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Augsburg: Patienten berichten von unzumutbaren Zuständen an der Uniklinik

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Patienten berichten von unzumutbaren Zuständen an der Uniklinik

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    Ende Juni brach sich Sieglinde Winter das Sprunggelenk. Bis sie am Uniklinikum Augsburg (UKA) operiert werden konnte, dauerte es rund zwei Wochen.
    Ende Juni brach sich Sieglinde Winter das Sprunggelenk. Bis sie am Uniklinikum Augsburg (UKA) operiert werden konnte, dauerte es rund zwei Wochen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Sieglinde Winter ist auf dem Weg der Besserung. Ende Juni war es, da wurde ihr Sprunggelenk zertrümmert. Ein dreifacher Bruch und "Schmerzen wie ein Tier", wie sie schildert. Schnell war Hilfe da, der Rettungsdienst brachte sie ins Uniklinikum Augsburg (UKA). Doch anstatt operiert zu werden, habe sie sieben Stunden warten müssen. Zuerst in der Notaufnahme, dann in einem Bett der Inneren Medizin - eine Abteilung, in der solche Verletzungen eigentlich nicht behandelt werden. Trotz "flehentlicher Bitten" nach einer Schmerzversorgung sei sie erst nach Mitternacht erstversorgt worden. Es folgten: rund zwei Wochen Warten auf die OP, eine davon in der Geriatrie - erneut eine Abteilung, in die Winter mit ihrer Verletzung nicht gehörte. Was die Patientin beschreibt, ist derzeit offenbar kein Einzelfall am UKA.

    Es ist eine Vielzahl von Schilderungen, die sich zu einem Gesamtbild verdichtet. Weitere Beispiele, die an unsere Redaktion herangetragen wurden: eine 80-Jährige, die um 7 Uhr nüchtern auf eine geplante Gallen-OP wartet, bis ihr um 16 Uhr gesagt wird, sie müsse heimgehen, weil es keinen Anästhesisten gebe. Eine Patientin, die tagelang keinen Termin für eine dringende OP vereinbaren kann. Ein Mann, der nach einem Unfall seiner 90-jährigen Mutter sechs Wochen vergeblich versucht, MRT-Bilder für die Weiterbehandlung zu bekommen. Eine 75-jährige Chemotherapie-Patientin, die Stunden auf dem Gang liegen muss, bevor sie in die Gynäkologie gebracht wird. Was ist da los im größten Krankenhaus der Region?

    Personalmangel an der Uniklinik wirkt sich auf Behandlungen aus

    Verschiedene Faktoren tragen zum Ausnahmezustand bei, alles steht und fällt aber mit dem Personal. Seit Beginn der Pandemie arbeitet es am Anschlag, zumindest in den Sommermonaten 2020 und 2021 stellte sich jedoch so etwas wie eine Verschnaufpause ein. Das ist nun anders. Die Zahl der Covid-Patientinnen und -Patienten auf Normal- und Intensivstation erreichte am Montag mit 88 den höchsten Stand seit Anfang April. Auch wenn davon "nur" drei auf der Intensivstation lagen: Die Behandlung der Positiv-Getesteten ist aufwendig, sie müssen weiterhin isoliert werden. Auch die Versorgung verwundeter Zivilisten und Soldaten aus der Ukraine - derzeit sind es sieben - bindet Kapazitäten. Gleichzeitig fallen nach Auskunft der Uniklinik etliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus - wegen Krankheit, häufig Corona, wegen des Beschäftigungsverbots für Schwangere, auch wegen der Urlaubssaison. Im Vergleich zum Vorjahr lägen die Ausfälle teilweise 35 Prozent höher.

    Die Uniklinik sieht darin eine "weitere Verschärfung des auch vor der Pandemie bestehenden Fachkräftemangels". Betroffen seien alle Bereiche, besonders aber die klinischen Bereiche Notaufnahme, Intensivmedizin und OP sowie die Normalpflege. "Die daraus folgenden Einschränkungen der Kapazitäten führen zum Teil zu langen Wartelisten und auch sehr kurzfristigen Ausfällen von elektiven, also planbaren Therapien - besonders in Kliniken mit hohem Notfallaufkommen und wenn die Eingriffe postoperativ einer intensivmedizinischen Versorgung bedürfen." Alle Kapazitäten würden "so flexibel wie möglich" genutzt. Dies erkläre auch, dass stationär behandelte Patienten in fachfremden Bereichen liegen könnten. Die Schwierigkeiten bekämen viele Patienten spüren. Dies führe aber "nicht zu Einschränkungen der medizinischen Qualität in Diagnostik und Therapie."

    Missstände am UKA Augsburg: "... und dann knickt man ein"

    Doch das könnte sich ändern, wie ein leitender Mediziner am UKA befürchtet. Das Personal sei derzeit nur noch damit beschäftigt, "Löcher zu stopfen". Noch gelinge das, aber: "Es ist wie bei einem Marathon: Solange man in einer Art Ausnahme-Modus ist, klappt das meistens. Irgendwann wird es aber zu viel - und dann knickt man ein." Wenn zunehmend Personal wegbreche, auch wegen stressbedingter Kündigungen, werde sich dies auf die Versorgungsqualität auswirken. Auch Pflegedirektorin Susanne Arnold spricht von der Befürchtung, "dass uns ein noch schwererer Sommer und Herbst bevorsteht." Alle Pflegenden und Ärzte gäben ihr "Äußerstes". Dies bestätigt Ex-Patientin Sieglinde Winter. Das Personal leiste "Enormes" und habe die Über-Belastung "größtenteils nicht" an den Patienten ausgelassen. Derzeit sind rund 1100 Personen in stationärer Behandlung am UKA.

    Die Spielräume werden enger, gerade für einen Maximalversorger wie das Uniklinikum, der alle Patientinnen und Patienten aufnehmen muss. Auch politische Entscheidungen spielen eine Rolle, staatliche Hilfsprogramme laufen aus. Die Uniklinik schlägt deshalb Alarm. "Die Politik muss die vielfach gemeldete Ernsthaftigkeit der Lage wirklich ernst nehmen", heißt es. In der jetzigen Situation bräuchten die Krankenhäuser "dringend kurz- und mittelfristige finanzielle Sicherheit. Es wäre fatal, wenn der ökonomische Druck uns jetzt auch noch zu Spardiktaten zwingen würde."

    Engpässe auch an Vincentinum und Stadtklinik am Diako

    Allein steht die Uniklinik mit diesen Forderungen nicht, gleiches gilt für die prekäre Personalsituation. Auch das Vincentinum berichtet von einem "etwas höheren Krankenstand als es die Regel ist", was vor allem auf Corona-Infektionen zurückzuführen sei. Hinzu käme die Urlaubszeit. Jens Colditz, Rektor der Stadtklinik im Diako, spricht von einer "gewissen Einschränkung insbesondere durch coronabedingte Personalausfälle." Im Einzelfall seien deshalb auch Operationen zu verschieben. Da auch die Zahl infizierter Patienten wachse, müssten OPs teils kurzfristig abgesagt werden. Auch er geht davon aus, dass sich "diese Entwicklung im Herbst verschärfen wird."

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