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Prozess in Augsburg: Vorfall an Neujahr: Mann wird von Vergewaltigungs-Vorwurf freigesprochen

Prozess in Augsburg

Vorfall an Neujahr: Mann wird von Vergewaltigungs-Vorwurf freigesprochen

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    Ein Mann, der der Vergewaltigung einer damals 17-Jährigen verdächtigt wurde, wurde nun in Augsburg freigesprochen.
    Ein Mann, der der Vergewaltigung einer damals 17-Jährigen verdächtigt wurde, wurde nun in Augsburg freigesprochen. Foto: Stefan Puchner, dpa (Symbolbild)

    Der fundamentale Rechtsgrundsatz "in dubio pro reo - "im Zweifel für den Angeklagten" führt zwangsläufig zu einem Freispruch, wenn das Gericht nicht zweifelsfrei von der Schuld eines Angeklagten überzeugt ist. Im Prozess um die mutmaßliche Vergewaltigung einer 17-Jährigen in der Neujahrsnacht 2020 ist ein Schöffengericht unter Vorsitz von Susanne Scheiwiller dieser Unschuldsvermutung gefolgt. Sie hat den angeklagten 31-jährigen Emir S. (Name geändert) nach dreitägiger Verhandlung freigesprochen. Der Hauptgrund: Weil die psychisch labile Frau im Alter von 20 Jahren vor einem ersten Prozess, der im Oktober 2023 wieder ausgesetzt wurde, starb, konnten Gutachter ihre Aussagetüchtigkeit und Glaubwürdigkeit zur Tatzeit vor fast viereinhalb Jahren nicht mehr feststellen. "Der Fall lässt sich nicht mehr aufklären", bilanzierte Susanne Scheiwiller am Ende. 

    Am dritten Prozesstag lässt das Gericht das 38 Minuten dauernde Video von der Vernehmung der jungen Frau im Dezember 2020 vor der Kripo im Gerichtssaal abspielen. Ruhig schildert darin Clara B. (Name geändert), wie sie der Angeklagte kurz nach Mitternacht an der Bushaltestelle nahe der damaligen Rockfabrik angesprochen hatte. Sie habe zuvor eine Flasche Wodka getrunken und hätte einen "fast totalen Blackout" gehabt. Wie sie in die Wohnung des Angeklagten gekommen sei, wisse sie nicht mehr. Er habe sie dann ausgezogen und gegen ihren Willen Sex mir ihr gehabt. Danach sei sie sofort mit dem Zug zu ihrem Freund ins Ruhrgebiet gefahren, wo sie einige Monate lebte. Sie macht in ihrer Aussage aber auch viele Erinnerungslücken geltend. 

    Missbrauch in Augsburg? Er soll ihr ein Tuch auf den Mund gedrückt haben

    Clara B. litt an einer so genannten Borderline-Störung, die mit großer Angst vor dem Verlassenwerden einhergeht. Einem Arzt in Nordrhein-Westfalen hatte sie damals geschildert, der Angeklagte habe ihr ein Tuch auf den Mund gedrückt, so dass sie halb bewusstlos gewesen sei. Diesen Vorwurf hat Clara B. aber in der Vernehmung vor der Kripo nicht geäußert. Erst elf Monate nach dem Vorfall hatte die Frau sich nach einem Suizidversuch einer Funkstreife gegenüber offenbart. Mehrmals hatte sie angegeben, sie wolle nichts mehr mit dem Ereignis zu tun haben. 

    Im Nachhinein kann weder die genaue Beeinflussung durch Alkohol und Medikamente geklärt werden, noch die Frage, ob Clara zur Tatzeit Drogen eingenommen hatte. Vor diesem Dilemma stehen die beiden Gutachter, der Psychiater Oliver Kistner und die bundesweit renommierte Psychologin und Sachverständige zur Fragen der Aussagetüchtigkeit und Glaubwürdigkeit Monika Aymans. Ihr Gutachten sollte klären, ob die 17-Jährige damals von ihren kognitiven Fähigkeit überhaupt in der Lage gewesen sei, die Situation wahrzunehmen. Ohne konkrete Werte sei die Frage aber nicht zu beantworten, bedauert die Sachverständige. Bei einer Borderline-Patientin könne die Alkoholbeeinflussung durchaus dazu führen, dass sie bewusst oder unbewusst bei ihrer Aussage "überzieht oder Dinge konstruiert". Was man im Fall der jungen Frau aber eben nicht mehr definitiv sagen könne. Ohne die Beurteilung der Aussagetüchtigkeit zur Tatzeit könne man aber auch nicht die Glaubwürdigkeit der Angaben später vor der Kripo bewerten. 

    Am Ende muss auch Staatsanwalt Philip Kramer passen, obwohl er, wie er sagt, die Aussage der Frau für glaubhaft halte. "Es liegt viel im Dunkeln nach dem tragischen Tod der Frau", bedauert er. Es hätten sich Widersprüche ergeben, die Erinnerung sei nicht optimal. Da Zweifel an der Schuld bestünden, müsse der Angeklagte freigesprochen werden. Auch die Verteidiger Renate Bens und Yousri Bribach fordern Freispruch, es gäbe keine Möglichkeit mehr, sich Gewissheit zu verschaffen. Nach dem Freispruch-Urteil erhält der 31-Jährige auch finanzielle Entschädigung für die einige Monate dauernde Untersuchungshaft. 

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