Wird bald jeder Bundesbürger zum Organspender, wenn er nicht ausdrücklich widerspricht? Schon seit einigen Jahren steht die Überlegung im Raum, das aktuelle Organspendegesetz zu reformieren, denn es gibt ein Problem: Jedes Jahr sterben in Deutschland rund 1000 Menschen, während sie auf eine Spende warten. Nur etwa ein Drittel der Deutschen besitzt einen Organspendeausweis, obwohl laut Umfragen weit über zwei Drittel dazu bereit wären, ihre Organe nach dem Tod zur Verfügung zu stellen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will das Thema deshalb nochmal angehen. Der Bundestag soll noch einmal über die Widerspruchslösung abstimmen. Käme sie, wäre jeder automatisch Organ- und Gewebespender, wenn keine schriftliche Entscheidung dagegen vorliegt. Wir haben Augsburgerinnen und Augsburger nach ihrer Meinung gefragt.
Auf mehr als 10.000 Wartende kommen nur etwa 800 Spender
Rita König ist 64 Jahre alt und hat "schon ewig" einen Organspendeausweis, sagt sie. Für sie sei das eine Selbstverständlichkeit. "Schließlich würde ich mich auch freuen, dass es einen Spender für mich gibt, sollte ich mal einen brauchen." Sie spricht sich für die Widerspruchslösung aus und fände es gut, dass man sich konkret gegen eine Organspende entscheiden müsse - und nicht dafür.
Katharina Ritter und Julia Ortner sind 18 und 19 Jahre alt und sprechen sich ebenfalls für den neuen Gesetzesvorschlag aus. Julia Ortner sagt, sie habe auch schon einen Spenderausweis, allerdings liege er zuhause. Sie findet es gut, dass die Beantragung simpel war, hat aber ihre Zweifel, dass die im Raum stehende Widerspruchslösung einfach umzusetzen ist. "Wenn das komplizierter wäre, als einen neuen Ausweis zu beantragen, fände ich das blöd", sagt sie. Ihre Freundin hat noch keinen Organspendeausweis, überlegt aber, sich einen zuzulegen. "Ich kenne mich mit dem Thema noch nicht so gut aus." Bevor sie einen Ausweis beantragt, möchte sie sich erst mal umfangreich informieren.
Tatsächlich ist Deutschland das einzige europäische Land, in dem die so genannte Entscheidungslösung gilt. Das heißt: Man muss sich bislang ausdrücklich dafür entscheiden, Spender zu werden, und nicht andersherum. Grundsätzlich sind viele Augsburgerinnen und Augsburger offen für das Thema, wie auch Stefan Fischer. Der 55-Jährige hat schon seit ein paar Jahren einen Spenderausweis. Er ist mit der Debatte vertraut und hofft stark auf die Widerspruchslösung. Allerdings kenne er ein paar Menschen in seinem Bekanntenkreis, die sich dagegen aussprechen, sagt er. Seine Überzeugungsversuche seien bis jetzt erfolglos. Ein Problem, das in der Debatte unterginge: Für Obdachlose und Menschen, die kein Deutsch verstehen, sei eine umfangreiche Aufklärung der Änderungen schwer durchzuführen, das könne zu Problemen führen.