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Augsburg: Maske im Gerichtssaal: Wie Corona den Justiz-Alltag verändert

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Maske im Gerichtssaal: Wie Corona den Justiz-Alltag verändert

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    Prozess gegen einen Drogendealer aus Augsburg: Dass Angeklagte und Anwälte nun manchmal Masken tragen, ist nur einer von mehreren Veränderungen seit Beginn der Corona-Krise.
    Prozess gegen einen Drogendealer aus Augsburg: Dass Angeklagte und Anwälte nun manchmal Masken tragen, ist nur einer von mehreren Veränderungen seit Beginn der Corona-Krise. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Zu Beginn der Corona-Krise mussten sich mal zwei junge Männer vor dem Landgericht Augsburg verantworten, weil sie in eine groß angelegte Betrugsserie involviert gewesen waren. Diverse Familienmitglieder der beiden Angeklagten waren im Gerichtsgebäude erschienen, um sich den Prozess anzuschauen. So viele, dass im Sitzungssaal kaum ein Platz mehr frei blieb und alle Zuschauer dicht gedrängt nebeneinander saßen. Damals regte der Richter noch an, dass einige Zuschauer den Saal doch vielleicht verlassen sollten, was auch passierte. Mittlerweile wäre ein solcher Hinweis nicht mehr nötig, die Zahl der Zuschauerplätze ist längst erheblich reduziert worden. Die Corona-Krise hat den Justiz-Alltag ordentlich durcheinander gewirbelt. Mit Folgen auch für spektakuläre Großverfahren.

    Der veränderte Alltag in den Gerichten geht los, wenn man die Gebäude betritt, etwa das Strafjustizzentrum in Göggingen, in dem die meisten Strafprozesse verhandelt werden. Auf den Gängen gilt Maskenpflicht, an vielen Ecken stehen Spender mit Desinfektionsmittel, Besucher müssen auf Zetteln Namen und Adresse angeben.

    Auch in den Gerichtssälen selbst gilt Maskenpflicht – oder auch nicht. Die Entscheidung darüber obliege dem jeweiligen Richter, sagt Simone Bader, Pressesprecherin des Amtsgerichtes. Was zu unterschiedlichen Konstellationen führt: Einige Richter verkünden Urteile mit Mundschutz, andere erlauben allen Prozessbeteiligten während der Sitzung, die Maske abzunehmen, manche auch den zumeist wenigen Zuschauern.

    Corona-Krise in Augsburg: Viele Prozesse wurden verschoben

    Im Frühjahr, zur Hochphase der Krise, wurden ein Großteil der Verhandlungen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Eigentlich alles, "was nicht systemkritisch ist", wie Richterin Bader sagt. Zu Verfahren, die weiterhin stattfanden, gehörten etwa Termine im Familienrecht, etwa wenn es um die Frage ging, ob ein Kind aus einer Familie herausgenommen werden soll oder nicht. Auch sogenannte Haftsachen im Strafrecht wurden in fast allen Fällen nicht verschoben.

    Wenn Verdächtige in Untersuchungshaft sitzen, müssen die Strafverfahren gegen sie möglichst schnell durchgeführt werden. Für Strafkammern am Landgericht, die fast ausschließlich solche Verfahren führen, änderte sich also in der Hinsicht nicht einmal viel. Man habe nur einen Prozess verschieben müssen, weil ein Anwalt aus dem Ausland kam und nicht erscheinen konnte, sagt Richter Christian Grimmeisen, vor dessen 1. Strafkammer es unter anderem um größere Drogendelikte geht. Mittlerweile gebe es wieder eine Art Normalbetrieb, wenn auch mit den angesprochenen Veränderungen.

    Zumindest ein spektakulärer Prozess allerdings wurde während der Corona-Krise verschoben, obwohl die Angeklagte in Untersuchungshaft saß. Das Verfahren gegen eine Mutter aus dem Raum Dillingen, die ihr Neugeborenes auf einer Wiese ausgesetzt hatte, verzögerte sich um gut vier Monate von März auf Juli. Mittlerweile wurde sie zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Bei derartigen Großverfahren mit großem öffentlichen Interesse sind die Zuschauerplätze ebenfalls deutlich reduziert, und das dürfte sich so schnell nicht ändern. So wird der Prozess um die tödliche Attacke am Königsplatz zwar, anders als üblich, in einem besonders großen Gerichtssaal im alten Justizgebäude beim Staatstheater stattfinden, damit alle Beteiligten Platz finden. Doch für Zuschauer werden weniger Stühle zur Verfügung stehen als im Normalfall.

    Die Corona-Krise beschert der Augsburger Justiz viel Arbeit

    Auch technisch stellte sich die Augsburger Justiz auf die neue Situation ein. In einigen Sitzungssälen gebe es jetzt Trennwände aus Plexiglas, sagt Amtsgerichts-Sprecherin Simone Bader. Daneben kommen vermehrt Dokumentenkameras zum Einsatz, die Akteninhalte an eine Wand oder auf einen Bildschirm projizieren. Vor der Corona-Zeit gingen die Prozessbeteiligten oftmals schlicht gemeinsam an den Richtertisch und schauten sich dort die Unterlagen an, die gerade relevant für das Verfahren waren, etwa Beweisfotos.

    Das Strafjustizzentrum Augsburg musste sich mit der Corona-Krise arrangieren.
    Das Strafjustizzentrum Augsburg musste sich mit der Corona-Krise arrangieren. Foto: Bernhard Weizenegger (Archivfoto)

    Daneben hat die Pandemie den Justiz-Alltag aber auch auf anderem Wege verändert: Es gibt bereits eine Menge Prozesse, die sich um Begleiterscheinungen der Krise drehen: Verfahren etwa, in denen Menschen sich gegen Bußgelder wehren, die ihnen die Stadt wegen angenommener Verstöße gegen die Corona-Regeln aufgebrummt hatte. Und es dürften noch mehr Prozesse werden, die thematisch mit der Pandemie zu tun haben, Mietstreitigkeiten und Verfahren um Betrug bei Soforthilfen beispielsweise.

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