Sie war eingeführt worden, um die Einkaufsfahrt in die Innenstadt attraktiver zu machen: die Semmeltaste. OB Kurt Gribl hatte sie 2009 kurz nach seiner ersten Wahl umgesetzt. Nun ist die Zukunft dieser Semmeltaste, mit der Autofahrer an städtischen Parkscheinautomaten einen Gratis-Parkschein für eine halbe Stunde drucken können, zunehmend unsicher. Zwar äußert sich Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) bislang nicht eindeutig zu dem Thema, in der Klima-Sondersitzung des Stadtrats am späten Dienstagabend deutete sie aber an, dass in absehbarer Zeit über ein Parkkonzept für die Innenstadt gesprochen werden müsse und die Semmeltaste dabei ein Aspekt sein werde.
Die Grünen als kleiner Koalitionspartner hatten schon im Wahlkampf eine Abschaffung der Semmeltaste gefordert – kombiniert mit höheren Parkgebühren. Auch Weber hatte erklärt, dass sie sich nicht sicher sei, ob man heute eine Semmeltaste einführen würde. Mit aufgebracht hatte das Thema am Dienstag dann Stadtwerke-Chef Walter Casazza, der im Zuge der Klimaschutzbemühungen und der Stärkung des Nahverkehrs eine Abschaffung der Semmeltaste und eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung ins Gespräch brachte.
Schwarz-Grün diskutiert Sperrung der Maxstraße
Wie berichtet prüft die Bauverwaltung seit dem Frühjahr 2020, wie mit der Semmeltaste umgegangen werden soll und ob eine (Teil-)Sperrung der Maximilianstraße denkbar wäre. Das Thema ist hinter den Kulissen auch ein Diskussionspunkt im schwarz-grünen Regierungsbündnis. Denn die Grünen wollten die Maßnahmen im Wahlkampf vor eineinhalb Jahren schon ohne weitere Prüfungen umgesetzt haben, die CSU scheint gerade in Corona-Zeiten ziemliche Bauchschmerzen zu haben. Befürchtet wird, dass man dem Handel, der einen Neustart brauche, sobald die schlimmste Phase der Pandemie ausgestanden ist, ausgerechnet dann einen Dämpfer verpasse, wenn man auf jeden zurückkehrenden Kunden und Innenstadtbesucher angewiesen sei.
Die Passantenfrequenz in der Innenstadt ist im Zuge der Corona-Pandemie in den Keller abgestürzt. Dass nicht alle Kunden zurückkehren werden, ist ein wahrscheinliches Szenario. Der Handel positionierte sich schon vor einem Jahr gegen eine „harte“ Sperrung der Maximilianstraße auch tagsüber. Weber legte sich in der Stadtratssitzung noch nicht fest, wann das Parkraumkonzept zur Abstimmung in die Gremien soll.
Verkehr in Augsburg: Opposition geht die Mobilitätswende zu langsam
Die Opposition hingegen sprang auf Casazzas Wunsch sofort an. Die Sozialfraktion, die die Klima-Stadtratssitzung als „PR-Veranstaltung“ bewertet, hatte die Themen Parken und Verkehrsberuhigung der Altstadt ohnehin per Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung setzen wollen, war aber gescheitert. „Seit einem Jahr reden wir von der Mobilitätswende als wichtigem Bestandteil des Klimaschutzes, doch passiert ist nichts. Konkret muss der Durchgangsverkehr raus aus der Altstadt und ein Verkehrskonzept für die Maxstraße umgesetzt werden, um endlich voranzukommen. Diese konkreten Maßnahmen nicht mal diskutieren zu wollen, ist frustrierend“, so Stadtrat Dirk Wurm. Auch die Fraktion Bürgerliche Mitte hatte in der Vergangenheit schon wissen wollen, ob die Stadt die zeitweise Sperrung der Maximilianstraße an Wochenend-Abenden aus dem Corona-Sommer 2020 dauerhaft fortsetzen werde.
Eingeführt wurde die Semmeltaste im Jahr 2009 vom damaligen Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) als Einlösung eines Wahlkampfversprechens. So sollte die Frequenz in der Innenstadt bei kurzfristigen Besorgungen gesteigert werden. Zum Ende seiner Amtszeit sagte Gribl aber selbst, dass das Instrument heute nach abgeschlossener Sanierung der Fußgängerzone, vollzogenem Kö-Umbau und City-Zone anders diskutiert werden könne. Die Semmeltaste beschert der Stadt aktuell 600.000 Euro Einnahmeverluste jährlich. Die Parkgebühren im öffentlichen Straßenraum sind seit 2012 unverändert (zwei Euro je Stunde). Von 1998 bis 2012 lagen die Gebühren bei 1,50 Euro.
Die Stadtwerke Augsburg arbeiten an einfacherem Ticket
Stadtwerke-Chef Casazza sagte, um die Nutzung des Nahverkehrs zu steigern, brauche es neben einem guten Angebot und Innovationen auch verkehrspolitische Maßnahmen etwa bei den Parkgebühren. Auch eine Stärkung des Radverkehrs sei wünschenswert, solange sie nicht zulasten des Nahverkehrs geht. „Jeder Wegfall eines eigenen Gleiskörpers ist nicht systemgerecht“, so Casazza. Casazza kündigte für die zweite Jahreshälfte die Einführung eines BeIn/BeOut-Tickets an, an dem die Stadtwerke seit Jahren tüfteln. Dabei ermittelt das Smartphone des Fahrgasts die gefahrene Strecke und rechnet zum Monatsende den günstigsten Tarif aus, indem es verschiedene Tickets zum besten Preis zusammenstückelt. Das solle Schwellen bei der Nutzung des Nahverkehrs abbauen, weil sich Nutzer nicht mehr übers Tarifsystem Gedanken machen müssen. Damit, so Casazza, wolle man auch bisher eingefleischte Autofahrer als Kunden gewinnen.
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