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Pflegemangel in Augsburg: Pflegekräfte aus dem Ausland helfen aus

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Pflegemangel: Augsburger Einrichtungen strecken ihren Arm ins Ausland

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    Marwen Trabelsi ist 25 Jahre alt, stammt aus Tunesien – und kam 2022 als Pflegekraft nach Augsburg. Dort kümmert er sich um Menschen wie Ursula Weidinger.
    Marwen Trabelsi ist 25 Jahre alt, stammt aus Tunesien – und kam 2022 als Pflegekraft nach Augsburg. Dort kümmert er sich um Menschen wie Ursula Weidinger. Foto: Silvio Wyszengrad

    Als er endlich am Ziel war, an dem Ort, für den er so viele Strapazen auf sich genommen hatte, kam Marwen Trabelsi schnell ein Gedanke: "Bin ich dumm?" Heute lacht der 25-Jährige darüber, aber damals, im Mai 2022, stand er vor einer enormen Herausforderung: Schwäbisch. "Bissele, Dankschee, kannsch, fei" zählt er die dialektalen Hindernisse auf, mit denen er in seiner Augsburger Anfangszeit konfrontiert war. Inzwischen ist auch das kein Problem mehr. Trabelsi hat sich eingefunden in seinem neuen Leben, in dem er das tun kann, was er immer tat und immer tun wollte: Sich um Menschen kümmern. Mehr als 1300 Kilometer von seiner Heimat Tunesien entfernt.

    Bis Dialekt überhaupt zu einem Problem werden kann, warten auf Pflegekräfte, die nach Deutschland kommen möchten, hohe Hürden. Marwen Trabelsi arbeitete nach Abitur und Gesundheitswissenschaftsstudium in Tunesien als Altenpfleger, als ihn eine Agentur kontaktierte: Deutschland brauche Fachkräfte, er sei Fachkraft in der Pflege. Es folgte ein bürokratischer Marathon: Trabelsi musste etliche Dokumente zu Qualifikationen und Abschlüssen zur "Gleichwertigkeitsprüfung" einreichen, das Sprachniveau B1 erreichen und nachweisen, Dutzende Gespräche mit verschiedenen Agenturen und Anlaufstellen in Deutschland und Tunesien führen, auf die Abstimmung der Behörden vertrauen. Viel warten, viel vertrösten, fast drei Jahre lang. Dann kam der "Defizitbescheid" – ein Dokument mit biederem Namen, aber erfreulicher Bedeutung: Zwar wurde Trabelsis Abschluss nicht als gleichwertig anerkannt, aber er konnte in Deutschland arbeiten.

    Personalmangel: Pflegekräfte aus dem Ausland lindern Engpässe

    Und so begann Trabelsis Weg zur offiziell anerkannten Pflegefachkraft nach deutschen Maßstäben. Er landete im Seniorenzentrum Servatius, das zur Augsburger Altenhilfe gehört. Anfangs sei es schwer gewesen, sagt Trabelsi. Weniger die Arbeit an sich, die beherrschte er schon. "Aber sonst", sagt Trabelsi mit sanfter Stimme, "war alles neu": Umgebung, Regeln, Kultur, Sprache. Doch habe das Team der Altenhilfe ihm, wo nur möglich, geholfen, insbesondere eine Mitarbeiterin aus dem Personalteam sei seine Heldin. Sie habe ihn bei allem unterstützt, was auch Einheimischen ein Graus ist: Bank, Behördengänge, Steuer, Versicherungen. Eine Wohnung stand für ihn im Sparkassen-Altenheim bereit, das auch zur Altenhilfe gehört.

    Auf der Suche nach Pflegepersonal begann die Altenhilfe 2017, ihren Arm ins Ausland zu strecken. "Wir versuchen, wo nur möglich, Mitarbeiter zu finden und auszubilden – es wird aber immer schwieriger, den demografischen Wandel auszugleichen", sagt Werkleiterin Susanne Greger. Derzeit arbeiteten drei im Ausland angeworbene Mitarbeiter bei der Altenhilfe, angeworben habe man ein "Vielfaches mehr". Man sei davon überzeugt, dass alle profitierten, "die neuen Mitarbeiter, wir – und allen voran die Bewohner".

    Uniklinikum Augsburg (UKA) baut auf Auslandsakquise

    Immer internationaler geht es auch am Uniklinikum Augsburg (UKA) zu. Dort arbeiten Menschen aus mehr als 80 Ländern, viele davon gezielt akquiriert für die Pflege – über Agenturen, Werbung im Ausland oder auch hier lebende Angehörige. "Wir wollen den Anteil erhöhen, weil wir großes Potenzial sehen, um Engpässe auf den Stationen abzufedern", betont Pflegedirektorin Susanne Arnold. Derzeit würden am UKA pro Jahr 30 bis 40 Anerkennungsverfahren abgeschlossen, Ziel seien 70 bis 80. Der Aufwand ist in jedem Fall enorm, bestätigt auch Helga Friedrich, am UKA maßgeblich mit Personalakquise im Ausland befasst. Dies hänge insbesondere auch vom Herkunftsland, vor allem EU oder nicht, dortigen Behördenstrukturen, politischen Verhältnissen und Ausbildungsniveaus ab.

    Einmal angekommen, versucht das UKA, die neuen Kräfte bestmöglich zu integrieren – etwa durch Ansprechpartner in den Teams. Doch nicht immer reichen die Bemühungen aus. "Für die Betroffenen ist der Schritt hierher natürlich ein Riesenumbruch", sagt Friedrich. "Die Sprache ist anders, das ganze Umfeld, Wetter, Kultur und Mentalität sind neu. Manchmal kommt auch Heimweh dazu." Mehr als fünf bis zehn Prozent würden aber nicht vorzeitig in ihr Heimatland zurückkehren. Eher beobachte man noch Wechsel zu anderen Einrichtungen.

    Verständnis zwischen Bewohnern und Auslandskräften in Augsburger Heimen  klappt

    Wie aber klappt der direkte Kontakt zwischen Pflegekräften und Betreuten? "In den allermeisten Fällen sehr gut", sagt Petra Fischer, bei der Caritas Augsburg Betriebsträger (CAB) gGmbH für Personalentwicklung zuständig. "Die meisten Bewohner sind neugierig, die Toleranz ist groß." Am ehesten sei die sprachliche Verständigung problematisch, aber auch das sei zu bewältigen – mithilfe der anderen Kollegen oder einer eigenen Begrüßungsmappe, in der schwäbische und bayerische Begriffe erklärt werden. "Wir haben gerade drei Frauen aus Indien bei uns, auch die haben sich anfangs natürlich schwer mit 'Dienschtag', 'woisch' oder 'fei' getan. Aber das wird alles."

    So wie es auch bei Marwen Trabelsi geworden ist. Neben der Ausbildung, in deren Rahmen er aktuell an den Wertachkliniken in Bobingen tätig ist, büffelt er unter der Woche in Abendkursen Deutsch. Der 25-Jährige ist gekommen, um zu bleiben.

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