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Augsburger sammeln über 3000 Unterschriften gegen Süchtigentreff

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Über 3000 Unterschriften gegen Süchtigentreff: „Bürger sind erschüttert“

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    Richard Flor und Hülya Aydingünes von der Aktionsgemeinschaft „Unser Oberhausen“ überreichen Ordnungsreferent Frank Pintsch und Oberbürgermeisterin Eva Weber die 3099 gesammelten Unterschriften gegen den geplanten Süchtigentreff in St. Johannes.
    Richard Flor und Hülya Aydingünes von der Aktionsgemeinschaft „Unser Oberhausen“ überreichen Ordnungsreferent Frank Pintsch und Oberbürgermeisterin Eva Weber die 3099 gesammelten Unterschriften gegen den geplanten Süchtigentreff in St. Johannes. Foto: Silvio Wyszengrad

    Als Richard Flor das Rathaus verlässt, ist der Oberhauser enttäuscht. Gemeinsam mit Hülya Aydingünes hat er gerade Oberbürgermeisterin Eva Weber und Ordnungsreferent Frank Pintsch (beide CSU) zwei dicke Ordner überreicht. Darin abgeheftet sind 3099 Unterschriften gegen den geplanten Süchtigentreff in St. Johannes an der Donauwörther Straße. „Die Unterschriften wurden entgegengenommen. Aber das war‘s. Das Ding ist durch.“ Flor hegt kaum noch Hoffnung, dass sich der Stadtrat kommende Woche gegen das Projekt aussprechen könnte. Auch bei manch der rund 40 Oberhauserinnen und Oberhausern, die sich anlässlich der Übergabe am Mittwochnachmittag am Rathausplatz treffen, scheint Ernüchterung eingekehrt.

    Sechs Wochen lang hatte die Aktionsgemeinschaft „Unser Oberhausen“ zusammen mit örtlichen Vereinen und Glaubensgemeinschaften im Stadtteil Unterschriften gegen den umstrittenen Standort der Suchtkranken-Hilfseinrichtung gesammelt. Darunter das Ussaki Derwisch Zentrum, die Kirchenverwaltung St. Joseph, der Verein Türkischer Eltern, der Pfarrgemeinderat Oberhausen oder der Fanclub Fenerbahce Augsburg. Die Kritiker verschickten zudem eigene Schreiben an die Oberbürgermeisterin, den Ordnungsreferenten und den Stadtrat, in denen Sorgen und Appelle formuliert sind. Wie etwa der Kirchenrat der Syrisch-Orthodoxen Kirche, der in Oberhausen beheimatet ist. Man habe stets eine gute Beziehung zur CSU gepflegt. Die Partei vertrete christliche Werte, die auch ihnen am Herzen liegen. „Umso enttäuschter sind wir nun, dass die CSU ein großes Suchtzentrum in einem Wohngebiet etablieren möchte“, steht darin geschrieben. Ercan Akgül ist der erste Vorsitzende dieser Gemeinschaft und wie Vertreter anderer Glaubensgesellschaften auch an diesem Nachmittag auf den Rathausplatz gekommen.

    Geplanter Süchtigentreff in Oberhausen: „Geht uns um unsere Kinder“

    „Es geht uns vor allem um eines, nämlich um unsere Kinder, Kinder und nochmal um unsere Kinder“, sagt Akgül mit Nachdruck. Missionsschwester Barbara vom heiligen Petrus Claver hegt ebenso diese Sorge. „Ein Süchtigentreff an dieser Stelle ist schlecht für Familien und Kinder. Wir in Oberhausen haben viele Familien, die arm sind und für die der Friedensplatz neben St. Johannes als Erholungsort dient“, so die Ordensfrau, die es lieber sehen würde, wenn die leerstehende Kirche den Bürgern zugutekäme. „Betreuung von Kindern, Deutschkurse für Frauen ...“, schlägt Schwester Barbara vor.

    Esra Ersoy ist im Elternbeirat der Löweneck-Grundschule und sagt, sie lasse ihre Kinder schon jetzt nicht mehr alleine durch Oberhausen gehen. „Sie dürfen auch nicht auf die Spielplätze, obwohl die Stadt diese renovieren ließ.“ Dort würden Spritzen der Drogensüchtigen herumliegen. Mit dem neuen Standort würden die Zustände noch schlimmer, befürchtet sie. Während auf dem Rathausplatz weiter diskutiert wird, werden im Unteren Flez des Rathauses OB Eva Weber und Referent Frank Pintsch bei der Unterschriftenübergabe mit Unmut konfrontiert - wie schon so oft bei dem heiklen Thema.

    Ordnungsreferent Frank Pintsch nahm sich Zeit, um mit den Menschen aus Oberhausen, die auf den Rathausplatz gekommen waren, zu diskutieren. Oberbürgermeisterin Eva Weber hingegen musste nach der Unterschriftenübergabe gleich zu einem nächsten Termin, wie sie sagte.                      -
    Ordnungsreferent Frank Pintsch nahm sich Zeit, um mit den Menschen aus Oberhausen, die auf den Rathausplatz gekommen waren, zu diskutieren. Oberbürgermeisterin Eva Weber hingegen musste nach der Unterschriftenübergabe gleich zu einem nächsten Termin, wie sie sagte. - Foto: Silvio Wyszengrad

    Richard Flor und Hülya Aydingünes berichten den Politikern von ihren Erfahrungen während des Unterschriftensammelns. „Die Menschen waren teilweise richtig entsetzt und konnten es nicht glauben, dass die Stadt das durchsetzen will“, erzählt der 70-jährige Flor. Er trägt Reaktionen vor, die die Aktionsgemeinschaft erreichten. „Die Stadt hat sich doch bereits entschieden“, „Wir in Oberhausen sind immer die Dummen“ oder „Ich wähle nie wieder CSU“ habe es mitunter geheißen. „Die Bürger sind erschüttert, dass sie nicht wahrgenommen werden“, konstatiert Aydingünes.

    Weber und Pintsch hören aufmerksam zu, erklären die Wichtigkeit, das Problem der benötigten erweiterten Suchthilfe bald zu lösen. Eva Weber betont, wie schon so oft in den vergangenen Wochen, dass es keine Vorfestigung auf St. Johannes gebe, sondern nur eine Empfehlung der Verwaltung und der Stadtrat darüber entscheide. „Unfassbar schade“ finde sie es, dass immer gesagt werde, Oberhausen würde hinten herunterfallen. Sie sieht das anders und zählt das bisherige Engagement der Stadt und deren Investitionen in Oberhausen auf. Auf beiden Seiten fallen Argumente, Sorgen, Kritiken, Versprechungen - die schon oft in den vergangenen Wochen gehört wurden. Letztendlich ist es genau das, was Richard Flor von der Aktionsgemeinschaft etwa frustriert.

    Kritik: Bürger aus Oberhausen würden nicht gehört

    Wenig später, zurück auf dem Rathausplatz, zieht der Anwohner aus Oberhausen ein kleines Fazit: „Im Februar fand die erste Veranstaltung zu dem geplanten Süchtigentreff in St. Johannes statt. Seitdem hat sich nichts an der Argumentation der Stadt geändert und es ist nichts passiert“, sagt er mit einer gewissen Resignation in der Stimme. Die Bürger, so sieht nicht nur er es unter den Versammelten, würden nicht gehört. An dieser Meinung kann wohl auch Ordnungsreferent Frank Pintsch nicht viel ändern, auch wenn er entgegenhält, dass er in den letzten Monaten immer wieder das Gespräch in Oberhausen gesucht habe. Er stellt sich auf dem Rathausplatz den Kritikern und diskutiert noch ausgiebig mit ihnen.

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    10 Kommentare
    Walter Koenig

    Die Kirchengemeinden in Oberhausen zeigen, dass sie Wasser predigen und Wein trinken. Man beruft sich auf die Lehre von Jesus, aber man vergisst dabei, dass Jesus die Nächstenliebe als Gebot genannt hat. Die Gleichnisse vom barmherzigen Samariter oder vom Zöllner zeigen deutliche Parallelen zu den Reaktionen der Kirchengemeinden. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst - schöne Worte, denen hier Egoismus entgegen steht. Wie soll man da die Kirche noch ernst nehmen? Sucht ist eine schwere Erkrankung, die durch ignorieren auch nicht verschwindet. Selbst wenn das Projekt nicht in St. Johannes installiert wird, so bleiben die Süchtigen trotzdem existent. Ich finde es allemal besser, kranken Menschen Hilfsangebote zu machen, als diese aus dem eigenen Blickfeld verbannen zu wollen.

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    Reinhold Forster

    Vielen Dank! Ich bin ganz ihrer Meinung!

    Thomas Franke

    Es spricht keiner davon die Kranken aus zu Grenzen oder ihnen keine Hilfe an zu bieten. Lediglich der Ort für die geplante Hilfe wird als nicht ideal gesehen. Eine Gesellschaft muss helfen und auch für Hilfe sorgen die angenommen wird und das ohne sich selbst zu schaden. Genau dieses "ohne sich selbst schaden" steht stark im Zweifel wenn eine nötige Hilfseinrichtung in einem durch Familien, Einrichtungen für Kinder und Wohnungen geprägten Gebiet umgesetzt wird. Es geht den Glaubensgemeinschaften also nicht darum keine Hilfe an zu bieten und somit Wasser zu predigen und Wein zu saufen, sondern es wird hier seitens der Stadt verlangt Kinder und Jugendliche einem Umfeld aus zu setzen, das sie aufgrund der täglichen Vorkommnisse mit über 500 Blaulicht Einsätzen pro Jahr nachhaltig prägen wird. Braucht das ein durch den Bunten mix der Kulturen eh schon sozial gemischter Stadtteil?

    Daniel Trollmann

    Es ist klar, dass dadurch, wenn der geplante Ort erst einmal nicht käme, es eine weitere Verzögerung gäbe und man sich dem Thema erst einmal "nicht aussetzen müsste". Auch aus meiner Sicht haben sich die Agierenden in der römisch-katholischen Pfarreiengemeinschaft nicht mit Ruhm bekleckert. In gewisser Weise macht St. Johannes vor, was die christliche Botschaft eigentlich bedeutet...

    Franz Xanter

    Was sich hier extrahieren lässt, ist eindeutig, dass die Belange von Süchtigen und Straftätern wesentlich höher eingestuft werden als die Wünsche und Belange der Bürger und ihrer Kinder vor Ort. Fragt man sich natürlich, was noch alles geschehen muss?

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    Reinhold Forster

    Süchtige und Straftäter sind auch Bürger dieser Stadt. Einen Ausgleich der verschiedenen Interessen und Wünsche zu finden, ist allerdings nicht einfach. Zu einfach macht es sich aber die Aktionsgemeinschaft, die eine Hilfezentrum für Süchtige in Oberhausen kategorisch ablehnt und mit Horrorszenarien Stimmung macht.

    Thomas Franke

    Das kann ich in der öffentlichen Diskussion so nicht erkennen, dass es sich die Aktionsgemeinschaft einfach macht. Es wurden diverse Standorte auch in Oberhausen genannt, die evtl. ebenfalls geeignet sein können. Und die Horrorszenarien (Spritzen und zeitweise hilflose Menschen im öffentlichen Raum, Blaulichteinsätze, Beschaffungskriminalität, bleibender Eindruck für Kinder und Jugendliche, dass Drogensucht etwas völlig normales und förderungswertes ist...) sind bereits da wie Herr Pintsch von der Stadt regelmäßig betont. Es ist kein Einfaches Thema, daher sollte das auch nicht Stumpf und auf einem Standpunkt verharren seitens der Stadt entschieden werden, sondern es sollte mit Hirn und Herz eine Lösung gefunden werden die dem Optimum nahe kommt. Dieser Standort ist wie man dem öffentlichen Interesse entnehmen kann wohl nicht geeignet und da sprechen über 3.000 Menschen die sich gegen den Standort aussprechen eine klare Sprache.

    Herbert Golling

    "Ist ganz einfach." So generiert man "Wutwähler"

    Marianne Böhm

    Sind es die Kinder, die zu Hause Gewalt und Missbrauch erleben müssen, die an der Armutsgrenze leben, die in der Schule Mobbing ausgesetzt sind. Oder sind es die Kinder die gut behütet in die Schule gefahren und abgeholt werden.. In unserer Gesellschaft gibt es Kinder die leben auf der Straße ! Sicher ist es ein schwieriges Thema, aber wo will man diese Menschen verstecken, dass sie nie mehr von den edlen Augen der betuchten Schicht gesehen werden. Alles was nicht passt wird passend gemacht... Wie wärs mit Ruanda..!

    Daniel Trollmann

    Sicher hat es den Eindruck, als wäre alles bereits entschieden und würden Alternativen nur vor dem Hintergrund "wir entscheiden uns für St. Johannes" geprüft. Doch was soll die Stadt tun? Sie hat akuten Handlungsdruck (wer das bezweifelt, soll einfach mal vormittags zum Hallerplatz kommen) und Standorte drängen sich nicht gerade auf. Als engagierter Katholik habe ich von den Aktionen, die ja anscheinend auch die Pfarreiengemeinschaft unterstützte, außer des Wurfblattes der „Aktionsgemeinschaft Oberhausen“ nichts mitbekommen. Zudem frage ich mich, was – wenn nicht eine Unterbringung in einer Pfarrkirche – denn der christlichen Botschaft am nächsten käme? Zumindest im Großteil der Bevölkerung ist unstrittig, dass den Süchtigen geholfen werden soll. Nach allen bekannten Informationen ist dies die beste Möglichkeit. Was mich viel mehr stört, ist, dass gravierende bestehende Probleme in Oberhausen hinter diesem Thema völlig zurückbleiben: 1) starke Vermüllung 2) soziale Probleme

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