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Augsburg: Ökosünde für zwei Millionen Euro? Rollrasen sorgt für Ärger

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Ökosünde für zwei Millionen Euro? Rollrasen sorgt für Ärger

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    Werden die Mehrkosten für das Rollrasengleis der Tramlinie 3 von Augsburg nach Königsbrunn zum Fall für das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes?
    Werden die Mehrkosten für das Rollrasengleis der Tramlinie 3 von Augsburg nach Königsbrunn zum Fall für das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes? Foto: Silvio Wyszengrad

    Ab Dezember soll die Straßenbahn die Städte Augsburg und Königsbrunn verbinden. Viele Fahrgäste dürften schon auf das neue komfortablere Nahverkehrsangebot der Linie 3 warten. Manch einer freut sich derweil auch über den grünen Rollrasen, der am Gleiskörper verlegt wurde. Das Gras wirkt so perfekt, dass es auf den ersten Blick auch auf einen Golfplatz oder in ein Bundesligastadion passen könnte. Bei Naturschützern und beim Bund der Steuerzahler in Bayern sorgt die Rollrasenlösung jedoch für massive Kritik. Die Kritiker monieren: Das makellose Grün sei teuer und zudem wenig ökologisch.

    Naturschützer kritisieren "desaströse Ökobilanz" der Tram-Strecke

    Von einer "ökologischen Ödnis sondergleichen" spricht Günther Groß von der Naturschutzallianz. Bedenklich sei Rollrasen bereits bei der Herstellung. Zunächst müsse er kräftig gedüngt, gewalzt, gestriegelt und wohl auch mit Pestiziden reingehalten werden, bis er verkauft wird. Dazu müsse er im Eilverfahren – sonst fault und schimmelt er in gerolltem Zustand – an den Pflanzort transportiert werden, in diesem Fall tonnenweise aus Brandenburg nach Augsburg, sagt Groß. "Allein bis zu diesem Schritt ist die Ökobilanz des neuen Stadtgrüns desaströs."

    Rollrasen müsse später auch ständig mit viel Energieverbrauch gepflegt werden. Die positiven Seiten des Rollrasens, nämlich eine Abkühlung der Fläche, hätte man auch durch lokales Saatgut erreichen können, sagen Naturschützer. Die negative Ökobilanz verschlechtere sich aber noch gravierend, wenn man den Wert des Einheitsgrüns für die biologische Vielfalt betrachte. Selbst im Lauf von Jahren werde sich in dem dichten grünen Teppich kaum eine blühende Pflanze entwickeln. Für Insekten und andere Wildtiere sei die Fläche von über zwei Fußballfeldern als Lebensraum verloren.

    Günstiger – aber auch schön genug? So sehen die begrünten Trassen in Augsburg bisher aus. Der Stadt Königsbrunn reicht eine solche Lösung auch bei der Verlängerung der Linie 3.
    Günstiger – aber auch schön genug? So sehen die begrünten Trassen in Augsburg bisher aus. Der Stadt Königsbrunn reicht eine solche Lösung auch bei der Verlängerung der Linie 3. Foto: Silvio Wyszengrad

    Was die Augsburger Stadtwerke zu den Kosten sagen

    Was sagt man bei den Stadtwerken Augsburg zu der Kritik? Sprecher Jürgen Fergg erklärt, der Rollrasen auf der Verlängerung der Linie 3 sei nur auf Augsburger Flur verlegt worden, nicht aber im Bereich der Stadt Königsbrunn. Die mit Rollrasen umgebenen Gleise haben eine Streckenlänge von rund 1,8 Kilometern. Es handelt sich in diesem Bereich um ein sogenanntes "hochliegendes Rasengleis", das erste in Augsburg. Das bedeutet, dass die Schienen direkt von Erde und Rasen umgeben sind - sie verschwinden optisch darin. Ansonsten gibt es in Augsburg nur "tiefliegende Rasengleise" mit Magerrasen, bei dem sich zahlreiche blühende Pflanzen selbst aussäen. Letzteres ist nun auch auf der Trasse im Königsbrunner Stadtgebiet vorgesehen. Die Gleise liegen dabei über der Erde.

    Im Vergleich ist die Augsburger Lösung teuer. Wie man bei den Stadtwerken vorrechnet, kostet der Rollrasen selbst rund 137.000 Euro. Das Saatgut für ein tiefliegendes Rasengleis auf der gleichen Fläche schlage nur mit rund 4500 Euro zu Buche. Für das hochliegende Rasengleis seien zudem bauliche Voraussetzungen nötig, vor allem eine sehr aufwendige Schienenisolierung. Insgesamt summieren sich die Mehrkosten damit auf rund zwei Millionen Euro für den Augsburger Streckenabschnitt. Auch die Pflege des Augsburger Rollrasengleises ist aufwendig. Bei den Stadtwerken rechnet man mit zwölf bis 14 Mähgängen pro Jahr mit einem Aufsitzmäher, wobei man möglichst selten mähen will. In Königsbrunn werde man voraussichtlich mit zwei bis vier Mähgängen auskommen.

    Das Baureferat verteidigt den Rollrasen an der Linie 3

    Bei den Stadtwerken betont man auf Nachfrage, dass die vergleichsweise teure Lösung auf Wunsch der Stadt gebaut worden sei. Vor vier Jahren habe es dazu einen einstimmigen Beschluss im Bauausschuss gegeben. Fergg sagt auch, dass die Mehrkosten im Vergleich zu Schottergleisen vom Grundsatz her jeweils die Städte bezahlen müssen. Es gebe jedoch eine Förderung von 90 Prozent der Kosten. Insgesamt kostet die Linie 3 nach Königsbrunn mit Planung, Bau und Projektmanagement rund 52 Millionen Euro. Die Stadt Augsburg hat davon einen Anteil von rund drei Millionen Euro zu tragen und und die Stadt Königsbrunn etwa zwei Millionen Euro

    Im städtischen Baureferat verteidigt man die Rollrasenlösung. Sie sei vor allem auch im Zusammenhang mit dem geplanten großen Neubaugebiet Haunstetten Südwest gewählt worden. Für die städtebauliche Entwicklung des neuen Stadtquartiers, in dem einmal rund 10.000 Einwohner leben sollen, sei die durch das Gebiet verlaufende Straßenbahnlinie ein wichtiger Bestandteil, heißt es im Baureferat. In Verbindung mit dem Ausbau der Postillionstraße und dem Fahrradschnellweg trage das hochliegende Rasengleis zur stadtgestalterischen Aufwertung bei, der breit dimensionierte Straßenraum erhalte damit eine neue Gliederung. In Verbindung mit dem Wegeband könne - im Gegensatz zum tiefliegenden Rasengleis - ein hochwertiger durchgängiger öffentlicher Freiraum geschaffen werden. Weitere Argumente für diese Lösung seien weniger Erschütterungen und weniger Lärm, wenn Straßenbahnen verkehren. Die Rasenfläche sei zudem eine mögliche Ausgleichsfläche, die sich hinsichtlich des Stadtklimas positiv auswirke.

    Steuerzahler-Präsident beanstandet Mehrkosten

    Das neue Rollrasengleis sorgt jedoch auch beim Bund der Steuerzahler Bayerns für Kritik. Die Mehrkosten von bis zu zwei Millionen Euro seien erheblich, sagt Steuerzahler-Präsident Rolf von Hohenhau, insbesondere, weil die Stadt wenig Geld habe und deshalb wichtige Projekte liegenlasse. Seit Jahren müsse etwa die Sanierung des Perlachturms warten, ebenso die Wiedereröffnung des Römermuseums. Einen hohen Bedarf gebe es auch seit langem bei Nachpflanzungen gefällter Bäume in der Innenstadt. "Das ist ein Trauerspiel", so von Hohenhau. Nach seiner Einschätzung könnte das Augsburger Rollrasengleis im kommenden Jahr zu einem Fall für das Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler werden.

    Allerdings melden sich auch Bürger zu Wort, die Rollrasen an der Straßenbahn gut finden - zumindest mit einem Augenzwinkern. Extremsportler Bernd Beigl teilte über die sozialen Netzwerke mit, er sei der Stadt sehr dankbar. Sie habe ihm eine kilometerlange Tempolauf-Trainingsstrecke hingezaubert. Und auf den Schienen könnte ihn ein selbst fahrender Miniroboter begleiten und alle Trainingsläufe ins Internet übertragen.

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