Die junge Frau schafft es kaum, den Judenberg hochzukommen. Mehrere Male setzt sie mit dem Kinderwagen an und stoppt, als sie ins Rutschen gerät. Eine Polizistin kommt ihr zu Hilfe. Gemeinsam schieben sie den Buggy ein paar Meter über das Kopfsteinpflaster nach oben, dann geht die Mutter mit ihrem Baby den restlichen Weg allein. Die Polizistin hingegen ist an diesem Vormittag direkt wieder gefragt: erneut eine Mutter mit Kinderwagen, die an gleicher Stelle auf dem Weg Richtung Maximilianstraße ins Schlittern kommt. Am Donnerstag sind in der Innenstadt von Augsburg ungewöhnliche Szenen zu beobachten: Eine Ölspur, die großflächig im Altstadtbereich verteilt ist, sorgt für Probleme bei Fußgängern und Radlern - und für einen Großeinsatz von Polizei und Feuerwehr.
Gegen 8 Uhr geht an diesem Tag bei der Polizei eine erste Meldung ein, gemeldet wird Öl auf der Straße; so etwas kommt schon mal vor. Doch die Ausmaße sind ungewöhnlich: Die Spur zieht sich durch die halbe Altstadt; die verschmutzte Fläche ist so groß, dass die Integrierte Leitstelle Augsburg gegen Mittag gar eine Warnmeldung über die App Nina verschickt, mit der Behörden die Bevölkerung über Gefahrensituationen informieren. "Aufgrund einer ausgedehnten Ölspur im Stadtgebiet Augsburg wird vor glatten Verkehrswegen gewarnt", heißt es in der Meldung. Betroffen seien diverse Straßen in der Innenstadt: Bäckergasse, Am Schwall, Predigerberg, Heilig-Grab-Gasse, Afrawald, Vorderer Lech, Hunoldsgraben, Pfladergasse, Elias-Holl-Platz, Sterngasse, Beim Märzenbad, Judenberg.
Ölspur in der Innenstadt von Augsburg: Warnung per Nina-Warnapp
Es sei "mit erhöhter Rutschgefahr" zu rechnen, daher bitte man Radfahrer, abzusteigen. Doch auch "für Fußgänger ist erhöhte Vorsicht geboten". Was dies bedeutet, zeigt sich noch am Mittag in den betroffenen Gebieten. Am Hunoldsgraben etwa haben sich nicht nur Polizisten postiert, um die Lage zu sichern, es hängen auch an Masten und Mülltonnen selbst gefertigte Schilder von Anwohnern, mit denen sie Passanten auf den rutschigen Boden hinweisen. "Wir standen heute früh hier und haben alle gewarnt", sagt Lisa Grimmert vom Geschenkeladen "Ideenreich". Die seltsame Ölspur sei ihr bereits auf dem Weg zur Arbeit aufgefallen. Und dann sei bestes Wetter, natürlich sei in der Altstadt viel los. Auch Süheyla Cebe vom gegenüberliegenden Dönerimbiss "Pamukkale" berichtet, man habe anfangs viele Leute auf die Gefahr hinweisen müssen, damit diese nicht ausrutschten. Das übernimmt inzwischen vor dem Laden ein junger Polizist. "Öl ist ausgelaufen, nicht hinfallen", sagt er knapp zu Passanten, die seine Worte beherzigen.
Angesichts des Ausmaßes der Verschmutzung gehen schnell Gerüchte um, woher das Öl stammen könnte. Die Polizei ermittelt schließlich einen mutmaßlichen Verursacher. Erkenntnissen der Beamten zufolge stammt die Ölspur von einem Müllfahrzeug, das am Donnerstag in dem Bereich von Fahrern auf eine Tour quer durch die Altstadt gelenkt wurde; es stand die Leerung der Gelben Tonne an. Tatsächlich steht am frühen Nachmittag ein Müllwagen in der Straße Vorderer Lech, unter dem mehrere Wannen platziert sind. Mit ihnen soll offenbar auslaufendes Öl aufgefangen werden, dazu sieht man orangefarbenen Ölbinder unter dem Fahrzeug.
Polizei ermittelt Verursacher-Fahrzeug für Ölspur in Augsburg
Zu größeren Verkehrsunfällen kommt es trotz der teils chaotischen Zustände offenbar nicht, auch wenn am Predigerberg ein 77-jähriger Mann mit seinem Fahrrad stürzt. Am Nachmittag steht Albert Hupfauer aus Bobingen in der Straße, er sitzt in einem kleinen, blauen Reinigungsfahrzeug der Firma Baur Umweltservice aus Bobingen. Die Feuerwehr habe das Unternehmen um Unterstützung gebeten, erzählt Hupfauer, er helfe seit Jahrzehnten ehrenamtlich, sagt der 66-Jährige.
An der Kreuzung zur Heilig-Grab-Gasse steht derweil die nächste Polizeistreife, um Passanten zu warnen, auch Am Schwall in Richtung City-Galerie sieht man noch mehrere Polizei- und Feuerwehrautos. Insgesamt sind mehr als ein Dutzend Einsatzautos vor Ort, allein von der Feuerwehr sind es sieben. Die Feuerwehrleute fahren und laufen am frühen Nachmittag die verschmutzten Straßen ab und verteilen Granulat, was dafür sorgt, dass die betroffenen Wege teils in ungewohntem Orange erscheinen.