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Augsburg: Nach Kritik aus der Nachbarschaft: Stadt wirbt für Süchtigentreff in Oberhausen

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Nach Kritik aus der Nachbarschaft: Stadt wirbt für Süchtigentreff in Oberhausen

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    Der Pfarrsaal von St. Johannes soll künftig ein Aufenthaltsangebot für Drogensüchtige bieten.
    Der Pfarrsaal von St. Johannes soll künftig ein Aufenthaltsangebot für Drogensüchtige bieten. Foto: Silvio Wyszengrad

    Oberbürgermeisterin Eva Weber und Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) haben angesichts aufkommender kritischer Stimmen aus der Oberhauser Nachbarschaft zum geplanten Süchtigentreff für das Projekt in St. Johannes geworben. Die bestehende Situation am etwa 500 Meter entfernten Helmut-Haller-Platz sei für Süchtige wie für Anwohner verbesserungswürdig, so Weber. Die geplante Anlaufstelle in die Bedenken aus der Nachbarschaft ernst und müssen einen Weg finden, damit umzugehen", versprach Weber. "Ich lese auch, dass auf Facebook geschrieben wird, warum es jetzt wieder Oberhausen wird: Aber wir haben nun einmal die Szene am Oberhauser Bahnhof und können sie nicht einfach irgendwohin verpflanzen", so Weber. Mit St. Johannes verfolge man einen umfassenden Ansatz, von dem im Idealfall der Stadtteil profitieren könnte. 

    Süchtige in Augsburg: "Alarmierende Entwicklung" bei den Jugendlichen

    Am Dienstag wurde das Projekt vorgestellt, nachdem die Stadt vergangene Woche entsprechende Informationen unserer Redaktion bestätigt hatte. Im Stadtrat war das Projekt hinter verschlossenen Türen offenbar auf breite Zustimmung gestoßen. Pintsch betonte, dass etwas getan werden müsse. Die Drogenhilfe verzeichnet laut Leiter Uwe Schmidt seit dem Ende der Coronapandemie eine "alarmierende Entwicklung" bei Jugendlichen mit opioidhaltigen Schmerzmitteln. "Das Problem wird nicht kleiner werden, und es ist mitten in unserer Stadt", sagte Pintsch. 

    Man habe nicht nur in Oberhausen gesucht, auch wenn aufgrund der Nähe zum Oberhauser Bahnhof das Suchfeld eingeschränkt gewesen sei. "Wir haben uns verschiedene Sachen angeschaut, auch in Kriegshaber oder Richtung Gersthofen", so Pintsch. "Aber eine Gewerbehalle mit eingeschlagenen Scheiben wäre nicht das gewesen, was wir brauchen." Der Ordnungsreferent bestätigte, dass man auch das Gebäude an der Ecke Reinöhl-/Ulmer Straße ("Beppo's") im Blick gehabt habe. Unter anderem sei diese Immobilie aber weggefallen, weil es dort mehrere bestehende Mietverhältnisse gibt. 

    An den Pfarrsaal angegliedert ist auch eine Freifläche, auf der sich Süchtige aufhalten könnten.
    An den Pfarrsaal angegliedert ist auch eine Freifläche, auf der sich Süchtige aufhalten könnten. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Stadt plant im Pfarrhaus und dem Pfarrsaal von St. Johannes eine Anlaufstelle für Süchtige, nachdem das bestehende Angebot am Oberhauser Bahnhof ("Be-Treff") zu klein ist und die Szene Teile des Platzes für sich vereinnahmt. Die Stadt hofft, dass das Betreuungsangebot die Szene in den Süchtigentreff lockt, wo sie kanalisiert werden soll. Geplant sind verlängerte Öffnungszeiten, ein Mittagstisch, Notschlafmöglichkeiten, die Versorgung mit Drogenersatzstoffen und eine Arztpraxis. Sie soll durch wechselnde niedergelassene Ärzte besetzt werden. "Es gibt Berührungsängste, aber einige Kollegen sind bereit, sich einzubringen. Wir müssen das aus humanitären Gründen machen", berichtete Dr. Jakob Berger von der Kassenärztlichen Vereinigung.

    Drogenhilfe-Chef Schmidt: "Es wird nicht überall die Sonne scheinen, wenn wir kommen"

    Die Räume stellt die evangelische Kirche zur Verfügung, der die Gebäude zu groß geworden sind. Die Pfarrgemeinde St. Johannes hat sich ins Pfarrzentrum in der Eschenhofstraße verlagert. Die Kirche St. Johannes soll religiös, aber auch sozial genutzt werden. Die Stadt plant nach einer Verkleinerung dort ein Café zum neu gestalteten Friedensplatz hin, in dem Klienten des Süchtigentreffs Arbeit finden könnten. "Der Platz ist schön geworden, belebt ist er momentan aber nicht", so Pintsch. So könne auch Oberhausen von dem Projekt profitieren. Auch das Museumsstüble, das inzwischen ohne Bleibe ist, könne vielleicht in der Kirche Platz finden. 

    Drogenhilfe-Chef Schmidt verhehlte nicht, dass es aber auch zu Problemen kommen könne. Der Be-Treff wird von etwa 100 Menschen täglich besucht, insgesamt dürfte die Szene auf dem Bahnhofsvorplatz dreimal so groß sein. "Es wird nicht überall die Sonne scheinen, wenn wir kommen", so Schmidt. Aber es gebe Ansprechpartner, an die man sich wenden könne, damit Probleme gelöst werden. Ordnungsreferent Pintsch sagte, dass es viele soziale Einrichtungen mit nicht einfacher Klientel wie den Drogenkontaktladen in der Holbeinstraße gebe, die funktionierten. "Wer bekommt denn überhaupt mit, dass dort etwas stattfindet?" Auch Pfarrer Fritz Graßmann, Vorstand des Diakonischen Werks, das die Räume an die Stadt vermietet, sagte, dass es bei sozialen Einrichtungen häufig Vorbehalte gebe, denen man sich stellen werde.

    "Das war so mit dem Grandhotel im Domviertel, wo wir ziemliche Gespräche mit der Nachbarschaft hatten. Heute würde man sagen, dass die Einrichtung eine Bereicherung ist." Auch das Bodelschwingh-Haus mit 30 Haftentlassenen sei ein Beispiel. "Da passiert gar nichts." Auch in St. Johannes könne es bei entsprechender Gestaltung klappen. 

    Der Kirchenraum von St. Johannes soll verkleinert werden, um Platz für ein Tagescafé mit sozialer Komponente zu schaffen.
    Der Kirchenraum von St. Johannes soll verkleinert werden, um Platz für ein Tagescafé mit sozialer Komponente zu schaffen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Der geplante Süchtigentreff ist ein möglicher Baustein einer neuen Suchtberatung, für die am Dienstag die Stadt, der Bezirk Schwaben als Hauptfinanzier, Drogenhilfe, Kassenärztliche Vereinigung und Bezirkskrankenhaus die Weichen stellten. Der Bezirk stellt für die kommenden drei Jahre einen Großteil der 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. Unter anderem wird es zwei zusätzliche Streetworker-Stellen geben, Möglichkeiten zum Spritzentausch, bessere Substitutionsangebote und Behandlungsmöglichkeiten für an Hepatitis und Aids erkrankte Süchtige.

    "Wir können künftig Menschen erreichen, die wir bisher nicht erreicht haben", so Prof. Alkomiet Hasan, Ärztlicher Direktor der Bezirkskliniken. Wenn man in der Suchthilfe Abstinenz als alleiniges Ziel sehe, sei dies oft zu hoch gegriffen. Der Weg dorthin sei lang. "Zunächst ist es ein Teil von Suchthilfe, das bloße Überleben zu sichern." Bezirkstagspräsident Martin Sailer (CSU) sagte, es sei ohne Alternative, das Hilfesystem auszubauen, und zwar aus moralischen, sozialen und wirtschaftlichen Überlegungen. Dafür müsse man über die Zuständigkeiten einzelner Verwaltungen hinausdenken. 

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