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Augsburg: Das eigene Auto soll in neuen Wohngebieten schneller überflüssig werden

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Das eigene Auto soll in neuen Wohngebieten schneller überflüssig werden

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    Blick von oben aufs Textilviertel: In der Bildmitte unten ist das Fabrikschloss zu sehen, links davon der direkt daran angebaute ehemalige Obi-Markt samt Parkplatz. Hier sollen Wohnungen entstehen.
    Blick von oben aufs Textilviertel: In der Bildmitte unten ist das Fabrikschloss zu sehen, links davon der direkt daran angebaute ehemalige Obi-Markt samt Parkplatz. Hier sollen Wohnungen entstehen. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Die geplante Wohnanlage auf dem Areal des ehemaligen Obi-Marktes neben dem Fabrikschloss wird wohl eines der ersten Wohnbauprojekte sein, bei dem Stadt und Investor auf ein neues Mobilitätskonzept setzen. Neben insgesamt 520 Autostellplätzen für die rund 400 Wohnungen und das geplante Gewerbe wie Büros und Cafés sollen neun Carsharing-Plätze sowie rund 1150 Fahrradstellplätze und 204 Lastenrad-Plätze eingeplant werden. Auch ein Lastenrad-Sharing-Angebot ist geplant.

    "Und die Erschließung mit dem Nahverkehr muss besser werden, zumal an der Berliner Allee ja auch neue Wohnungen durch den Freistaat geplant sind", sagt Baureferent Gerd Merkle (CSU). Denkbar sei ein Stichgleis von der Linie 6 oder eine Verlängerung der Linie 1 durch Hochzoll mit einer eigenen Lech-Querung. "Die Prämisse muss sein: Wenn man die Leute vom Auto wegbringen will, brauchen sie Alternativen vor Ort", so Merkle. Hier müsse der Nahverkehr im Textilviertel gegenüber dem Istzustand mit der Buserschließung attraktiver werden.

    Wie berichtet erarbeitet die Stadt aktuell eine neue Stellplatzsatzung, die etwas weniger Autostellplätze (unter bestimmten Voraussetzungen auch deutlich weniger Stellplätze) als Pflicht für Bauträger vorsieht. Der Standardschlüssel soll von 1,1 Stellplätzen auf 1,0 pro Wohnung fallen, unter besonderen Voraussetzungen (Carsharing, gute Nahverkehrsanbindung, Gemeinschafts-Nahverkehrsticket) wäre aber auch ein Schlüssel von nur 0,75 bzw. sogar nur 0,5 möglich. Im Gegenzug soll die Zahl der Radstellplätze deutlich erhöht werden. Die neue Satzung geht auf das Fahrradbürgerbegehren zurück, ein erster Entwurf sorgte kurz vor Weihnachten aber für Ärger innerhalb der schwarz-grünen Koalition. Ein neuer Entwurf ist aktuell wohl so gut wie fertig und soll nach der Sommerpause vorgestellt werden.

    Auf Autostellplätze fürs Fabrikschloss wird verzichtet

    Bei dem neuen Viertel soll die Satzung in wesentlichen Teilen schon angewandt werden, wobei es sich bei dem Quartier um einen Sonderfall handelt. Rein rechtlich wäre es mit den 520 Stellplätzen nicht getan, weil auch Plätze fürs Fabrikschloss mitgebaut werden müssten. Hintergrund ist, dass auf dem ehemaligen Obi-Parkplatz, der nun bebaut werden soll, auch Stellplätze fürs Fabrikschloss mit untergebracht waren. Allerdings werden diese in der Praxis nicht gebraucht. Der Investor hat wenig Interesse daran, diese Stellplätze in kostspieligen Tiefgaragen unterzubringen.

    Im Bauausschuss wurde das Konzept, das die Investorin in Absprache mit der Stadt umsetzen will, gegen die Stimme der AfD verabschiedet. "In der Herrenbachstraße herrscht ohnehin schon hoher Parkdruck", so Stadtrat Markus Striedl. Jeder anteilige Stellplatz weniger bei einer Verdichtung sei kontraproduktiv.

    "Menschen über 60 Jahre wohl nicht mehr willkommen"

    Deniz Anan (Grüne) konterte, es sei viel dafür getan worden, damit die künftigen Bewohner und Bewohnerinnen gut aufs Rad umsteigen können. Die Ideen seien zukunftsweisend. Die Bemerkung brachte Beate Schabert-Zeidler (Bürgerliche Mitte) auf die Palme. "Menschen wie ich über 60 Jahre oder kranke Menschen sind wohl nicht mehr willkommen", so Schabert-Zeidler. Anan konterte sichtlich angesäuert, dass die Verkehrsprobleme nicht von der Minderheit verursacht würden, die zwingend auf das Auto angewiesen sei, sondern von der großen Mehrheit, die aus Bequemlichkeit mit dem Auto unterwegs sei.

    Merkle sagte, es sei nicht Ziel der Stadt, Quartiere zu schaffen, in denen Menschen mit Einschränkungen oder ältere Personen nicht mehr wohnen können, weil sie vom Auto abgeschnitten sind. "Das wäre eine schlimme Entwicklung." Das neue Quartier könne funktionieren, weil etwa Carsharing-Angebote in der Tiefgarage des eigenen Hauses eine attraktive Alternative zum eigenen Auto seien. "Sharing wird künftig anders laufen, als wir es jetzt gewohnt sind", so Merkle. Wer nur in die Tiefgarage statt zum nächsten Ausleihplatz gehen müsse und dort eine Auswahl vom Kleintransporter übers Cabrio bis hin zum Kleinwagen finde, werde es sich überlegen, ob er künftig noch auf ein eigenes Auto setzen solle.

    Misserfolg hätte Parkchaos in Augsburger Quartier zur Folge

    Allerdings sagt auch Merkle, dass man sich anstrengen müsse. Der Nahverkehr müsse schon vom ersten Tag an attraktiv sein und nicht erst nach und nach mit dem wachsenden Quartier ausgebaut werden. "Wir müssen alles dafür tun, damit dieses Verkehrsprojekt vom ersten Tag an ein Erfolgsprojekt wird", so Merkle. Langfristig ließen sich so die Zahl der Autos und ihr Platzbedarf auf Parkplätzen oder am Straßenrand senken. "Wenn es aber ein Misserfolg wird, dann schlägt es ins Gegenteil um", warnt Merkle. Dann würden zugeparkte Straßen wie die Reichenberger Straße noch stärker belastet.

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