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Helmut-Haller-Platz in Augsburg-Oberhausen: Ein Tag am Ort der Widersprüche

Augsburg

Der Ort mit dem zweifelhaften Ruf: Ein Tag auf dem Helmut-Haller-Platz

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    Der Helmut-Haller-Platz vor dem Oberhauser Bahnhof ist einer der Treffpunkte der Süchtigenszene in der Stadt.
    Der Helmut-Haller-Platz vor dem Oberhauser Bahnhof ist einer der Treffpunkte der Süchtigenszene in der Stadt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Der ältere Herr mit den Äpfeln hat sein Auto mitten auf dem Helmut-Haller-Platz in Augsburg abgestellt. Ab und zu, wenn jemand daran vorbeigeht, öffnet er eine der Türen zur Rückbank des Wagens, greift nach einem Sack mit Obst und bietet ihn den Passanten an, die gerade auf dem Weg zum Zug sind. Manche wirken zunächst etwas irritiert, nehmen das Geschenk dann aber an. Er fahre halt gelegentlich aus Friedberg an, sagt der Rentner, verteile Äpfel. Es ist eine Geste der Freundlichkeit, die hier an diesem Ort, dem Bahnhofsvorplatz in Oberhausen, bei vielen gut ankommt.

    Szene am Helmut-Haller-Platz. Der Bahnhofsvorplatz in Oberhausen ist ein Ort der Widersprüche.
    Szene am Helmut-Haller-Platz. Der Bahnhofsvorplatz in Oberhausen ist ein Ort der Widersprüche. Foto: Jan Kandzora

    Es ist warm draußen, klarer Himmel, wie zuletzt fast immer, auf dem Platz könnte an diesem Vormittag etwas los sein, doch das ist es nicht, oder nur bedingt. Da sind drei tapfere Mitglieder der Zeugen Jehovas, die eine Weile weitgehend unbeachtet in der Sonne stehen und missionieren wollen; irgendwann gehen sie wieder. Da ist der ältere Mann mit dem Friedberger Kennzeichen, der Äpfel verteilt. Da sind Menschen, die von der Straßenbahn zum Zug hetzen und vom Zug zur Straßenbahn. Und dann sind da jene Menschen, die diesen Platz seit Jahren prägen und in der öffentlichen Wahrnehmung auch dominieren: die Suchtkranken, die sich vor allem im Bereich unmittelbar neben dem Bahnhofsgebäude aufhalten, wenn auch nicht ausschließlich dort. 

    Helmut-Haller-Platz in Augsburg-Oberhausen ist ein Ort der Widersprüche

    Einige dieser Menschen sitzen an diesem Tag etwa vor dem "BeTreff", eine Anlaufstelle für Alkoholiker und Drogenabhängige, die ihnen Hilfsangebote und Betreuung bietet. Andere haben sich auf die Stühle gefläzt, die zum "Kiez Kiosk" gehören, der erst am Nachmittag öffnet. Es ist gerade einmal 9.30 Uhr, doch viele der vielleicht zwei Dutzend suchtkranken Menschen auf dem Platz haben bereits Bierflaschen in der Hand; manch einer sitzt zusammengesunken auf den Bänken im Areal direkt neben dem Bahnhof. 

    Bänke gibt es auf dem gesamten Platz ansonsten nicht, nur etwas versetzt bei den Tramhaltestellen an der Ulmer Straße, fast so, als solle man sich hier bloß nicht aufhalten und verweilen. Ohnehin ist der Bahnhofsvorplatz ein eigenartiger Ort, eine Kombination aus Grün, Asphalt, Pflaster, Schotter; ein Architekturexperte sprach vor einiger Zeit einmal von einem "Wust von unterschiedlichen Gestaltungen". Es ist auch ein Ort der Widersprüche. Mittags kommen Menschen auf das Areal, die sich draußen beim "Pascham"-Imbiss oder bei "Memo's Meat" hinsetzen und Döner essen, wie an vielen anderen öffentlichen Plätzen der Stadt auch. Im Bahnhof selbst findet man eine saubere, freundlich eingerichtete Buch- und Zeitschriftenhandlung, die einzige im ganzen Stadtteil. 

    Die öffentliche Toilette am Oberhauser Bahnhof - kein Ort, den man zwingend aufsuchen sollte, wenn es sich vermeiden lässt.
    Die öffentliche Toilette am Oberhauser Bahnhof - kein Ort, den man zwingend aufsuchen sollte, wenn es sich vermeiden lässt. Foto: Jan Kandzora

    Draußen aber ist eine Ecke des Platzes auch schon mal vermüllt und stinkt nach Urin, und weite Teile der Fläche nutzt niemand für irgendetwas, weil man sie gar nicht nutzen kann. Am Rande des Areals steht die gewiss schauerlichste öffentliche Toilette der Stadt, man kann jeden nur bedauern, der sie aufsuchen muss; sie "verdreckt" zu nennen, wäre wohlwollend formuliert, am Boden liegen Spritzen. Gegen Mittag gehen an diesem Tag gleich vier Männer gemeinsam in die Herrentoilette, bleiben eine Viertelstunde, kommen wieder heraus. Warum auch immer. 

    Polizei und Rettungsdienste fallen an diesem Platz in Augsburg nicht besonders auf

    Auch am Nachmittag passiert auf dem Helmut-Haller-Platz an diesem Tag wenig, vielleicht hat sich die Lautstärke der Dialoge etwas erhöht. "Du bist ein Vogel", sagt ein Mann zu einem anderen, beide sind auf dem Weg zu dem Bereich, in dem sich die Süchtigen treffen. "Was'n für ein Vogel?", ruft der andere, es schallt über das Areal. "Ein Papagei." "Ach so. Kra, kra!" Kurz darauf tauchen ein Polizeiauto und ein Krankenwagen auf, beide mit Blaulicht, was die meisten Personen auf dem Platz mit teilnahmslosem Desinteresse quittieren. Die Einsatzkräfte kommen nicht wegen eines Drogendelikts, sondern aufgrund eines Verkehrsunfalls in der Grafstraße, offenbar hat ein Autofahrer beim Rangieren einen Radler übersehen und touchiert, augenscheinlich ist aber nichts Schlimmes passiert. 

    Nichts Ungewöhnliches: Ein Notarzteinsatz am Helmut-Haller-Platz, in dem Fall wegen eines Unfalls, der glimpflich ablief.
    Nichts Ungewöhnliches: Ein Notarzteinsatz am Helmut-Haller-Platz, in dem Fall wegen eines Unfalls, der glimpflich ablief. Foto: Jan Kandzora

    Wenn Polizei und Notärzte sonst hierherfahren, dann zumeist, weil eine Person aus der Süchtigenszene in einem hilflosen Zustand ist, etwa, weil sie unterschiedliche Drogen eingenommen haben; rund 300 Einsätze dieser Art gibt es jedes Jahr, also fast täglich einen. Ein Ort der Gewalt ist der Helmut-Haller-Platz weniger, statistisch gesehen passieren am Königsplatz deutlich mehr dieser Straftaten. Übergriffe auf Passanten kommen nur äußerst selten vor, das betont die

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