Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Neue Augsburger Wohnanlagen können weniger Autostellplätze haben

Augsburg

Neue Augsburger Wohnanlagen können weniger Autostellplätze haben

    • |
    In Neubau-Wohnanlagen kann künftig die Zahl der Autostellplätze reduziert werden. In jedem Fall muss es mehr Radstellplätze geben.
    In Neubau-Wohnanlagen kann künftig die Zahl der Autostellplätze reduziert werden. In jedem Fall muss es mehr Radstellplätze geben. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivfoto)

    In neuen Mehrfamilienhäusern werden in Augsburg künftig weniger Autostellplätze als bisher vorgeschrieben sein. Standardmäßig sind künftig nicht mehr 1,1 Parkplätze pro Wohnung vorgesehen, sondern nur noch 1,0. In größeren Wohnanlagen wird sich das spürbar auf die Größe der Tiefgarage auswirken. In bestimmten Fällen kann die Stadt Bauherren noch stärker von der Stellplatzpflicht befreien. Im Bauausschuss sorgte die Debatte aber für Ärger zwischen den Koalitionspartnern von CSU und Grünen.

    Denkbar ist eine Reduzierung auf 0,8 Stellplätze, wenn die Wohnanlage in Nähe einer ÖPNV-Haltestelle und eines Supermarkts liegt und ein Rad-Sharing-Angebot eingerichtet wird. Sogar auf 0,5 Stellplätze kann dann reduziert werden, wenn es auch Carsharing gibt und ein Gemeinschafts-Nahverkehrs-Ticket angeschafft wird. Dabei handelt es sich aber um keine Muss-Vorschriften. Umgekehrt wird die Zahl der Radabstellplätze zwingend erhöht. Künftig ist ein Radabstellplatz je 25 Quadratmeter Wohnfläche in Mehrfamilienhäusern zu errichten.

    Mit der Stellplatzsatzung regelt die Stadt seit Jahrzehnten, wie viele Parkplätze bei Neubauten zu errichten sind. Auf diese Weise lässt sich angesichts der steigenden Pkw-Dichte ein Stück weit steuern, wie viele Autos am Straßenrand abgestellt werden und wie viele in einer Tiefgarage Platz finden. Besonders in Vierteln mit Altbau-Bestand, etwa dem Antons- oder Bismarckviertel, stehen fast alle

    Weniger Autos in Garagen, mehr Autos am Straßenrand?

    Baureferent Gerd Merkle (CSU) hatte in der Vergangenheit bei einzelnen Projekten, etwa der geplanten Obi-Bebauung im Textilviertel, dennoch einen verringerten Schlüssel ins Spiel gebracht. Dass die Stadt nun flächendeckend weniger Auto- und mehr Radabstellplätze vorschreibt, liegt an der Einigung mit dem Fahrrad-Bürgerbegehren vom Sommer. In dem Vertrag, den Begehrensvertreter und Stadt schlossen (im Gegenzug verzichtete das Bürgerbegehren auf weitere Schritte für einen Bürgerentscheid), ist neben mehr Radwegen auch festgelegt, dass die Stadt an der Stellplatzsatzung schrauben muss. Die Zielrichtung: Den Autoverkehr in Wohngebieten reduzieren. Alternativen wie Fahrrad oder Sharing-Angebote sollen leichter greifbar sein, das Abstellen des eigenen Autos oder Zweitwagens wird erschwert.

    Grundsätzlicher Widerspruch kam von der AfD. "Die Leute sagen nicht: Ich habe keinen Parkplatz mehr, darum verzichte ich aufs Auto. Sie werden die Autos auf die Straße stellen", so Stadtrat Markus Striedl. Grünen-Rätin Christine Kamm konterte, dass sich das Mobilitätsverhalten ändere. "Als ich frisch in den Stadtrat kam, waren die Grünen die einzigen, die mit dem Rad kamen. Inzwischen ist das anders."

    Grüne beschweren sich über "fragwürdigen Umgang mit Bürgerbeteiligung"

    Zu einer vertieften Debatte, was die Satzung in der Praxis bedeuten wird, kam es am Donnerstag im Bauausschuss nicht. Dort wurde die Satzung mehrheitlich beschlossen – dem ging aber eine Auseinandersetzung zwischen den Koalitionspartnern CSU und Grünen über die Regelung für Büros oder Kitas voraus. Am Ende stimmten die Koalitionäre unterschiedlich ab.

    Von den Grünen kam Kritik, dass die Satzung nicht weitreichend genug und auch nicht mit den Bürgerbegehrens-Initiatoren abgesprochen sei. Wenn vor Kita-Neubauten nur ein Lastenrad-Platz je Gruppe vorgesehen sei, gehe das an der Realität mit Fahrradanhängern und Lastenrädern vorbei, so Grünen-Stadtrat Deniz Anan. Die Stadt halte sich nicht an den Vertrag und zeige einen fragwürdigen Umgang mit Bürgerbeteiligung, so die Grünen. Im Vertrag sei durchaus geregelt, dass es auch bei Nicht-Wohngebäuden Änderungen geben müsse. Radbegehrens-Mitinitiator Arne Schäffler sagte auf Anfrage, man werde sich rechtlich beraten lassen, sollte der Stadtrat kommende Woche für die neue Satzung stimmen: "Das entspricht nicht dem, was unterschrieben wurde."

    In der CSU wurde das Agieren der Grünen, die kurzfristig ein Änderungspaket präsentierten, mit Unverständnis aufgenommen. Baureferent Merkle sagte, es dürfe nicht darum gehen, "eine Klientel zu bedienen". Im Vertrag gebe es keine zahlenmäßigen Vorgaben, wie mit den umstrittenen Gebäudegattungen umzugehen sei. "Und was Lastenräder betrifft, haben wir halt keine Erfahrungswerte. Mit irgendeinem Wert müssen wir starten", so Merkle. Dieser sei anpassbar. CSU-Fraktionschef Leo Dietz sagte, dass man einen Weg finden müsse, wie man mit Neubauten umgeht, in denen Radstellplätze baulich nicht umsetzbar sind. Anders als bei Kfz-Stellplätzen gibt es in der aktuellen Satzung keine Möglichkeit für Bauherren, sich über eine Ablöse-Zahlung an die Stadt aus der Baupflicht für Radplätze "herauszukaufen". Es werde aber Bauprojekte geben, so Merkle mit Blick auf den geplanten Neubau in der Karolinenstraße (früher Drogeriemarkt Müller), wo die Radabstellplatz-Pflicht nicht umsetzbar sei. Einen solchen Bauantrag müsse man dann ablehnen. Dietz kündigte, "hoffentlich zusammen mit dem Bündnispartner", einen Antrag an, der sich mit der Ablöse befasst.

    Sowohl Dietz als auch seine Grünen-Kollegin Verena von Mutius-Bartholy waren nach der Sitzung um Glättung der Wogen bemüht. Bei Grundsatzthemen ziehe man an einem Strang, in diesem Fall wäre eine Zustimmung der Grünen aber nicht glaubwürdig gewesen, so von Mutius-Bartholy. Es sei aber auch kein Problem, wenn es in einer Koalition mal unterschiedliche Meinungen gebe und dies auch wahrnehmbar sei. Dietz sagte, es gebe in der Koalition aus dem Thema Stellplatzsatzung heraus keine Befindlichkeiten.

    Augsburgs CSU ist bei Verkehrsthemen von früherer Position abgerückt

    Dass es bei Verkehrsthemen nach eineinhalb Jahren Koalition auch zu unterschiedlichen Meinungen kommen würde, war klar. Die CSU ist mit den Anträgen zur autofreien Maximilianstraße, zur Umgestaltung der Grottenau oder zuletzt mit der Zustimmung zur Abschaffung der Semmeltaste von früheren Positionen abgerückt, was vermutlich sowohl an der Klimaschutz-Diskussion als auch an der Koalition mit den Grünen liegt. Ganz ohne Wehen geht das nicht – am Donnerstag war von altgedienten CSU-Räten bei manchen grünen Wortmeldungen ein angestrengtes Schnaufen zu vernehmen, gleichwohl steht die Koalition grundsätzlich geschlossen. Umgekehrt mussten auch die Grünen aus dem Lager der Klimaschützer Kritik einstecken, was ihren Umgang mit dem Klimacamp betrifft. Die Grünen in der Stadtregierung zogen hier mit der CSU mit, die das Klimacamp auf rechtlichem Weg vom Fischmarkt verbannen will.

    Zuletzt zeichnete sich auch die Gründung eines Vereins ab (Arbeitstitel "Augsburger Mitte"), dem die schwarz-grüne Verkehrspolitik nicht behagt. Designierter Vorsitzender ist CSU-Mitglied Michael Fäustlin. Er hatte im Frühjahr vergeblich für den Vorsitz als Innenstadt-CSU-Vorsitzender kandidiert. Wie viele mögliche Interessenten es für eine Vereinsmitgliedschaft gebe, sagt Fäustlin nicht. Man registriere aber Zuspruch aus innenstadtnahen Vierteln. Viele Interessenten finden sich im Koalitionsvertrag nicht wieder, so Fäustlin. Verkehrspolitik könne nur so laufen, dass alle Verkehrsmittel berücksichtigt werden. "Man kann nicht einfach das Auto rausnehmen, weil es auch künftig immer Autos geben wird." Wenn, dann müsse es beispielsweise auch attraktive Park-and-ride-Angebote geben. Auch der Radweg-Versuch in der Hermanstraße sei "unerträglich", weil er eher für Konfusion sorge. Beim Verein, betont Fäustlin, handle es sich um keine Partei. Man wolle aber mit Vorschlägen auf die Parteien zugehen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden