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Augsburg: "Lage ist bedrohlich": Extreme Preissteigerung trifft Kliniken hart

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"Lage ist bedrohlich": Extreme Preissteigerung trifft Kliniken hart

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    In Augsburger Krankenhäusern kommt teils hochkomplexe Technik zum Einsatz, die viel Energie verbraucht – wie hier im OP. Einsparungen sind dabei aber kaum möglich.
    In Augsburger Krankenhäusern kommt teils hochkomplexe Technik zum Einsatz, die viel Energie verbraucht – wie hier im OP. Einsparungen sind dabei aber kaum möglich. Foto: Ulrich Wagner (Archivbild)

    Jens Colditz ist dazu übergegangen, auch auf das Prinzip Hoffnung zu setzen. Momentan ballen sich die Herausforderungen in den Krankenhäusern – die Stadtklinik im Diako, die Colditz als Rektor leitet, ist da keine Ausnahme. Beispiel eins: Die Quote der krankheitsbedingten Ausfälle beim Personal liegt derzeit bei rund zwölf Prozent – und damit doppelt so hoch wie vor Beginn der Pandemie. Besonders hart trifft es den OP-Bereich. Was zu Beispiel zwei führt: Weniger Operationen finden statt, Patientinnen und Patienten müssen länger auf geplante Eingriffe warten, kurzfristige Absagen sind nicht auszuschließen. Beispiel drei: Die Zahl der Corona-positiven Patienten steigt, und mit ihnen die Belastung für das Personal. Und im Hintergrund braut sich ein weiteres, massives Problem zusammen: die explodierten Energiekosten.

    Es kommt derzeit einiges zusammen. Viele Krankenhäuser haben wegen ausgefallener Operationen weniger Patienten, Colditz nennt einen Rückgang von rund zwölf Prozent im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie. "Das wirkt sich wirtschaftlich negativ aus." Aktuell bedeute aber "natürlich die Energiekrise große Einschnitte." In welchem Ausmaß lasse sich noch nicht sagen. Allerdings: "Wir haben etwa eine Million Euro Energiekosten jährlich. Wenn sich dies verdoppelt, ist das prekär." Das Haus habe kurzfristige Bindungen an Energieversorger, deshalb hänge die Entwicklung von der Marktsituation ab. Man brauche die angekündigte Unterstützung durch Bund und Land aber dringend. Intern setze das Haus darauf, die Raumtemperatur zu senken – "wo es vertretbar ist", etwa in Verwaltungsbereichen.

    Corona und Energiekrise setzen Augsburger Krankenhäuser unter Druck

    Die Handlungsspielräume der Krankenhäuser sind allerdings begrenzt. "Änderungen des eigenen Energieverhaltens, wie sie beispielsweise in Privathaushalten bestehen, sind in einem Krankenhaus nicht in relevantem Maße möglich", erklärt eine Sprecherin des Vincentinums, neben dem Diako die zweite große Belegklinik in Augsburg. "Ein Großteil des Energieverbrauchs findet beispielsweise in OP, Radiologie und Intensivstation statt, hier sind Einsparungen im Betrieb nicht möglich oder nur langfristig durch relevante technische – und entsprechend kostenintensive – Änderungen." Maßnahmen wie das Herunterfahren der Temperatur sehe man im Patientenbereich kritisch. Patienten seien auf optimale Bedingungen angewiesen, ein „dickeres Anziehen“ verhindere etwa im Notfall einen schnellen Zugang.

    Nach Einschätzung der Vinentinums-Sprecherin sei die finanzielle Lage "nicht nur für einzelne, sondern für alle Kliniken bundesweit bedrohlich". Auch sie nennt Energiekosten als wesentlichen Faktor, viele Verträge liefen demnächst aus. "Spätestens zu Beginn des kommenden Jahres könnte es für Krankenhäuser schwierig werden, Strom- und Gasanbieter zu finden, die mit dem Hochenergiebetrieb Krankenhaus Lieferverträge zu gesicherten Preisen abschließen werden. Krankenhäuser müssten dementsprechend den Grundpreis bezahlen." Und der habe sich vervielfacht.

    Kliniken fordern Ausgleich von Inflation und Energiekosten

    Was erschwerend hinzukommt: Die Preise für medizinischen Sachbedarf – nach den Personalkosten der zweitgrößte Kostenfaktor im Krankenhauswesen – sind mit Beginn des Ukraine-Kriegs im zweistelligen Prozent-Bereich gestiegen. Vieles kommt nach Einschätzung der Vincentinums-Sprecherin nun auf den sogenannten Landesbasisfallwert an. Er wird jährlich neu verhandelt und legt fest, wie viel Geld ein Krankenhaus pro Behandlung von der Krankenkasse erhält. Eine rückwirkende Anpassung ab dem zweiten Quartal 2022 sei "zwingend notwendig". Auch Sebastian Stief, Geschäftsführer der KJF-Klinik Josefinum, fordert, die Politik müsse "mit höchster Dringlichkeit" handeln. Ausgleiche von Inflation und Energiekosten brauche man "akut".

    Welche finanziellen Folgen das Zusammenspiel aktueller Krisen hat, zeigt sich im größten Krankenhaus der Region besonders deutlich. Am Uniklinikum Augsburg (UKA) liegen die inflations- und energiebedingten Mehrkosten bei rund sechs Millionen Euro, wie der kaufmännische Direktor Michael Bungarten mitteilt. Kurzfristige Schritte: In Patienten-fernen Bereichen wird die Raumtemperatur auf 19 Grad reduziert, Personal werde zu "ressourcenschonendem Verhalten" aufgefordert. Als mittel- und langfristige Maßnahme habe das Haus ein Energiekonzept in Auftrag gegeben. "Aktuell werden eine Vielzahl von technischen Umsetzungsmaßnahmen gerade im Bereich der Heizung wie etwa die Nutzung von Abwärme geprüft", so Bungarten. Im Frühjahr habe man ein Konzept zur Umstellung der Beleuchtung verabschiedet, dieses werde 2023 und 2024 umgesetzt.

    Uniklinik rechnet mit Minus in zweistelliger Millionen-Höhe

    Mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung gilt die Uniklinik insofern als Sonderfall in Augsburg, als dass der Freistaat Bayern seit 2019 als Träger fungiert. Das Land übernahm das zuvor chronisch finanziell klamme Haus von Stadt und Landkreis. Bungarten betont, die Liquiditätssituation habe sich seit dem Trägerwechsel "sehr positiv" entwickelt, wirtschaftlich bestünden deshalb derzeit "kurzfristig keine Gefahren". Allerdings rechne man, abhängig von Bundes- und Landeshilfen, im Wirtschaftsplan 2023 mit einem "deutlichen negativen Ergebnis in zweistelliger Millionenhöhe".

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