Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Kripo-Chef geht in Ruhestand: Gerhard Zintl kämpfte gegen die Pflege-Mafia

Augsburg

Kripo-Chef geht in Ruhestand: Gerhard Zintl kämpfte gegen die Pflege-Mafia

    • |
    Gerhard Zintl hat als Augsburger Kripo-Chef aufgehört.
    Gerhard Zintl hat als Augsburger Kripo-Chef aufgehört. Foto: Silvio Wyszengrad

    Als Gerhard Zintl bei der Polizei anfing, vor 42 Jahren also, tippte der junge Beamte seine Berichte noch auf der Schreibmaschine. Es gab Aktenordner um Aktenordner, sie füllten ganze Räume bei der Ermittlungsbehörde. Für Zintl, ein technikaffiner Mensch, eine Erinnerung, die ihn eher schmunzeln lässt. Heute wird bei der Polizei alles digital erfasst. Die stetigen technischen Neuerungen, sagt Zintl, seien notwendig. Zwar sei die Kriminalität in den vergangenen Jahrzehnten zurückgegangen, doch die Ermittlungen würden aufwendiger. Beispiel: die umfangreichen Ermittlungen gegen mutmaßlich betrügerische Pflege-Dienste in Augsburg.

    Es war einer der größten Fälle in Zintls Zeit als Augsburger Kripo-Chef. Bei der Augsburger Kripo gibt es eine eigene Ermittlungskommission namens „Eule“, die seit über einem Jahr in dem Bereich ermittelt; in einer gewaltigen Razzia wurden Oktober vergangenen Jahres mehr als 175 Geschäfts- und Privatanwesen in der Stadt durchsucht.

    Wechsel bei der Kripo Augsburg: Chef Zintl geht in den Ruhestand

    Seit dieser Woche ist Gerhard Zintl im Ruhestand. Der 60-Jährige könnte noch weitermachen, aber 42 Jahre Verbrechensbekämpfung seien genug, sagt Zintl. Sein Nachfolger ist Dirk Schmidt, bislang Chef des Innenstadtreviers in Augsburg. Es waren intensive Jobs, die der Oberbayer Zintl im Laufe seiner Karriere bei der bayerischen Polizei hatte. So kümmerte er sich beim Landeskriminalamt erst um die Organisierte Kriminalität und war anschließend von 2003 bis 2012 der oberste Terrorfahnder der Behörde. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 habe man die Terrorbekämpfung auf neue Beine stellen müssen, sagt Zintl. Er wurde Chef der Abteilung beim Landeskriminalamt, die mögliche islamistische Terroristen im Blick behalten musste. Keine Aufgabe, die allzu viel Freizeit zulässt.

    Das gilt allerdings auch für den Job des Augsburger Kripo-Chefs. Die Augsburger Kriminalpolizeiinspektion ist die größte in Bayern, mehr als 200 Menschen arbeiten hier. Vier Jahre war Gerhard Zintl in Augsburg tätig, prägende Kriminalfälle in dieser Zeit gab es durchaus. Zintl nennt den Doppelmord in Hirblingen, die Arbeit der Sonderkommission, die er selbst leitete. Der Nachbar der ermordeten Frauen wurde später zu lebenslanger Haft verurteilt, die Ermittler hatten ihn früh verdächtigt und festgenommen. Zintl zählt aber auch den „Fall Baron“ zu den herausragenden Verfahren der vergangenen Jahre.

    Der Fall "Angelika Baron" war ein besonderes Verfahren in Augsburg

    Es war ein ungewöhnlicher Fall in Augsburg, ein sogenannter "Cold Case", ein Altfall also, der jahrelang nicht gelöst werden konnte. 1993 war in Augsburg die Prostituierte Angelika Baron umgebracht worden, erst ein Vierteljahrhundert später wurde Stefan E. verurteilt, ein 50-jähriger Augsburger. Das Urteil stützte sich vor allem auf die DNA-Spuren; es gab aber auch einen Zeugen, der den Möbelfuß, mit dem die Frau geschlagen worden war, damals nach eigener Aussage bei Stefan E. gesehen hat. Die Polizei hatte zur Aufklärung des Falles unter anderem zwei verdeckte Ermittler eingesetzt.

    Und dann sind da eben noch die Ermittlungen gegen acht Pflege-Dienste in der Stadt. Es richtet sich gegen mehrere Dutzend Beschuldigte alleine in Augsburg, denen im Kern Abrechnungsbetrug vorgeworfen wird; es ist ein kompliziertes Verfahren, das noch nicht abgeschlossen ist.

    Ein „echter Kraftakt“, wie Zintl sagt. Und ein Beispiel dafür, wie aufwendig die Arbeit der Ermittler sein kann. Sie müssen, gerade bei Wirtschaftsdelikten, oft gigantische Mengen von Dateien, hunderte Telefonate, Handynachrichten, Kontobewegungen, Bilanzen auswerten. Zintl ist überzeugt, dass moderne technische Möglichkeiten bei Ermittlungen eine künftig noch größere Rolle spielen werden. Die Zukunft, sagt er, liege in der Spurensicherung und im Bereich der IT-Technik.

    Wer mit Zintl dieser Tage spricht, kann durchaus zum Schluss kommen, dass es noch eine Weile dauern dürfte, ehe der „Leitende Kriminaldirektor a.D.“, wie es nun heißt, tatsächlichen Abstand zu seinem Beruf hat.

    Auch der ehemalige Kripo-Chef sagt, bis er im neuen Lebensabschnitt wirklich angekommen sei, werde wohl mindestens ein Jahr vergehen. Dieses Jahr sei aber schon gut verplant. Zintl, der zwischen Augsburg und München lebt, will mehr Zeit mit der Familie verbringen, eine Motorrad-Reise mit einem guten Freund angehen, öfter auf die Jagd gehen. Und nachts das Telefon ausschalten. Das, sagt er, entspanne deutlich.

    Lesen Sie dazu auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden