Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Misshandlungsskandal: Justizministerium suspendiert Leiterin der Skandal-JVA Gablingen

Vorwürfe gegen Gefängnisführung

Justizministerium stellt Leiterin der Skandal-JVA Gablingen frei

    • |
    • |
    Zoraida Maldonado de Landauer, Leiterin der JVA Augsburg-Gablingen, wurde freigestellt.
    Zoraida Maldonado de Landauer, Leiterin der JVA Augsburg-Gablingen, wurde freigestellt. Foto: Florian Rußler, Peter Fastl

    Der sich ausweitende Skandal um möglichen Missbrauch innerhalb der JVA Augsburg-Gablingen hat nun auch für die Leiterin Konsequenzen. Zoraida Maldonado de Landauer ist ab sofort vorläufig freigestellt. Dies gab der Bayerische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) am Donnerstagvormittag bekannt. Man tue dies, „um die Aufklärung des Sachverhalts zu erleichtern“. Derzeit sei eine kommissarische stellvertretende Leiterin eingesetzt – sie kommt aus der JVA Aichach –, zur Aufarbeitung der Vorfälle habe man eine sogenannte Task Force eingesetzt.

    Justizministerium stellt Leiterin Zoreida Maldonado de Landauer vorläufig frei

    Die strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Augsburg zu den Vorgängen innerhalb der JVA richten sich derzeit gegen zehn Bedienstete, darunter neben Mitgliedern der sogenannten Sicherungsgruppe (SIG) auch die stellvertretende Leiterin, eine 37-jährige Juristin. Für sie alle gilt derzeit ein Betretungsverbot. Zoraida Maldonado de Landauer ist davon nach wie vor nicht betroffen, wie die Staatsanwaltschaft am Donnerstag auf Nachfrage bestätigte. Gegen sie läuft derzeit auch kein Disziplinarverfahren.

    Dennoch geriet die Leiterin zuletzt zunehmend in die Kritik. Nach Auskunft mehrerer Insider leitete sie die JVA zuletzt überwiegend aus dem Homeoffice. Das Justizministerium bestätigte dies indirekt. Nach der geltenden Dienstvereinbarung seien zwei Tage mobiles Arbeiten pro Woche für Juristen in JVAen zulässig, darüber hinaus sei eine dienstliche Genehmigung erforderlich. „Diese wurde seitens der Leiterin der JVA Augsburg-Gablingen nicht beantragt“, teilte eine Ministeriumssprecherin Anfang der Woche mit. In einer dienstlichen Stellungnahme habe die Leiterin allerdings angegeben, dass sie mehr als zwei Tage pro Woche mobil gearbeitet habe und als Begründung die Folgen einer schweren Fußverletzung angeführt, so das Ministerium. Bis auf Weiteres nehme die Anstaltsleiterin kein mobiles Arbeiten mehr in Anspruch – wegen der aktuellen Situation.

    Missbrauchsvorwürfe in JVA Augsburg-Gablingen bringen Ministerium in Erklärungsnot

    Und die ist aus JVA-Sicht durchaus gravierend. Eine präzise geplante Durchsuchungsaktion in der JVA läutete Ende vergangener Woche einen der womöglich größten Gefängnisskandale der vergangenen Jahrzehnte in Bayern ein. Die Vorwürfe sind massiv. Gefangene sollen über einen langen Zeitraum hinweg misshandelt worden sein. Das betrifft vor allem die Unterbringung in den sogenannten besonders gesicherten Hafträumen (BgH) im Keller der JVA, wo Häftlinge teils über Tage oder sogar Wochen nackt, ohne Matratze und teils ohne genügend Essen eingesperrt gewesen sein sollen. Die ehemalige Anstaltsärztin Katharina Baur erhebt schwere Vorwürfe und spricht von „Folter“. Nach Informationen unserer Redaktion sind Ermittler bereits auf erste Belege für Übergriffe gestoßen.

    Auch an Eisenreich kam zuletzt Kritik auf, nicht nur von der Opposition im Landtag. Die Anwälte der beschuldigten Vize-Gefängnischefin forderten Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zuletzt auf, dem Ministerium die Befugnis zur weiteren Prüfung und Ermittlung im Kontext der JVA Gablingen zu entziehen. Sie begründeten dies damit, dass das Ministerium schon vor einem Jahr von Vorwürfen erfahren habe. Eisenreich bestätigte am Donnerstag, dass am 18. Oktober 2023 Schilderungen der damaligen Anstaltsärztin eingetroffen seien. Die zuständige Fachabteilung habe dies an die Staatsanwaltschaft Augsburg weitergeleitet, ihn als Minister allerdings nicht informiert. „Möglicherweise wurde die Dimension der Vorgänge im Ministerium unterschätzt“, räumte Eisenreich ein. Vertuscht sei aber nichts worden, schließlich habe die Fachabteilung als „schärfstes Schwert“ die Staatsanwaltschaft informiert. Dort, bei der Staatsanwaltschaft Augsburg, ging man den Vorwürfen eigenen Angaben zufolge nach, konkrete Anhaltspunkte fehlten dabei aber offenbar zunächst. Dies bestätigte auch die verantwortliche Anstaltsärztin.

    Minister Eisenreich: „Bei der Kontrolle von Gablingen hätte mehr passieren müssen“

    Wie Eisenreich am Donnerstag erklärte, nahm die für Justizvollzug zuständige Fachabteilung des Justizministeriums am 22. November eine angekündigte Visitation in der JVA Gablingen vor. Sie kontrollierte dabei auch die besonders gesicherten Hafträume, Auffälligkeiten ergaben sich laut Eisenreich dabei aber nicht. Am 7. Juni sei schließlich ein Bericht der Staatsanwaltschaft Augsburg im Ministerium eingegangen, demzufolge die Vorermittlungen „eher nicht auf strafrechtlich relevantes Verhalten von Beschäftigten“ hindeuteten. Dennoch habe man im Ministerium eine Zunahme von Beschwerden zur JVA Gablingen festgestellt und deshalb auch ein kritisches Gespräch mit der Leitung gesucht.

    Anfang August kam schließlich die „Nationale Stelle zur Verhütung von Folter“ zu einem unangekündigten Besuch nach Gablingen. Der Bericht liegt nach Auskunft von Eisenreich noch nicht vor, es gebe aber eine anonyme Beschwerde, nach der die Leitung dabei „getäuscht“ habe. Man habe die Leitung daraufhin zur Klarstellung aufgefordert, man habe aber nur unvollständig Stellungnahmen bekommen. Unterdessen erhielt offenbar auch die Staatsanwaltschaft immer mehr Hinweise, die auf Missstände hindeuteten, woraufhin erneut Ermittlungen aufgenommen wurden. Sie dauern bis heute an.

    Eisenreich betonte, er wollte dem Ergebnis der Ermittlungen nicht vorgreifen, kündigte aber verschiedene Maßnahmen an. Für die JVA Gablingen gelten demnach aktuell strengere Berichtspflichten, bayernweit wolle man Beschwerden und mögliche Auffälligkeiten bei der Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen statistisch besser erfassen. Kontrollmechanismen der Justizvollzugsanstalten müssten verbessert, die Regelungen zur Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen überprüft werden. „Rückblickend hätte bei der Kontrolle von Gablingen mehr passieren müssen“, sagte Eisenreich. Fragen der anwesenden Journalistinnen und Journalisten wollte er sich anschließend nicht mehr stellen.

    Anmerkung: Alle weiteren Texte zum Fall finden Sie hier.

    Diskutieren Sie mit
    1 Kommentar
    Ronald Hattensaur

    Das dröhnende Schweigen von Söder und Martin Huber ist vielsagend.

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden