Bei der Razzia im Oktober 2019 hatten rund 500 Polizeibeamte acht Pflegedienste in Augsburg sowie 170 Büros und Wohnungen durchkämmt. Es ging um Millionenbetrügereien. Der Begriff "Pflege-Mafia" manifestierte sich schnell. Seit Monaten arbeiten Gerichte die Fälle auf. Im Mittelpunkt steht dabei auch der einstige Augsburger Pflegedienst Fenix. Hier wurden bereits fünf Verantwortliche wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs zu Freiheitsstrafen zwischen 20 Monaten sowie über fünf Jahren verurteilt, teils auf Bewährung. Der Pflegedienst hatte Kranken- und Pflegekassen über sieben Jahre hinweg systematisch durch falsche Abrechnungen um über drei Millionen Euro geschädigt. Seit Freitag stehen zwei weitere ehemalige Angestellte vor Gericht. Gerechnet wurde mit zwei Geständnissen. Doch eine der Frauen schien ihren Verteidiger etwas zur Verzweiflung zu bringen.
"Ich weiß, dass ich bestraft werden muss. Und es klingt vielleicht seltsam, aber ich bin froh, dass es zu Ende ist", ließ die 64-jährige Russin (Verteidigerin Mandana Mauss) die Dolmetscherin vor dem Schöffengericht übersetzen. Die Staatsanwaltschaft sieht sie und eine 48-jährige gebürtige Kasachin als Teil der Bande. Den beiden fast schon bieder wirkenden Frauen wird Betrug in insgesamt 92 Fällen zur Last gelegt. Laut Anklage sollen sie einen Gesamtschaden von 1,6 Millionen Euro angerichtet haben. Ja, sie habe von falschen Abrechnungen gewusst, räumte die Angeklagte ein.
Nächster Prozess im Augsburger Pflegebetrugs-Skandal
Mehrmals habe sie dies gegenüber ihrer Chefin (Julia L. galt mit als Drahtzieherin und wurde bereits zu fünf Jahren Haft verurteilt, Anm. d. R.) angesprochen, habe öfter kündigen wollen. "Aber sie überzeugte mich, dass dies so gemacht werde, damit die Kunden zufrieden sind." Dass dieses Gebaren aber auf Kosten der Krankenkassen ging, hielt ihr Vorsitzende Richterin Teresa Freutsmiedl vor. "Sie wollten den Menschen helfen. Aber das ist nicht umsonst. Haben sie sich keine Gedanken gemacht, dass das Geld irgendwo herkommen muss?", fragte die Richterin.
Sie habe damals nicht viel darüber nachgedacht, antwortete die Angeklagte, die Leiterin der hauswirtschaftlichen Abteilung war. "Erst im Nachhinein verstehe ich die Dimension." Weder sie noch die weitere Angeklagte, eine damalige Bürokraft (Verteidiger Wolfgang Polster), hätten durch ihr Mitwirken einen finanziellen Vorteil gehabt. Das betonten sowohl die Verteidiger, als auch die Angeklagten selbst. Anwältin Mandana Mauss unterstrich, dass ihrer Mandantin die Zufriedenheit der Patienten wichtig gewesen sei. "Für sie ist es schwierig, zu verstehen, dass es schon reicht, dass sie die Taten billigend in Kauf genommen hat." Betrogen wurde der Anklage zufolge auf unterschiedliche Weise.
So wurde bei dem einen Augsburger Pflegedienst betrogen
Etwa soll ein Teil der Pflegekräfte rechtswidrig als 24-Stunden-Kräfte eingesetzt worden sein. Manche Pflegeleistungen, die von Angehörigen der Hilfsbedürftigen selbst getätigt wurden, seien dennoch abgerechnet worden, wie auch sogenannte "Luftnummern". Die 64-Jährige soll dabei insbesondere auf Mitarbeiter eingewirkt haben, damit diese Leistungen abrechnen, die tatsächlich nicht erbracht wurden. Der 48-Jährigen wird vorgeworfen, Abrechnungen bearbeitet und so Daten aus zum Teil gefälschten Leistungsnachweisen in das Abrechnungsprogramm eingegeben zu haben. Bemerkenswert dabei war, dass Patienten und Angehörige bei dem systematischen Betrug mit ins Boot geholt wurden.
Wie es in der Anklage heißt, wurde ihnen für ihre Unterschriften von angeblichen Leistungen im Gegenzug Geldbeträge in Briefkuverts zugesteckt. Oder sie wurden alternativ beim Putzen, mit Fahrdiensten oder Behördengängen unterstützt. Einem Patienten seien morgens sogar Brötchen und Zeitungen mitgebracht worden. "Auf mir lastet eine große Schuld", sagte die ältere der beiden Angeklagten der Richterin. Ihre Ex-Kollegin zeigte sich nicht so einsichtig, auch wenn es ihr Verteidiger Wolfgang Polster zunächst so angekündigt hatte. "Meine Mandantin räumt die Sachverhalte ein, auch wenn sie sich nicht mehr an jeden einzelnen Punkt erinnern kann", begann er die Erklärung. Sie sei der damaligen Vorgesetzten auf den Leim gegangen, was aber nicht ihre Schuld in Abrede stellen solle.
Gegenüber der Staatsanwaltschaft und Richterin Freutsmiedl zeigte die ehemalige Bürokraft des Pflegedienstes dann aber mehr Erinnerungslücken, als ihrem Verteidiger wohl lieb war. Nein, sie habe nicht gewusst, dass die ausgefüllten Leistungsnachweise falsch gewesen seien, meinte sie etwa auf Nachfrage. "Aber Sie wussten doch, dass etwas nicht stimmte", insistierte ihr Verteidiger. Erst wurde die Sitzung unterbrochen, damit er sich mit seiner Mandantin besprechen konnte, wenig später wurde sie ganz vertagt. Die Geständnisse spielen für das Urteil eine wichtige Rolle. Mit ihnen, so war im Vorfeld schon signalisiert worden, seien Bewährungsstrafen denkbar. Nächste Woche wird der Prozess fortgesetzt.