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Augsburg: Mehr Platz für Radler: Stadt will 550 Parkplätze für Autos streichen

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Mehr Platz für Radler: Stadt will 550 Parkplätze für Autos streichen

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    Rund 200 neue Stellplätze sollen für Räder entstehen, auch beim Bau von Wohnungen wird das Fahrrad künftig stärker mitgedacht. Für Autos wird es in Augsburg dagegen bald enger.
    Rund 200 neue Stellplätze sollen für Räder entstehen, auch beim Bau von Wohnungen wird das Fahrrad künftig stärker mitgedacht. Für Autos wird es in Augsburg dagegen bald enger. Foto: Silvio Wyszengrad

    Tempo 30 auch auf einigen Hauptstraßen-Abschnitten, mehr Radwege, zusätzliche Fahrradabstellplätze und deutlich mehr Geld im städtischen Haushalt zur Förderung des Radverkehrs: Auf diese Eckpunkte haben sich die Initiatoren des Fahrrad-Bürgerbegehrens und die Stadt nach etwa einem Jahr Verhandlungen geeinigt. Am Montag stellten sie den Vertragsentwurf vor, der auf zwölf Seiten etwa 25 konkrete Projekte aufzählt. Stimmt der Stadtrat Ende Juli dafür, ist ein Bürgerentscheid vom Tisch. Die Einigung sieht auch den Wegfall von 550 Autostellplätzen im erweiterten Innenstadtbereich vor. „Wir kommen so einer lebenswerten Stadt, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und der Autos orientiert, näher“, so Almut Schwenke vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub, der das Begehren mit angestoßen hatte.

    Das sind die Forderungen des Radbegehrens

    Radwege Es soll mehr Radwege geben. An jeder Straße, an der Geschwindigkeiten über 30 Kilometer pro Stunde gefahren werden, fordern die Aktivisten baulich abgetrennte Radwege. Gefordert wird ein lückenloses Radwegenetz.

    Sicherheit Kreuzungen sollen so gestaltet werden, dass Autofahrer langsamer abbiegen müssen. Das soll zusammen mit einer besseren Sichtbarkeit von Radlern die Sicherheit erhöhen.

    Abstellplätze Im öffentlichen Raum sollen mehr Radabstellplätze entstehen, bevorzugt an Orten des öffentlichen Lebens und Nahverkehrs-Knoten. Auch in Wohngebäuden wollen die Aktivisten mehr Abstellplätze – bei Mehrfamilienhaus-Neubauten soll künftig ein Radstellplatz pro 25 Quadratmeter Wohnfläche (aktuell ein Platz pro 30 Quadratmeter) für Bauherren verpflichtend sein. Auch für Radanhänger/Lastenräder soll mehr Platz in der Stellplatzsatzung der Stadt festgeschrieben werden. Bei bestehenden Gebäuden sollen Eigentümer bis zu 25 Prozent der vorhandenen Parkplätze in Radstellplätze umwandeln dürfen.

    Kommunikation Gewünscht wird ein jährlicher Fortschrittsbericht. Bürger sollen über eine Online-Meldeplattform die Möglichkeit haben, störende oder gefährliche Wegstellen zu melden.

    Weiteres Vorgehen Bisher wünschten die Radler, dass die Stadt die Forderungen bis 2025 umsetzt oder planerisch auf den Weg gebracht hat. Wenn der Platz nicht ausreiche, solle dieser zulasten des Autoverkehrs umverteilt werden. Das wollen die Initiatoren weiterhin, möchten wegen der absehbar schwierigen Finanzlage der Stadt aufgrund Corona aber das Gespräch mit der Stadtspitze suchen, was machbar ist und was nicht. (skro)

    Wie berichtet hatte das Begehren, das vom ADFC, dem Forum Augsburg lebenswert und der Fridays-for-Future-Bewegung initiiert worden war, innerhalb eines Jahres um die 15.500 Unterschriften gesammelt. Das wären genug Unterstützer gewesen, um einen Bürgerentscheid zu erreichen. Allerdings verhandelten Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) und die Initiatoren lieber. „In anderen Städten wurden die Forderungen der dortigen Fahrradbegehren vollständig übernommen, aber dort ringt man jetzt bei der Umsetzung darum, was das eigentlich bedeutet“, so Weber. „Je konkreter die Dinge geregelt sind, desto besser können wir damit umgehen.“ Auch die Initiatoren bekräftigten, dass man auf dem Verhandlungsweg Forderungen habe durchsetzen können, die aus formalen Gründen nicht Thema eines Begehrens hätten sein können, etwa die finanzielle Ausstattung des Fahrrad-Etats der Stadt. Man habe die Ziele des Begehrens noch konkretisiert, was Straßen und Zeitpläne betrifft, so Mitinitiator Arne Schäffler (ADFC). Konkret sieht die Einigung folgendes vor:

    Wo in Augsburg Tempo 30 gelten soll

    • Tempo 30: Eine Reihe von Straßen soll Tempo 30 bekommen. Wie berichtet hatte der Stadtrat dies zuletzt für die Bgm.-Aurnhammer-Straße und die Pferseer Straße beschlossen. Nun sollen noch weitere Straßen dazukommen. Bei Tempo 30, so ADFC-Mann Schäffler, könnten zwar auch Unfälle passieren, das Risiko sei für Radler aber deutlich geringer. Die Stadt wird die Schießstättenstraße (Thelottviertel) zwischen Rosenau- und Stadionstraße mit Tempo 30 regeln (evtl. auch als Fahrradstraße). Die bestehende Tempo-30-Regelung in der Schertlinstraße soll auf die ganze Länge zwischen Gögginger Straße und Hochfeldstraße ausgeweitet werden. In der Ulmer Straße wird auf Höhe des Oberhauser Bahnhofs Tempo 30 stadtauswärts verhängt und ein Schutzstreifen markiert. In der Pferseer Straße wird, zusätzlich zur Geschwindigkeitsregulierung, morgens stadteinwärts ein absolutes Halteverbot eingeführt. Die Bahnunterführung an der Holzbachstraße wird Tempo-30-Gebiet und bekommt ein Tempo-Display. Zudem will die Stadt die Planungen für einen Radweg über dem Holzbach (er wird als eine Art Balkon über das Bachbett gehängt) fertigstellen. Ziel ist ein Bau in drei bis vier Jahren nach Genehmigung, sofern genug Geld da ist. Auch die Stettenstraße zwischen Gögginger Brücke und dem Theodor-Heuss-Platz bekommt eine 30er-Geschwindigkeitsbegrenzung. Zudem soll der Schutzstreifen auf der Südseite bis zum Heuss-Platz fortgesetzt werden. Generell sollen an Straßen, auf denen der Verkehr mit mehr als 30 Kilometern pro Stunde fahren darf, bei Umbauten künftig zwingend breite Radwege, Schutzstreifen oder kombinierte Wege angelegt werden.

    Das Netz an Fahrradwegen in Augsburg soll wachsen

    • Rad-Vorrangnetz: Das Netz an Fahrradwegen zwischen Stadtteilen und wichtigen Orten des öffentlichen Lebens soll erweitert werden. Konkret: Die Stadt will 2022 eine Planung für die Radweglücke in der Donauwörther Straße im Abschnitt zwischen Wertachbrücke und Kreuzung Dieselstraße vorlegen. 2023 könnte ein Pop-up-Radweg entstehen. Der Abschnitt war bisher außen vor geblieben, unter anderem wegen der Stellplatzfrage für Autos. An der Lechhauser Straße gibt es einige kleinere Maßnahmen (grüner Pfeil für rechsabbiegende Radler in die Radetzky-/Lützowstraße). Für die Achse Auf dem Kreuz/Klinkertorstraße sollen Verbesserungen für Radler geplant werden. Ein Bestandteil ist geschnittenes Pflaster oder Asphalt statt Kopfsteinpflaster.
    Arne Schäffler, einer der Initiatoren des Radbegehrens, und Oberbürgermeisterin Eva Weber am Montag bei der Vorstellung der Verhandlungsergebnisse im Rathaus.
    Arne Schäffler, einer der Initiatoren des Radbegehrens, und Oberbürgermeisterin Eva Weber am Montag bei der Vorstellung der Verhandlungsergebnisse im Rathaus. Foto: Silvio Wyszengrad
    • Sichere Kreuzungen: Um den Verkehr für Radler sicherer zu machen, sollen Kreuzungen und Einmündungen bei Sanierungen oder Neubauten so geplant werden, dass Autos nur noch langsamer abbiegen können und bessere Sichtverhältnisse herrschen. An Ampeln sollen Radler mehr Aufstellflächen bekommen, wo das platztechnisch möglich ist. Konkret: In der Klinkertorstraße an der Einmündung Klinkertorplatz (nahe Esso-Tankstelle) wird eine Autospur wegfallen und Radler bekommen eine Aufstellfläche vor den Autos. Angepackt wird auch der Straßenzug Grottenau/Karlstraße/Leonhardsberg/Jakoberstraße. Noch in diesem Jahr soll die Sicherheit von Radlern durch ein Büro im Auftrag der Stadt untersucht werden. Die Achse hatte vor einigen Jahren einen durchgängigen Radweg bekommen, allerdings sind damit nicht alle Radler zufrieden. Zudem soll ein Verkehrsgutachten in Auftrag gegeben werden, das den ganzen Verkehrsraum auf der Achse neu aufteilt, und zwar zugunsten der Radler und zulasten der Autofahrer. „Hier ist sicher eine große Lösung nötig“, so ADFC-Vertreter Schäffler. Dass in der Karlstraße Umgestaltungen nötig sind, ist breiter Konsens in der Politik, doch wie weitreichend diese sein sollen, ist noch offen.

    Heikles Thema sind wegfallende Parkplätze für Autos

    • Abstellplätze: Es sollen um die 200 neue Stellplätze für Räder entstehen. Ein Schwerpunkt ist die Innenstadt (Fußgängerzone, Martin-Luther-Platz, Stadtmetzg, Spital-/Bäckergasse, Maximilianstraße, Blaue Kappe, Rathausplatz), der andere Schwerpunkt ist der Zoo, wo um die 100 neue Plätze entstehen sollen. Insgesamt werden laut Vertragsentwurf bis 2025 mindestens 550 Autostellplätze im Innenstadtbereich wegfallen. Die Flächen sollen für Außengastro, Fußgänger, Bepflanzung, Spielmöglichkeiten aber auch als Stellplätze für Räder oder Carsharing zur Verfügung stehen. Es soll einen jährlichen Bericht zum Thema geben. Etwa 180 der 550 zur Streichung stehenden Stellplätze befinden sich in der Maximilianstraße (Pilotversuch zur Autofreiheit), der Karolinen-, Frölich- und Hermanstraße (sie werden jeweils umgebaut) und im Thelott-/Rosenauviertel (Bau der Linie 5). Wo die verbleibenden etwa 370 Stellplätze gestrichen werden sollen, ist noch offen. In den vergangenen Jahren, so die Stadt, habe man bereits um die 330 Stellplätze wegfallen lassen. Oberbürgermeisterin Weber sagte, die Forderung, Parkplätze in der Altstadt zu kippen, habe sie abgewehrt. „Wir wollen keine Kulissenaltstadt, sondern eine Altstadt, in der Menschen wohnen und arbeiten“, so Weber. Ohne Stellplätze gehe das nicht. Autofahrer müssten generell nicht überall die Möglichkeit haben, zu parken, die Innenstadt müsse aber erreichbar sein, so Weber. Insofern seien Autofahrer kein Feindbild.



      Dennoch werde es darum gehen, den Anteil des Autos am Verkehrsgeschehen zu reduzieren, etwa indem man die Zahl der Zweitwagen durch alternative Angebote reduziere. Der Vertrag sieht auch vor, den Stellplatzschlüssel bei neu gebauten Mehrfamilienhäusern zu reduzieren. Pro Wohnung soll nur noch ein Stellplatz nötig sein (bisher 1,1), bei guter Nahverkehrsanbindung und anderen Voraussetzungen wie einem Supermarkt in der Nähe kann der Schlüssel auf 0,8 gesenkt werden. Im Extremfall soll künftig nur noch auf jede zweite Wohnung ein Stellplatz kommen. Das dürfte einerseits die Kosten für den Bau von Wohnungen senken, andererseits besteht die Gefahr, dass die Straßenrändern in Neubauvierteln nach Feierabend von geparkten Autos geflutet werden, wenn es weniger Tiefgaragenplätze gibt. Um das zu verhindern, müssen für neue Mehrfamilienhäuser laut Vertrag künftig mehr Stellplätze für Fahrräder und Lastenräder nachgewiesen werden (ein Radabstellplatz je 25 Quadratmeter Wohnfläche). Das Thema der Stellplätze sei insgesamt das heikelste gewesen, heißt es von beiden Seiten.
    • Geld: Die Stadt will zu den zwei Millionen Euro, die sie in diesem Jahr für den Radverkehrs-Ausbau reserviert hat, noch eine halbe Million Euro drauflegen. Diese Erhöhung soll sich auch in den kommenden Jahren um jeweils weitere 0,5 Millionen Euro fortsetzen. Konkret: 2022 gibt es drei Millionen, 2023 gibt es 3,5 Millionen Euro, 2024 gibt es vier Millionen und im letzten Jahr des Vertrags 2025 4,5 Millionen Euro. Damit sollen die Maßnahmen, die im Vertrag aufgelistet sind, finanzierbar sein. Allerdings sind im Vertrag für manche Maßnahmen nur Planungen fixiert, die Umsetzung ist nicht Bestandteil. „Haushalterisch findet aber eine Priorisierung des Radverkehrs statt“, so Weber. Seitens der Initiatoren heißt es, man habe im Wissen verhandelt, dass bei der Stadt das Geld aktuell auch corona-bedingt knapp sei. Ein Teil der Maßnahmen sei aber schnell umsetzbar und koste wenig.
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