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Augsburg: Polizeieinsatz wegen "Containern": Kritik am Augsburger Klimacamp

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Polizeieinsatz wegen "Containern": Kritik am Augsburger Klimacamp

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    Aktivisten des Augsburger Klimacamps hatten weggeworfene Lebensmittel aus Mülltonnen von Supermärkten gesammelt und wollten diese verschenken. Das sorgte für einen Polizeieinsatz.
    Aktivisten des Augsburger Klimacamps hatten weggeworfene Lebensmittel aus Mülltonnen von Supermärkten gesammelt und wollten diese verschenken. Das sorgte für einen Polizeieinsatz. Foto: Silvio Wyszengrad

    In dem Korb, den die Polizisten konfisziert haben, liegen Semmeln, Äpfel, Bananen, Brot und Joghurts. Es soll sich um Diebesgut handeln. Die Beamten tragen die Lebensmittel zu einem der vier Streifenwagen, die am Moritzplatz geparkt haben. Ein Polizeieinsatz am dortigen Klimacamp hat am Dienstagnachmittag für Aufsehen gesorgt. Das Lager der Protestierenden kommt nicht aus den Schlagzeilen. Augsburgs CSU-Chef Volker Ullrich fordert die

    Die Klimacamper um Ingo Blechschmidt sind nicht verwundert, als am Dienstagnachmittag ein Polizeiauto nach dem anderen am Moritzplatz anrückt. Sie haben damit gerechnet. Schließlich hatten sie eine Aktion, die strafrechtlich relevant ist, selbst öffentlich angekündigt: Die Aktivisten hatten verwertbare Lebensmittel aus Mülltonnen von Augsburger Supermärkten gesammelt, um sie an ihrem Camp auf dem Moritzplatz an Bedürftige zu verschenken. Bedürftige kamen zwar nicht, dafür ein Aufgebot an Polizei und Medienleuten. "Sobald wir Kenntnis von einer Straftat haben, sind wir verpflichtet, diese zu verfolgen", erklärt Andreas Strobel von der

    Gute Lebensmittel aus Mülltonnen am Klimacamp angeboten

    In Deutschland gilt das Containern – so wird das Sammeln von Lebensmitteln aus Müllbehältern bezeichnet – in der Regel als strafbar. Denn derartige Aktionen gehen meist mit Diebstahl und Hausfriedensbruch einher. Im Fokus der Ermittlungen steht nun eine 49 Jahre alte Frau. Sie bietet am Dienstag am Klimacamp die Lebensmittel an. Laut Polizei erwartet sie nun eine Anzeige wegen Diebstahls und Hehlerei. Die Frau selbst will das nicht kommentieren.

    Ein Polizist trägt den konfiszierten Korb mit Lebensmitteln weg.
    Ein Polizist trägt den konfiszierten Korb mit Lebensmitteln weg. Foto: Silvio Wyszengrad

    Über das Camp, das seit 1. Juli 2020 in der Innenstadt besteht, wurde von Anfang an kontrovers diskutiert. Zunächst stand die juristische Auseinandersetzung im Blickpunkt. Die Stadt Augsburg, die das Camp nicht dauerhaft dulden wollte, zog zweimal vor Gericht den Kürzeren. Im Urteil ging es jedoch lediglich um einen Zeitraum von zehn Tagen im Juli 2020. Eine Grundsatzentscheidung, ob das Camp rechtmäßig sei oder nicht, fällte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof nicht. Die Stadt verzichtete nach dem Urteil in zweiter Instanz auf weitere rechtliche Schritte. Sie akzeptiert das Urteil.

    Unmut in der Politik über Augsburger Klimacamp

    Der Unmut über das Camp ist geblieben. Vor allem in der CSU formiert sich Widerstand gegen die Klimacamper. Dies sorgt für Streit in der Koalition mit den Grünen. Oberbürgermeisterin Eva Weber und Augsburgs CSU-Chef Volker Ullrich wollen das Camp in seiner jetzigen Form nun nicht weiter tolerieren. Ullrich kritisiert auch die Aktion am Dienstag: "Ungeachtet der sicherlich zu führenden Debatte um Lebensmittelverschwendung sind mögliche Verstöße gegen geltende strafrechtliche Vorschriften oder deren Billigung in unserem Rechtsstaat keine akzeptable Form des Protests."

    Die Klimacamper sehen es anders. Aktivist Ingo Blechschmidt räumt am Dienstag zwar ein, dass die Polizei so handeln müsse. Was er und seine Mitstreiter kritisierten, sei hingegen die Gesetzgebung. Ein Gesetz, das es verbiete, noch gutes Essen aus dem Müll zu holen und an Bedürftige zu verteilen, könne kein "gutes Gesetz" sein, sagt Blechschmidt. Er glaubt, dass sich Augsburgerinnen und Augsburger bei einer Umfrage mehrheitlich dafür aussprechen würden, dass es in Ordnung ist, Nahrungsmittel, die bei Lebensmittelmärkten weggeworfen werden, an Not leidende Menschen zu verteilen. Schließlich würden die Waren, die aus dem Container geholt wurden, nicht gewinnorientiert verkauft.

    "Wir wollen durch diese Aktion die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen und eine Debatte in Gang bringen", betont Blechschmidt. Das Thema "Containern" sei für die Aktivisten wichtig in vielerlei Hinsicht. Es habe etwa einen humanitären Aspekt, Bedürftigen, die Hunger leiden müssten, zu helfen. "Uns vom Klimacamp geht es von jeher um die Klimagerechtigkeit. Für die Lebensmittel, die am Ende in den Müll geworfen werden, wurden CO₂-Emissionen verursacht." Wenn es in Deutschland wie in Frankreich ein Gesetz gegen unternehmerische

    Wie Bundestagsabgeordneter Volker Ullrich die Klimacamper sieht

    Eine gezielte Aktion, wie das "Containern" sei viel mehr als "ziviler Ungehorsam" zu bewerten, einer Form der bürgerlichen Partizipation am politischen Prozess der Willensbildung und Entscheidung. Ihre Protestkultur werde so "bürgerlich, wie möglich", gestaltet, betont Blechschmidt. "Früher fanden die Demonstrationen von Fridays for Future während der Schulzeit statt. Jetzt sind sie am Freitagnachmittag."

    Den CSU-Politiker und Bundestagsabgeordneten Ullrich kann dies nicht überzeugen. Er fordert, dass die Aktivistinnen und Aktivisten sich vielmehr der politischen Debatte stellen müssten. Denn es gehe eben nicht mehr allein um Themen der Klimagerechtigkeit. Ullrich rückt die Klimacamper in die Nähe von Personen, die sich nicht von linksextremistischen Einrichtungen und Organisationen distanzieren. Das

    Die 17-jährige Maria hat am Dienstagnachmittag am Klimacamp noch einen Apfel aus dem Korb gerettet, bevor die Polizei diesen wegträgt. Sie beißt kräftig hinein. "In meinen Augen ist der nicht gestohlen. Er gehörte doch niemandem mehr. Ich finde es sinnlos, etwas wegzuwerfen, was noch gut ist."

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