Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: OB Eva Weber im Interview: "Minderheiten sind oft ganz schön laut"

Augsburg

OB Eva Weber im Interview: "Minderheiten sind oft ganz schön laut"

    • |
    Seit Eva Weber im Mai 2020 ins Amt der Oberbürgermeisterin kam, bestimmt die Corona-Pandemie das öffentliche Leben.
    Seit Eva Weber im Mai 2020 ins Amt der Oberbürgermeisterin kam, bestimmt die Corona-Pandemie das öffentliche Leben. Foto: Ulrich Wagner

    Frau Weber, Ihr zweites Jahr als „Corona-Oberbürgermeisterin“ ist fast zu Ende. Dennoch wirken Sie entspannter als noch im Dezember vor einem Jahr. Täuscht der Eindruck?
    EVA WEBER: Nein, man hat jetzt ja auch schon vieles gesehen. Die Zeit letztes Jahr im Oktober war sicherlich die, in der ich am meisten gelernt habe, in der ich für mich selbst auch vieles umgestellt habe. Dementsprechend waren wir dieses Jahr gut vorbereitet, ob es nun ums Testen ging oder ums Impfen oder die Kontaktnachverfolgung mit digitalen Apps. Da waren wir in Augsburg überall ganz vorne mit dabei. Diese Dinge sind gut von mir gemanagt worden, dementsprechend ist vieles jetzt im Fluss. Da kann ich doch auch entspannter sein.

    Im Stadtrat sagten Sie zuletzt, es seien auch Fehler gemacht worden. Sie nannten die Maskenpflicht auf dem Fahrrad, uns fällt die Maskenpflicht an Lech und Wertach ein. Was würden Sie im Nachhinein anders machen?
    WEBER: Das sind zwei Beispiele, die es sicher ganz gut treffen. Ich finde, immer mit dem Finger auf Fehler zu zeigen, ist so eine Sache. Es war auch gut, dass es diese Fehler gab, weil der Effekt daraus war, dass man Dinge anders beurteilt und gemacht hat. Das Wichtigste, was wir in der Pandemie gelernt haben, ist, dass man aus Fehlern lernen muss, dass eine andere Fehlerkultur stattfinden muss, auch in der Politik. Ich hoffe, dass wir uns diese Herangehensweise für andere Themen hinüberretten können.

    Besuch im Augsburger Impfzentrum Anfang des Jahres.
    Besuch im Augsburger Impfzentrum Anfang des Jahres. Foto: Silvio Wyszengrad

    Einige Fehler, die die bayerische Staatsregierung gemacht hat, haben Sie und ihr Kollege, Landrat Martin Sailer, vor kurzem öffentlich angesprochen. Es heißt, Ministerpräsident Markus Söder hat Sie deshalb noch am gleichen Abend angerufen. Wie ist das Verhältnis mit München aktuell?
    WEBER: Das Verhältnis ist nach wie vor gut und es ist in Bayern auch vieles gut gelaufen in der Pandemie. Manches ist aber halt auch nicht gut gelaufen und ich glaube, dass die Augsburgerinnen und Augsburger von ihrer OB erwarten dürfen, dass sie diese Dinge anspricht. Wir auf der kommunalen Ebene bekommen am ehesten mit, wenn es Betroffenheiten gibt, egal ob es bei Familien, in Kitas und Schulen, in der Pflege, bei Kulturschaffenden, im Handel oder in der Gastronomie ist. Ich halte es so, dass ich die Erfahrungen, die mir die Bürgerinnen und Bürger mitgeben, weitergebe. Da sind wir wieder bei der Fehlerkultur. Im Übrigen glaube ich, dass die Staatsregierung stark genug ist, dass sie auch mal Kritik aus Augsburg aushält.

    Viel diskutiert war neben Corona auch die Verkehrspolitik. Ist die Balance zwischen Auto, ÖPNV, Fahrrad und Fußverkehr, die Sie im Wahlkampf propagiert haben, gelungen?
    WEBER: Mobilität muss gemanagt werden und nicht verboten. Das habe ich schon im Wahlkampf so formuliert. Wenn wir beim Thema Auto bleiben, gehört das für viele Menschen zur Lebensqualität dazu. Sie möchten und können manchmal auch gar nicht darauf verzichten. Wenn wir uns das in der Pandemie anschauen, empfinden viele den ÖPNV nicht als besonders sicheres Verkehrsmittel. Gepaart damit, dass wir in Augsburg steigende Zulassungszahlen haben, sind das Fakten, denen wir uns stellen müssen. Gleichzeitig leben wir in einer Zeit, in der sich gerade beim Thema Mobilität spannende Sachen auftun.

    Nennen Sie uns Beispiele.
    WEBER: Das sind Dinge, die sich teilweise in Produkten der Stadtwerke wie „Be in, be out“ widerspiegeln - hier zahlt man für den ÖPNV erst im Nachhinein den günstigsten Tarif. Auch das Swaxi, das den ÖPNV flexibler macht, ist ein Beispiel. Gleichzeitig reden wir über die Frage, wie die Mobilität von morgen überhaupt angetrieben wird. Ein Auto ist per se ja nichts Schlechtes, wenn man davon absieht, dass der öffentliche Raum damit belegt ist. Im Endeffekt geht es aber darum, wieviel schädliche Emissionen ein Auto ausstößt. Wenn wir über alternative Antriebe reden, über E-Mobilität oder vielleicht irgendwann das Wasserstoffauto, wird ein anderer Schuh draus. Wir müssen ein Angebot machen, das die Menschen nutzen möchten. Ein Beispiel sind Mobilitäts-Hubs, wo die Menschen entscheiden können, welches Verkehrsmittel für sie in der jeweiligen Situation das richtige ist. Unser aller Anspruch muss sein, dass diese neue Mobilität ein Gewinn für alle ist.

    Zuletzt gab es an Entscheidungen in der Verkehrspolitik einiges an Kritik.
    WEBER: Wir haben an ein paar Schrauben gedreht, aber es wurde immer blitzlichtartig darauf geschaut – auf den Fahrradweg in der Hermanstraße, die Maximilianstraße, den Plärrer. Es ist uns noch nicht gelungen – und das sage ich durchaus selbstkritisch -, das große Gesamtbild zu zeichnen.

    War das auch das Problem in der Hermanstraße? Unterm Strich fielen für den dortigen Friedhof nur zwei Parkplätze weg, doch der Ärger ist groß.
    WEBER: Da stellt sich immer die Frage, von wem der Ärger artikuliert wird. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Mehrheiten oft leise sind und Minderheiten ganz schön laut. Wenn man politisch Verantwortung hat, bedeutet das auch, vorausschauend Dinge zu tun, die vielleicht jetzt noch nicht von allen gesehen werden, die aber über den Tag hinaus gelten. Das bedeutet für mich verantwortungsvolles Handeln. Es geht darum, Dinge zu entscheiden, die der Mehrheit langfristig zugutekommen. Das Thema Hermanstraße ist da ein ganz gutes Beispiel: Es wird negiert, dass wir gesagt haben, wir probieren das jetzt einfach mal aus – auch mit der Ehrlichkeit, vielleicht zuzugeben, dass wir das wieder ändern müssen, weil es nicht funktioniert.

    Neue Verbindung: Einweihung der verlängerten Straßenbahnlinie 3 nach Königsbrunn Mitte Dezember.
    Neue Verbindung: Einweihung der verlängerten Straßenbahnlinie 3 nach Königsbrunn Mitte Dezember. Foto: Marcus Merk

    Über 30 Prozent der Wege innerhalb der Stadt werden mit dem Auto zurückgelegt. Das Augsburger Klimaschutzpapier sieht vor, dies bis 2040 zu halbieren. Ist das realistisch?
    WEBER: Die Art und Weise, wie Klimaschutz vorangetrieben werden muss, ist inhaltlich laut Wissenschaft klar. Da gibt es genaue Richtlinien, was man tun kann und sollte. Die größere Herausforderung wird, dass wir die Augsburgerinnen und Augsburger auf dem Weg mitnehmen. Wir schaffen es nur gemeinsam, den Wandel in der Gesellschaft hinzubekommen und dabei niemanden zu verlieren.

    Es geht auch darum, die Bürgerinnen und Bürger aus dem Umland mitzunehmen, die teils andere Bedürfnisse haben als die Stadtbewohner.
    WEBER: Natürlich müssen wir als schwäbische Metropole erreichbar sein, das ist auch wichtig für unseren Einzelhandel. Deswegen haben wir ja auch das neue Parkleitsystem. Gleichzeitig wird es aber darum gehen, die Straßenbahnlinien auszubauen, so wie jetzt die Linie 3. Die Königsbrunner können jetzt bequem mitten nach Augsburg fahren, ohne einmal umzusteigen. Es geht um solche alternativen Angebote.

    Beim Fahrrad passiert viel, beim Thema ÖPNV – gerade beim Tarifsystem – tritt man auf der Stelle. Hätte man nicht erst Alternativen stärken müssen, um dann zu sagen: Autos raus?
    WEBER: Das kann man vielleicht so sehen, aber man muss auch sehen, dass wir beim ÖPNV nicht alleine entscheiden können. Wir sind in den AVV eingebunden, da muss man gemeinsam eine Linie finden. Ich bin froh, dass wir mit „Be in, be out“ ein Pilotprojekt umsetzen können, das innovativ ist. Ich glaube, es gibt das in keiner anderen deutschen Stadt. Insofern kann man nicht sagen, dass wir das falsch herum aufgezäumt haben. Wichtig ist, dass man jetzt bei den anderen Dingen nachkommt. Da habe ich auch große Hoffnungen in die neue Bundesregierung, die sich die Mobilitätswende auf die Fahnen geschrieben hat. Wir brauchen für den ÖPNV eine andere finanzielle Ausstattung, die nicht nur hauptsächlich aus kommunalen Kassen und durch Querfinanzierungen bei den Verkehrsbetrieben kommt.

    Bei Entscheidungen zum Thema Mobilität stimmt im Stadtrat eigentlich nur die AfD fast immer dagegen. Sehen Sie die Gefahr, bestimmte Wählerinnen und Wähler der
    WEBER: Ich glaube, der Blick darauf, wie Mobilität zu funktionieren hat, verändert sich, gerade auch in der jüngeren Generation. Das ist eine Entwicklung, die gut ist. Das alles ist ja kein grüner Spleen, es ist eine Notwendigkeit, sich mit den Themen Mobilitätswende und Klimawandel auseinanderzusetzen. Insofern glaube ich, dass die allermeisten Menschen diese Themen durchaus unterstützen.

    In Ihrer eigenen Partei ist Ihr Tempo nicht unumstritten. Nehmen Sie die CSU-Anhänger da genügend mit oder sehen Sie Potenzial für Proteste?
    WEBER: Die CSU heute ist nicht mehr die CSU der 70er Jahre, man kann auch nicht mehr sagen, dass die CSU eine Autopartei ist. Auch wir verändern uns und es ist wichtig, sich neuen Themen zu öffnen. Natürlich ist es bei Parteimitgliedern nichts anderes als bei allen Augsburgerinnen und Augsburgern: Man muss die Themen kommunizieren. Es ist im Moment schwierig, den Kontakt zur Basis zu halten. Nicht jeder hat nach zwei Jahren Pandemie Lust, sich in Videokonferenzen einzuschalten. Ich kenne Parteiarbeit noch, da kam man abends um sieben zusammen und ging irgendwann nachts, weil man ein Thema stundenlang diskutiert hat. Das findet seit zwei Jahren nicht statt, diese Diskussionskultur fehlt.

    Pressekonferenz nach der Krawallnacht im Juni.
    Pressekonferenz nach der Krawallnacht im Juni. Foto: Annette Zoepf

    Was entgegnen Sie Parteimitgliedern, die sagen, die CSU komme in der Koalition den Grünen zu sehr entgegen?
    WEBER: Um das Verhältnis von Schwarz-Grün zu erklären, muss man an den Anfang unseres Bündnisses zurückgehen, das wie alle Koalitionen ein Zweckbündnis ist. Als ich damals beschlossen habe, Gespräche mit den Grünen aufzunehmen, war mir bewusst, dass da ein politischer Akteur mit einer eigenen Meinung die Bühne betritt. Oberbürgermeisterin zu sein bedeutet für mich, nach besten Kräften die guten und innovativen Geister in unserer Stadt zu bündeln und nicht die bequemsten. Es geht mir darum, dass am Schluss das Beste für die Stadt herauskommt. Da finde ich, dass die Grünen ein guter Impulsgeber sind für die Politik der CSU, die eine

    Weiß denn die CSU grundsätzlich selbst, was sie will, oder ist sie – gerade auch nach der Bundestagswahl – noch in der Selbstfindungsphase?
    WEBER: Was ist denn falsch daran, sich auch als Partei neu zu finden? Wir alle spüren doch gerade, dass Krisen ein Weckruf sind, sich zu überdenken und neu auszurichten

    Manches würde die Partei in Augsburg vielleicht schlucken, aber dann kommen Themen wie Gendersprache oder Unisex-Toiletten. Mutet man da den Konservativen nicht zu viel zu?
    WEBER: Wenn wir über Gendersprache reden, halte ich persönlich das pragmatisch. Alle anderen Themen rauben mir nicht den Schlaf. Mein größtes Thema ist momentan, dass ich die Stadt und uns Augsburgerinnen und Augsburger gut durch die Pandemie bringe.

    Sind Sie zuversichtlich, dass Ihr schwarz-grünes Bündnis über die ganzen sechs Amtsjahre hält?
    WEBER: Ich bin da sehr zuversichtlich. Ich finde es gut, dass die Fraktionen sich bei manchen Themen nicht einig sind. Es ist nicht so, dass man eine Koalition hat und mit einem Mal haben alle die gleiche Meinung. Das würden uns die Wählerinnen und Wähler auch nicht abnehmen. Ich finde, dass der Umgang miteinander ein guter und mit viel Wertschätzung verbunden ist. Ich merke jeden Tag, dass der Wille von allen da ist, es gut zu machen.

    Was wird 2022 für die Stadtregierung das wichtigste Thema?
    WEBER: Wir haben vor Kurzem in der Stadtspitze den Koalitionsvertrag durchgearbeitet. Wir haben darin 439 Maßnahmen vereinbart, etwa 60 Prozent sind am Laufen oder abgeschlossen. Was uns beschäftigt, sind Projekte, die andauern: Staatstheater, Hauptbahnhof, Linie 5. Einen Schwerpunkt bildet die Digitalisierung der Verwaltung und die Frage: Wie bekommen wir für die Bürgerinnen und Bürger ein besseres Serviceangebot hin? Es geht auch um die Frage, wie wir klimafreundlichste Stadt Bayerns werden. Schulsanierungen und -neubauten bleiben eine Daueraufgabe. Außerdem wird es im Rahmen der Offensive für Künstliche Intelligenz darum gehen, wie wir die Transformation der Wirtschaft meistern.

    Was wünschen Sie sich für 2022?
    WEBER: Dass die Pandemie vorbei ist und wir einfach mal normal für unsere Stadt arbeiten können.

    Zur Person

    Die gebürtige Allgäuerin Eva Weber, 44, ist seit Mai 2020 Oberbürgermeisterin der Stadt Augsburg , zuvor war sie Wirtschafts- und Finanzreferentin. Eva

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden