren Schwestern trifft sie sich auf ein paar Urlaubstage in der Türkei.

    Der Flug nach Teheran ist storniert

    Eigentlich könnte die Geschäftsfrau rundum glücklich sein, würde sie nicht permanent um ihre Angehörigen und Landsleute im Iran bangen. Ihren für die Herbstferien geplanten Flug nach Teheran hat sie schweren Herzens wegen der Unruhen storniert. Schon in früheren Jahren sei es ihr beim Anblick der Sittenpolizei in der Stadt mulmig geworden, aber das sei nicht mit der aktuellen Situation zu vergleichen, sagt sie. Und so wird sie die Geschehnisse in ihrer alten Heimat weiterhin nur via Handy und Fernsehen verfolgen. Der Tod Masha Aminis sei für das seit vielen Jahren unterdrückte Volk der Auslöser gewesen, gegen das Regime zu protestieren. "Es geht nicht nur um Hijab und Kopftuch, es geht um die Freiheit", sagt Nasrin Khalili. Die wünscht sie den Menschen in ihrem Herkunftsland von ganzem Herzen. "Es ist ein wunderschönes Land, in dem es viele Möglichkeiten gäbe. Es wäre schön, wenn die Menschen dort bald so in Freiheit leben könnten wie meine Kinder hier in Deutschland", versucht sich die Friseurmeisterin in Optimismus. Momentan freilich überwiegen die Sorgen.

    Masha Amini rührt die Augsburgerin zu Tränen

    Die Demonstrationen und Proteste verfolgten sie sogar nachts in ihren Träumen, gibt die 54-Jährige zu. Sie holt ihr Handy hervor und betrachtet ein Bild von Masha Amini. Ihre Augen werden feucht. "Ich kann das immer noch nicht glauben, alles wegen ein paar Haaren." Khalili hat sich nach dem Tod der jungen Frau der internationalen Solidaritätsbekundungen angeschlossen und ihre bis zur Mitte des Rückens reichenden Haare auf Schulterlänge abgeschnitten. Mehr kann sie nicht tun.

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