Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Mehr Gehalt, weniger Arbeit: Zeitarbeit wird für Kliniken zum Problem

Augsburg

Mehr Gehalt, weniger Arbeit: Zeitarbeit wird für Kliniken zum Problem

    • |
    Nicht nur wegen der Corona-Pandemie ist die Belastung für Pflegekräfte in Augsburger Krankenhäusern deutlich gestiegen. Zeitarbeitsfirmen locken sie mit besseren Konditionen.
    Nicht nur wegen der Corona-Pandemie ist die Belastung für Pflegekräfte in Augsburger Krankenhäusern deutlich gestiegen. Zeitarbeitsfirmen locken sie mit besseren Konditionen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Irgendwann im August dieses Jahres war für Robert Mayer (Name geändert) das Maß voll. Nicht, dass er sich dem Uniklinikum Augsburg (UKA) nach vielen Jahren nicht verbunden fühle. Nicht, dass er sein Team nicht möge. Nicht, dass ihn der Abschied nicht schmerze. "Aber so, wie es inzwischen läuft, kann ich nicht mehr mit gutem Gewissen arbeiten", sagt der junge Mann. Er könne dem Anspruch an sich und seine Arbeit kaum noch gerecht werden, wolle den Beruf aber nicht verlassen. Ein Dilemma – mit einer persönlichen Lösung, die gleichzeitig Teil eines viel größeren Problems ist: Zeitarbeit.

    Mayer ist Pfleger aus Überzeugung, sagt, er habe schon immer helfen wollen. Also begann er Mitte der 2010er-Jahre ein Praktikum an der Uniklinik, es folgten zwei Ausbildungen und zuletzt der Wechsel auf eine große Station. Im Spätsommer 2022, als sich die Lage im Haus zwischenzeitlich deutlich zuspitzte, entschloss sich Mayer, das UKA zu verlassen. "Wir waren auf der Station teilweise zu zweit für mehr als 40 Patienten zuständig. 40! 20 sind eigentlich schon zu viel." Bei einem solchen Aufkommen gebe es kaum noch Zeit, sich so um die Menschen zu kümmern, wie er sich das vorstelle. "In unserem Beruf gehört es dazu, sich auch mal mit den Patienten zu unterhalten, mal über die Hand zu streicheln. Stattdessen mussten wir immer wieder viele Patienten aufnehmen, obwohl weder Personal noch Platz da waren." Was er zuletzt erlebt habe, sei "eigentlich nur Stress und Druck – bei viel zu wenig Geld."

    Arbeitszeit und Gehalt: Zeitarbeitsfirmen locken mit besseren Konditionen

    Die Uniklinik verweist auf Anfrage darauf, dass sie als Maximalversorger nicht nur elektive Patientinnen und Patienten mit komplexen Erkrankungen behandle, sondern "seit Monaten noch stärker als bisher von Notfallpatienten aufgesucht" werde. Es gebe viele Krankheitsfälle unter Mitarbeitenden und "knapp besetzte Schichten". Die Patientenversorgung sei immer sichergestellt, man versuche nach Möglichkeit, Pflegestellen aufzubauen. Dennoch ist Überlastung in vielen Stationen Alltag, nicht nur in der Uniklinik. Gerade die Corona-Pandemie hat Spuren hinterlassen und ohnehin knappes Pflegepersonal zermürbt. Manche reduzieren die Arbeitszeit, manche gehen ganz.

    Zu Pandemie-Hochphasen wurden am Uniklinikum Augsburg (UKA) die schwersten Covid-Fälle behandelt. Wie ist die Lage dort ein Jahr danach?
    Icon Galerie
    16 Bilder
    Ende 2021 war die Corona-Intensivstation am Uniklinikum Augsburg (UKA) am Anschlag. Wir haben uns dort ein Jahr später erneut umgesehen.

    Mayer machte sich auf die Suche nach Alternativen – und stieß auf eine Zeitarbeitsfirma. Er bekam dort Verheißungsvolles zu hören: rund 1000 Euro netto mehr und 20 Stunden weniger pro Monat, mehr Zuschläge, Schichtauswahl nach Wunsch, Dienstwagen-Option, Anspruch auf eine Stelle in Wohnortnähe. In einem festen Team arbeitet Mayer nicht mehr, er bleibt maximal eineinhalb Jahre an einem Haus – "aber wenn ich abwäge, sind die Konditionen über Zeitarbeit viel besser." Resultat: Ab Januar startet er in einer Klinik im Raum Augsburg, im selben Fachbereich wie bisher.

    Personal ist im medizinischen Bereich rar – und so ein lukrativer Markt für Zeitarbeitsfirmen. Sie sind de facto Arbeitgeber und zahlen das Gehalt, die tatsächliche Arbeit leisten die Angestellten aber deutschlandweit in kooperierenden Kliniken. Die Krankenhäuser müssen für dieses Personal deutlich mehr bezahlen und etliche Zugeständnisse machen, die der meist tarifgebundenen Stammbelegschaft vorenthalten sind: unter anderem bessere Bezahlung, meist auch flexiblere Arbeitszeiten. Mayer sagt, er kenne immer mehr Kollegen und Kolleginnen, die zu Zeitarbeitsfirmen gingen. Offen darüber reden will kaum einer, das Thema ist heikel.

    Augsburger Krankenhäuser beklagen Abgang von Pflegekräften

    Das Dilemma: Je mehr Personal geht, desto stärker sind viele Häuser auf Zeitarbeiterinnen und -arbeiter angewiesen. Am UKA sind nach Auskunft von Pflegedirektorin Susanne Arnold aktuell rund 25 beschäftigt – sowohl im OP- als auch im Intensivbereich. Sie seien seit Anfang 2022 im Einsatz – und so wichtig, "dass wir ohne sie teils Intensivbetten schließen müssten." Dennoch versuche das UKA, schnellstmöglich ohne Zeitarbeit auszukommen. Warum? "Einerseits treibt es die Kosten in die Höhe, andererseits löst es in den Teams Unzufriedenheit aus, wenn zwei Kollegen für dieselbe Arbeit unterschiedlich bezahlt werden. Auch die Einarbeitung braucht oft Zeit." Nach Einschätzung von UKA-Personalratsvorsitzender Eva-Maria Nieberle sind gerade die unterschiedlichen Konditionen zwischen Stammbelegschaft und Zeitarbeitenden ein Problem. "Wenn einer von außen mit 5000 Euro Bruttogehalt plus Spesen und Dienstwagen plus Wunsch-Dienstplan kommt – das merken sich die anderen." Im Gesamtbild sei die Zahl derer, die vom UKA zu Zeitarbeitsfirmen wechselten, "sicher nicht der Großteil." Jede fehlende Pflegekraft schmerze aber "enorm".

    Auch andere Augsburger Kliniken berichten, dass immer wieder Personal zu Zeitarbeitsfirmen wechsle oder gezielt abgeworben werde. "Uns geht damit dringend benötigtes Personal verloren", sagt Jens Colditz, Rektor der Stadtklinik im Diako. Selbst beschäftige man keine Zeitarbeitskräfte – vor allem aus finanziellen Gründen, zudem fehle oft die Loyalität zum Haus. Auch das Vincentinum verzichtet nach Angaben einer Sprecherin darauf. In der Pflege seien aktuell nur fünf Planstellen unbesetzt. Dass Zeitarbeitsfirmen Personal gezielt abwerben, sei aber nicht in größerem Ausmaß bekannt. Der Konkurrenzkampf zwischen Augsburger Häusern um Pflegekräfte, heißt es am Vincentinum wie in anderen Kliniken, werde als "normal" und "fair" empfunden.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden