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Augsburg, Lechhausen: Kirche will Kapelle für Sozialwohnungen abreißen

Augsburg

Streitfall: Kirche will Kapelle für Sozialwohnungen abreißen

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    Die Kapelle der früheren Pädagogischen Hochschule in Lechhausen und das Studentenwohnheim nebenan sollen für neue Sozialwohnungen weichen.
    Die Kapelle der früheren Pädagogischen Hochschule in Lechhausen und das Studentenwohnheim nebenan sollen für neue Sozialwohnungen weichen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Bezahlbarer Wohnraum ist in Augsburg ein knappes Gut. In Lechhausen sollen neue Sozialwohnungen entstehen. Die Katholische Kirche will dafür auf einem Grundstück neben der früheren Pädagogischen Hochschule (PH) an der Schillstraße mehrere bestehende Gebäude abbrechen. Konkret sollen ein Studierendenwohnheim und eine Kapelle weichen. Der geplante Abbruch des historischen Gotteshauses wird nun aber zum Streitfall.

    Die Bischöfliche Pressestelle bestätigt auf Anfrage, dass an diesem Standort sozialer Wohnungsbau geplant sei. Details stehen noch nicht fest. Bevor konkretere Aussagen über die zeitliche Planung getroffen werden könnten, müssten zunächst die städtebaulichen Rahmenbedingungen geklärt werden, so Pressesprecher Ulrich Bobinger. Bei der Stadt gibt es dazu eine Bauvoranfrage. Bobinger sagt auch: "Wegen der angespannten Wohnraumsituation hat sich das Bistum bewusst für einen Abbruch der Kapelle entschieden, damit mehr Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann." Bei der Kapelle handele es sich wie beim Studierendenwohnheim um einen Bau aus den 1960er-Jahren.

    Rund 160 Studierende müssen aus dem Wohnheim ausziehen

    Wenn das kirchliche Wohnheim abgerissen wird, sind davon rund 160 Studentinnen und Studenten betroffen. Nach Angaben der Wohnheimverwaltung sind die beiden Gebäude veraltet und marode. Weil sie etwa nur über Gemeinschaftsduschen verfügen, müsse man männliche und weibliche Bewohner getrennt unterbringen. Eine Prüfung habe ergeben, dass der Kostenaufwand für eine Sanierung zu hoch und der Standort für Studierende inzwischen ungünstig sei. Vorübergehend war die frühere PH von der Universität genutzt worden. Heute ist dort das Bayernkolleg.

    Nach aktuellem Stand soll der Abbruch des Wohnheims erst erfolgen, wenn die Bewohner voraussichtlich 2024 in eine neue Anlage im Univiertel umziehen können. Damit wäre Platz frei für neue Sozialwohnungen an der Schillstraße. Allerdings soll nach den Plänen der Kirche auch die Kapelle weg, die mit dem Wohnheim verbunden ist und ursprünglich zum Campus der Pädagogischen Hochschule gehörte. Deshalb schlagen nun Bürger und Experten Alarm.

    Was die Kapelle besonders wertvoll macht

    "Dem wunderbaren Gebäudeensemble in der Schillstraße 98-100, einst architektonisch und funktional sorgfältig komponiert für pädagogische Zwecke, soll sein Herz entrissen werden", heißt es in einem offenen Brief an unsere Redaktion. Unterzeichnet wurde er von fünf Kunstpädagogen, Kunsthistorikern und Historikern der Uni Augsburg sowie von Architekturhistorikerin Barbara Wolf. Aus ihrer Sicht droht mit dem Abriss des "herausragend gestalteten Gotteshauses" ein Verlust wertvoller Bausubstanz, die unmittelbar zum gesamten Komplex der ehemaligen PH gehöre. Die Kritiker verweisen darauf, dass das PH-Hauptgebäude selbst unter Denkmalschutz gestellt und restauriert wurde. Würden die zugehörigen Gebäude abgerissen, wäre nicht nur das architektonische Ensemble verloren. Eine neue Bebauung würde zudem den Eindruck eines offen gestalteten Campus völlig zerstören. "Wir plädieren dringend dafür, die Kapelle als Einzelbaudenkmal zu schützen und den Campus in seiner Gesamtstruktur als Gebäudeensemble zu erhalten", so die Forderung.

    Seit Kurzem gibt es einen offiziellen Antrag an die Denkmalpflege, die Kapelle unter Denkmalschutz zu stellen. Die frühere Unidozentin Gertrud Roth-Bojadzhiev hat ihn mit initiiert. Sie führt gelegentlich Gruppen durch das kleine Gotteshaus und sagt, die Besucher seien immer begeistert - vor allem wegen der hochwertigen Ausstattung im Inneren und der künstlerischen Glasfenster. "Zu jeder Tageszeit gibt es ein besonderes Farbspiel."

    Die Stadt Augsburg sieht sich nicht zuständig

    Die Kapelle hat ein umlaufendes Fensterband aus Buntglas. Es wurde 1960 von Hilda Sandtner (1919–2006), einer langjährigen Professorin des Lehrstuhls Kunstpädagogik an der Uni Augsburg geschaffen. Es seien ihre schönsten Glasfenster, sagt Roth-Bojadzhiev, die Sandtners Werk gut kennt. Eindrucksvoll sei auch das Zusammenspiel mit den ornamental verlegten, teilweise blau glasierten Ziegeln im Inneren, sie stammen von Reinhold Grübel (1928-2009).

    Nach ihrer Einschätzung zählt die Kapelle architekturhistorisch zu den hervorragenden Bauten aus den 1960er-Jahren. Deshalb hat sie bei der Stadt Denkmalschutz beantragt. Hält man dort die Kapelle für schutzwürdig? Das Baureferat teilt auf Anfrage mit: "Die Stadt Augsburg ist für eine solche Einschätzung nicht zuständig." Zuständig für die Beurteilung einer Denkmaleigenschaft sei das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege.

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