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Augsburg: Kein Abschied vor dem Tod: Witwe kritisiert die Augsburger Uniklinik

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Kein Abschied vor dem Tod: Witwe kritisiert die Augsburger Uniklinik

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    In der Notaufnahme der Augsburger Uniklinik muss es oft schnell gehen. Angehörige beklagen jedoch, nicht zu Patienten gelassen worden zu sein.
    In der Notaufnahme der Augsburger Uniklinik muss es oft schnell gehen. Angehörige beklagen jedoch, nicht zu Patienten gelassen worden zu sein. Foto: Marcus Merk (Archivbild)

    Eigentlich will er auf keinen Fall ins Krankenhaus, aber es ist ernst. Ein akutes Nierenversagen soll Daryouch Kamran haben, so sagt es der Hausarzt, der 86-Jährige müsse dringend ins Krankenhaus. Also ruft der Hausarzt an diesem 18. April den Rettungsdienst. Der schon länger schwer kranke Mann sagt noch zu seiner Frau Birgit, er hoffe, noch mal nach Hause zu kommen. Doch der folgende Abschied ist ein Abschied für immer.

    Was genau Birgit und Daryouch Kamran widerfuhr, will die Uniklinik auf Nachfrage im Detail nicht bestätigen. Der "bedauerliche Vorfall" sei aber bekannt. Die Schilderungen von Birgit Kamran, die sich – soweit überprüfbar – mit Recherchen unserer Redaktion decken, gehen so: 

    Als der Rettungsdienst ihren Mann abholt, will Birgit Kamran mitfahren, sie darf aber nicht. Es heißt, sie könne in einer Stunde in der Notaufnahme anrufen und nachkommen. Als sie sich dort kurz darauf telefonisch meldet, schlägt ihr ein harscher Ton entgegen: Ihr Mann sei erst seit knapp einer halben Stunde in der rund 20 Jahre leitender Oberarzt in der Kinderchirurgie, kennenlernte. Der Wunsch, in die Notaufnahme zu fahren, sei ihr aber verwehrt geblieben.

    Uniklinik Augsburg: Ehefrau wurde vor Tod ihres Mannes nicht zu ihm gelassen

    Immer wieder ruft Kamran an, bis um etwa 1.30 Uhr nachts ein Anruf aus der Uniklinik kommt: Es gehe ihrem Mann nun besser, er werde überwacht, sie solle am Vormittag wieder anrufen. Doch so weit kommt es nicht: Um etwa 7.30 Uhr meldet sich das UKA, ihrem Mann gehe es jetzt akut schlechter. Eine halbe Stunde später dann der letzte Anruf, man habe erfolglos versucht, ihn zu reanimieren. Daryouch Kamran war tot. "Wäre ich bloß reingefahren", sagt Birgit Kamran. Ihr sei bewusst, dass ihr Mann schwer krank gewesen sei. "Aber man hat mir die letzten gemeinsamen Stunden mit ihm genommen. Das werde ich nie los." Erst vier Wochen zuvor habe sie ihren Mann in die Notaufnahme begleiten dürfen, als er Blut im Urin gehabt habe. "Da ging es. Warum nicht, als mein Mann schwer krank eingeliefert wurde?"

    Der Umgang mit Angehörigen in der Uniklinik sorgt immer wieder für Unmut, nicht selten geht es dabei um die Notaufnahme. Eine Leserin aus Augsburg berichtet etwa von ihrer über 80-jährigen Mutter, bei der im Frühjahr ein Bruch nicht erkannt worden sei und die deshalb auf dem Gang gelegen habe, ohne dass Besuch erlaubt gewesen sei. Ein Mann aus der Region beklagt, dass er seinen jugendlichen Sohn nicht habe sehen dürfen, obwohl dieser mit einem entzündeten Blinddarm unter starken Schmerzen gelitten habe.

    Die Uniklinik erfasst Beschwerden zentral, in den vergangenen Jahren bewegte sich ihre Zahl auf recht konstantem Niveau (2020: 526; 2021: 533; 2022: 509). Im ersten Halbjahr 2023 gab es demnach leicht überdurchschnittlich viele Beschwerden (282), das UKA verweist aber auf übliche Schwankungen. Wie häufig es dabei um den Zugang von Angehörigen zu Patienten ging, wird nicht eigens erfasst.

    Die Uniklinik Augsburg erfasst alle Beschwerden in einer Statistik.
    Die Uniklinik Augsburg erfasst alle Beschwerden in einer Statistik. Foto: Ulrich Wagner

    Angehörige äußern Kritik am Verhalten in der Augsburger Uniklinik

    Dass Besuchsmöglichkeiten eingeschränkt sind, hat verschiedene Gründe. Da sind zunächst die Räumlichkeiten. Derzeit kommen laut UKA täglich etwa 170 bis 270 Patienten in die Notaufnahme. Die Größe der Notaufnahme entspreche nicht diesem hohen Bedarf. Dies erschwere es, "die Privatsphäre und Diskretion in der Patientenversorgung wahren zu können". Überdies gehe es auch darum, das Personal in der Notaufnahme zu schützen. Es müsse sich täglich Konfliktgesprächen stellen, insbesondere bei hohem Patientenaufkommen. Hierbei komme es zu Beleidigungen, bis hin zu körperlichen Angriffen.

    Ob und wie Angehörige zu Patienten in der Notaufnahme dürfen, hängt primär vom Zustand des Patienten ab. Ist er stabil und mobil, kann er im "offenen" Wartebereich gemeinsam mit Angehörigen warten. Im inneren Behandlungsbereich können nicht mobile Patienten für kurze Zeit besucht werden – allerdings nur, wenn die Notaufnahme nicht stark überlastet ist. Während der konkreten Untersuchung oder Behandlung ist Besuch in der Notaufnahme in der Regel nicht vorgesehen, es sei denn, Angehörige müssen in medizinische Maßnahmen eingebunden werden. "Die Indikation zur notwendigen Einbindung stellt das betreuende ärztliche und pflegerische Team", so das UKA.

    In der Notaufnahme des UKA geraten Kapazitäten an Grenzen

    Es komme auf den Einzelfall an, bestätigt eine UKA-Mitarbeiterin. Man versuche einen Mittelweg zu finden: "Bei Lebensgefahr zum Beispiel sollen Angehörige auf jeden Fall dazukommen. Wenn der Betroffene stabil und ansprechbar ist, geht es eher darum, die anderen zu schützen." Verschlechtere sich der Zustand eines Patienten in kurzer Zeit deutlich und überraschend – wie offenbar bei Daryouch Kamran –, liege der Fokus zunächst auf der Patientenversorgung und erst dann darauf, die Angehörigen zu informieren. Falls Birgit Kamran gesagt worden sei, sie dürfe auf keinen Fall kommen, sei das aber "sicher nicht gut, im Nachhinein hätten wir sie hereinlassen müssen." In den "allermeisten Fällen" sei aber richtig, "wenn Angehörige nicht gleich dazukommen".

    Die angespannte Situation in der Notaufnahme ist schon länger Thema. Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) sprach gegenüber unserer Redaktion zuletzt von einem "außergewöhnlich hohen Anteil an Patienten, die über die Notaufnahme kommen und sich dort selbst mit Beschwerden vorstellen." Deswegen solle die KVB-Notfallpraxis noch in diesem Jahr zu einer Portalpraxis ausgebaut werden.

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