i
Foto: Klaus Rainer Krieger
Foto: Klaus Rainer Krieger

Weil in Augsburg immer häufiger gefälschte Impfnachweise auftauchen, haben Ordnungsamt und Polizei ihre Kontrollen verschärft.

Augsburg
03.12.2021

Klein, gelb, fake? Augsburg nimmt Kampf gegen gefälschte Impfausweise auf

Von Max Kramer, Ina Marks

In Augsburg häufen sich gefälschte Corona-Impfnachweise. Die Polizei richtet nun ein Spezial-Team ein. Wie es arbeitet - und welch entscheidende Rolle Apotheken spielen.

Das junge Pärchen zählt zu den letzten Gästen des Restaurants in der Maximilianstraße. Es ist nach 22 Uhr, als Stefan Salz und sein Kollege die beiden kontrollieren, die Sperrstunde ist bereits angebrochen. Der Impfpass des Mannes kommt Salz verdächtig vor. Bis auf die Covid-Impfungen ist das gelbe Büchlein leer. Auf die Frage, wo er sich hat impfen lassen, antwortet der etwa 20-Jährige nicht gerade schlagfertig, das wisse er nicht mehr. Weil sich ihr Verdacht verstärkt, dass ihnen gerade ein gefälschter Impfpass präsentiert wird, rufen die städtischen Mitarbeiter die Polizei. Die ist schnell an Ort und Stelle - und bald ist klar: Das Dokument ist höchstwahrscheinlich eine Fälschung. Es ist einer der Fälle, wie sie sich in Augsburg momentan spürbar häufen.

Video: Max Kramer
Erster Kriminalhauptkommissar Gleber zu gefälschten Impfnachweisen in Augsburg

Gefälschte Impfnachweise häufen sich in Augsburg

Lange war das Phänomen gefälschter Impfausweise kaum präsent. Den Sommer über hatte sich die Infektionslage entspannt, es galten nur noch wenige Corona-Beschränkungen, der Impfstatus spielte für die Teilhabe am öffentlichen Leben kaum eine Rolle. All das ist nun anders. Der Druck für Ungeimpfte steigt - und damit auch die Motivation, die Regeln mit kriminellen Mitteln zu umgehen: Die Zahl der Verdachtsfälle von gefälschten Impfausweisen liegt in Augsburg im mittleren zweistelligen Bereich, gegen ebenso viele Personen wird ermittelt. Tendenz: klar steigend. Die Augsburger Polizei nimmt den Kampf nun mit einer eigenen Arbeitsgruppe auf.

i
Foto: Klaus Rainer Krieger
Foto: Klaus Rainer Krieger

Erster Kriminalhauptkommissar Martin Gleber.

Vier bis fünf Hinweise erreichen die Gruppe derzeit pro Tag. Meistens handelt es sich um Fälle, in denen ein mutmaßlich gefälschter Impfnachweis vorgezeigt wurde. Einen solchen auf den ersten Blick zu erkennen, sei nicht einfach, sagt Martin Gleber, Erster Kriminalhauptkommissar am Polizeipräsidium Schwaben-Nord. Es gebe jedoch Anhaltspunkte. Welche, möchte Gleber nicht verraten. Er verweist aber auf das Beispiel Markus Anfang. Der Ex-Trainer des Fußball-Zweitligisten Werder Bremen hatte ein Dokument vorgelegt, laut dem er zu einem Zeitpunkt geimpft wurde, an dem er wegen eines Trainingslagers gar nicht beim Arzt gewesen sein konnte. Auch die dokumentierte Impfcharge wurde nie an den Ort geliefert, wo Anfang geimpft worden sein sollte.

Geschäft mit gefälschten Zertifikaten ist lukrativ - Polizei ermittelt

Dieser Fall ist ein prominentes Beispiel, nach Einschätzung von Polizist Gleber werden aber Menschen "quer durch die Gesellschaft" erwischt. Häufig seien die Betroffenen unter 40 Jahre alt und polizeilich noch nie in Erscheinung getreten. Was also treibt sie an? Sein Eindruck: "Teilweise Bequemlichkeit. Teilweise haben sie aber auch wirklich Angst vor einer Impfung." Naturgemäß anders sei die Motivation der Fälscherinnen und Fälscher: "Da geht es darum, eine Einkommensquelle zu erschließen."

i
Foto: Berthold Veh
Foto: Berthold Veh

Die Kripo Dillingen hat am Dienstag die Wohnungen von acht Personen durchsucht. Dabei fanden die Beamten gefälschte Impfausweise, aber auch eine Pistole und ein Butterfly-Messer.

Wie lukrativ das Geschäft ist, zeigt ein Blick ins Internet. Auf der Plattform Telegram etwa gibt es spezialisierte Gruppen. In einer von ihnen wird angeboten: "Impfpass inkl. QR-Code (registriert, kann digitalisiert werden) - 250 Euro". Die Netzwerke hinter den Fälschungen aufzudecken, sei wegen der anonymisierten Abwicklung der Geschäfte kompliziert, betont Gleber. Dennoch ermittle man bereits gegen mehrere Personen, die gefälschte Impfnachweise oder Aufkleber des Comirnaty-Impfstoffs in Augsburg verkauft oder zumindest anderen überlassen hätten. Ein erster Erfolg war eine Wohnungsdurchsuchung Ende November in Oberhausen. Dabei wurden 15 gefälschte Impfbescheinigungen gefunden. Dem Verdächtigen droht nun eine Geld- oder Freiheitsstrafe.

Lesen Sie dazu auch

Apotheker Ulrich Koczian: Verdachtsfälle werden häufiger

Doch die Ermittlungen stoßen auch an Grenzen - vor allem dann, wenn der Impfnachweis einmal digitalisiert ist. Entscheidender Ort sind deshalb die Apotheken. Mit den zunehmenden Restriktionen durch die Politik beobachtet Ulrich Koczian in seiner Linden-Apotheke, dass ihm seit gut zwei Wochen vermehrt gefälschte Impfausweise vorgelegt werden. Die Kunden wollen sich, wie viele andere auch, ein digitales Impfzertifikat ausstellen lassen. Dafür muss Koczian in den hinteren Bereich seiner Apotheke verschwinden. Dort hat er kurz Zeit, bei einem Verdacht nachzuforschen. "Ich rufe in der angegebenen Arztpraxis an und frage nach oder schaue, ob ein Impfzentrum überhaupt noch existiert." Manifestiere sich ein Verdacht, weise er die Kunden darauf hin. "Die meisten gehen dann wieder mit ihrem Impfbuch." Mehr könne er nicht machen, dazu seien ihm die Hände gebunden.

i
Foto: Annette Zoepf
Foto: Annette Zoepf

Apotheker Ulrich Koczian bemerkt, dass sich die Verdachtsfälle häufen.

Koczian ist seit 14 Jahren Vizepräsident der Bayerischen Landesapothekenkammer. Viele Apotheker-Kolleginnen und Kollegen, das weiß der 59-Jährige aus Gesprächen, wünschten sich eine Möglichkeit, hier tätig werden zu dürfen. "Sich wehren", nennt es Koczian. "Denn wir werden benutzt, um Straftaten zu begehen." Apotheker dürfen keine Anzeige erstatten. "Dann müssen sie selbst mit einer Anzeige rechnen", habe er schon mal von der Polizei gehört. Apotheker unterliegen nämlich der Schweigepflicht. Polizist Martin Gleber stellt jedoch klar: "In diesen Fällen gibt es von unserer Seite aus keine Gedanken, gegen Apotheker strafrechtlich vorzugehen, wenn sie uns die Patientendaten weitergeben."

Dennoch: Unter Apothekerinnen und Apothekern herrscht im Zusammenhang mit Impfnachweisen viel Unsicherheit. Koczian hofft deshalb auf gesetzliche Regelungen: "Wir brauchen ein glasklares Prozedere." Betrüger könnten momentan gefahrlos agieren. Der Apotheker beobachtet, dass Fälschungen immer besser werden. Dennoch hat er einen Blick dafür.

Auch Ordnungsamt kontrolliert - bei Verdacht kommt Polizei

Wie auch Stefan Salz vom Ordnungsdienst. Bei manchen Dingen wird er argwöhnisch. "Wenn der Wohnsitz Augsburg ist, der Impfort aber Hamburg", nennt Salz ein Beispiel. Oder aber, wenn das Impfbuch bis auf die Covid-Einträge leer ist. Komisch finde er es bereits, wenn ein junger Mensch ein gelbes Impfbuch bei sich habe und kein digitales Zertifikat auf dem Handy vorweisen könne. "Das alles heißt nicht unbedingt etwas, aber man sieht auch, wie der Gegenüber reagiert. Da braucht man etwas Fingerspitzengefühl." Bei einem konkreten Verdacht jedenfalls rufen die Ordnungsdienst-Mitarbeiter die Polizei. Wie neulich im Restaurant in der Maxstraße. "Schließlich geht es hier um einen Straftatbestand."

Facebook Whatsapp Twitter Mail