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Augsburg: Macht das Leben mit 92 Jahren immer noch Freude, Frau Doser?

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Macht das Leben mit 92 Jahren immer noch Freude, Frau Doser?

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    Hildegard Doser ist mit ihrem Leben zufrieden, auch wenn manches im hohen Alter nicht mehr geht. "Frau Theater", wie sie gerne von Augsburgerinnen und Augsburgern genannt wird, ist 92 Jahre alt.
    Hildegard Doser ist mit ihrem Leben zufrieden, auch wenn manches im hohen Alter nicht mehr geht. "Frau Theater", wie sie gerne von Augsburgerinnen und Augsburgern genannt wird, ist 92 Jahre alt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Hildegard Doser schaut aus der großen Fensterfront im ersten Stock des Café Eberl über den Rathausplatz. Hin und wieder isst sie hier gerne ein Stück Kuchen und trinkt einen Kaffee dazu. Wegen der Aussicht, aber auch, weil es einen Fahrstuhl gibt. Hildegard Doser ist 92 Jahre alt und vielen Augsburgerinnen und Augsburgern bekannt. Über 60 Jahre lang arbeitete sie als Garderobiere am Staatstheater. Seit rund zwei Jahren allerdings nimmt sie dort keine Jacken und Mäntel mehr entgegen. Um "Frau Theater", wie sie gerne genannt wird, ist es ruhiger geworden. Im Gespräch mit unserer Redaktion erzählt Hildegard Doser, wie es ihr ohne Theater geht und ob das Leben im hohen Alter noch immer viel Freude bereitet.

    Als ein Ehepaar am Tisch nebenan die Rechnung zahlt und aufsteht, blickt der Mann kurz herüber und sagt laut: "Tschüss, Frau Doser." Diese ist kurz irritiert: "Kennen Sie mich?" Der Mann nickt. "Wir kennen Sie besser als Frau Weber", erwidert er und deutet mit dem Finger zum Rathaus. Hildegard Doser freut sich. Wie auch, wenn sie von Besucherinnen und Besuchern im Kongress am Park angesprochen wird. Dort verkauft die rüstige 92-Jährige an zwei Abenden im Monat bei Theater-Konzerten noch Programmhefte. Es ist der letzte Kontakt, den sie nach so vielen Jahrzehnten zum Theater hat. Eines aber gefällt ihr dabei gar nicht.

    Das Gehwägelchen konnte die Augsburgerin zunächst nicht leiden

    "Jetzt haben sie mir vom Theater noch jemanden beim Programm-Verkauf zur Seite gestellt. Eigentlich will ich das lieber alleine machen", sagt sie. Die gebürtige Augsburgerin mag den Trubel. "Ein Heft kostet zwei Euro, der eine zahlt mit einem 50er-Schein, der nächste fragt, wie es mir geht. Da muss ich mich schon konzentrieren." Hildegard Doser weiß es zu schätzen, wie rüstig sie ist. Sie braucht nicht nur keine Hilfe, sie will auch keine.

    So kennen viele Augsburgerinnen und Augsburger  Hildegard Doser: Hilfsbereit an der Theater-Garderobe. Das Foto entstand vor rund zwei Jahren.
    So kennen viele Augsburgerinnen und Augsburger Hildegard Doser: Hilfsbereit an der Theater-Garderobe. Das Foto entstand vor rund zwei Jahren. Foto: Peter Fastl (Archivbild)

    Weder schreibt sie sich einen Einkaufszettel, bevor sie zum Supermarkt geht, noch würde sie ihre Nachbarn im Mietshaus in der Altstadt um Unterstützung bitten. Da lässt sie die drei Marmeladengläser daheim, die sie aus eigener Kraft nicht aufbringt, lieber geschlossen. "Ich mache halt eine andere auf", sagt sie und lächelt verschmitzt. Hildegard Doser will so lange wie möglich selbstständig bleiben. Menschen, die meinen, sie aufgrund ihres hohen Alters bevormunden zu müssen, mag sie nicht. Wie auch das Gehwägelchen, das sie seit einiger Zeit hat. Lange stand es bei ihr daheim unbenutzt im Eck - wie ein Symbol für eine Beleidigung.

    Hildegard Doser: "Ja um Goodswilln"

    "Ich dachte mir, jetzt bist ein altes Weib." Doch Hildegard Doser hat einen versöhnlichen Umgang mit der Gehhilfe gefunden. Sie nimmt sie ausschließlich für den Gang zum Supermarkt, um den Einkauf darin zu verstauen. Ihre geliebten abendlichen Spaziergänge durch die Stadt erledigt sie weiterhin ohne. "So lange ich das kann, will ich das beibehalten." Doser ist der Meinung, dass man schneller abbaue, wenn man sich auf fremde Hilfe verlasse. "Und ins Theater damit fahren, das täte ich ja in hundert Jahren nicht", meint sie und winkt ab. "Dann würde ich lieber daheim bleiben." Neulich, so erzählt sie, habe sie in der Kongresshalle vier oder fünf Besucher mit Gehwägelchen gezählt. "Ja, um Gooodswilln", ruft die 92-Jährige aus. "Da wär ich zu eitel." Apropos Theater. Hildegard Doser hatte sich ein Leben ohne Theater nie vorstellen können. Vor dem letzten Arbeitstag hatte sie immer Angst. Doch dann kam die Pandemie.

    "Corona hat mir geholfen, einen Schlussstrich zu ziehen", erklärt sie. Das Virus lieferte ihr einen Grund. "Weil es ging eh nichts mehr. Das war höhere Gewalt." Hätte man ihr gesagt, man brauche sie nicht mehr, wäre das viel schlimmer gewesen. Im vergangenen Jahr half Hildegard Doser an einem Abend trotzdem noch an der Freilichtbühne mit. Es war wohl das letzte Mal. "Ich tat mir schwer mit den Stiegen, weil die keinen Handlauf haben." So fit, wie sie noch ist, weiß Hildegard Doser um ihr hohes Alter. Zuletzt hörte sie auf, ihre Haare zu tönen. Nun sind sie grau. "Ich bin jetzt in dem Alter. Man muss dazu auch stehen." Weder das Alter noch das Alleinsein empfindet sie als Last. Hildegard Doser glaubt fest daran, dass die eigene Einstellung auschlaggebend für die innere Zufriedenheit ist.

    "Man darf nicht jammern", sagt die 92-Jährige

    Schon immer habe sie das Leben genommen, wie es kommt. Damit sei sie, die die Augsburger Bombennacht erlebte und, wie sie mal erzählte, in "bettelarmen Verhältnissen" aufwuchs, immer gut durchgekommen. Die Menschen ärgerten sich viel zu viel und würden zu oft an negative Sachen denken, glaubt sie. "Man darf nicht jammern. Das hat doch koin Wert. Man muss positiv denken." Sie hadert nicht mit dem, was sie nicht mehr kann. Etwa verreisen in fremde Länder, was sie früher so gerne machte. Dafür genießt Hildegard Doser die viele Zeit, die sie hat. Und sei es, um beim Kaffee am Vormittag Kreuzworträtsel zu lösen und nebenbei Musik zu hören. "Früher musste ich oft hetzen. Jetzt denke ich mir, mei hab ich es schön." Wieder ihr verschmitztes Lächeln. "A bissle will ich schon noch machen", sagt sie und schaut aus der großen Fensterfront im Café am Rathausplatz.

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