Noch kann man Platz nehmen: auf den Parklets in der Augsburger Maximilianstraße. Die Sitzgelegenheiten aus hellem Holz ersetzen drei Parkplätze. Wer Platz nimmt, ruht sich aus, isst ein Eis oder wartet auf einen Termin. Mitte Oktober werden sie wieder abgebaut. Die einen wünschen sich die Parklets im nächsten Jahr zurück. Andere wiederum sind besorgt. Die Stadtregierung hingegen will im nächsten Jahr ihren Versuch starten, die Maximilianstraße autofrei zu machen.
Nimmt man Platz, steigt Holzgeruch in die Nase. Fast alles ist mit Holzleisten ausgekleidet – der Boden, die Sitzflächen und die hohen Rückenlehnen. Man sitzt eingerahmt von bepflanzten Hochbeeten. Die Parklets sind oft besetzt und bieten Erholung inmitten des Trubels der Maximilianstraße. Sie sind nicht leicht zu entdecken, fast versteckt zwischen parkenden Autos am Straßenrand. Große Fahrzeuge sind breiter und höher. Aus dem Englischen übersetzt, beschreibt "Parklet" einen kleinen Ort der Erholung, der einen Parkplatz ersetzt. In vielen deutschen Städten kommen Parklets zum Einsatz. Sie seien eine Möglichkeit, Innenstädten und zugeparkten Straßen neues Leben einzuhauchen, heißt es.
Stadtführer wünscht sich weniger Autos in der Augsburger Maxstraße
Oskar Tausend führt regelmäßig Gruppen durch die Augsburger Altstadt, auf seiner "Welterbe-Wasserführung". Die Parklets gefallen ihm. Er kann sitzend erzählen, seine Gruppe bildet einen Halbkreis. "Es freut mich, dass Bummler und Passanten mehr Raum und einen Ort der Ruhe bekommen", sagt Tausend. Er hofft, dass es in Zukunft weniger Autos in der Straße gibt. "Autos sind der natürliche Feind meiner Wassererbe-Führung. Wie soll man da das Wasser hören?", sagt er. Tausend ist an diesem Tag mit Einheimischen unterwegs. Sie kennen die "Prachtmeile" gut, Parklets sind ihnen neu. "Toll, dass die Stadt so was hinbekommt", heißt es. Die Gruppe wünscht sich mehr und größere Sitzmöglichkeiten dieser Art. "Aber bitte die Sitzrichtung ändern. Dann kann man die Prachtmeile hoch- und runterschauen", schlägt man einstimmig vor.
"Eine optische Katastrophe", sagt hingegen Juwelier Robert Rehm zu den Parklets. Rehm betreibt ein exklusives Schmuckgeschäft in der Maximilianstraße. Das Konzept sei nicht zu Ende gedacht, sagt er. Um die Parklets stünden unzählige Schilder, dazu kämen Baustellenbaken mit Warnleuchten. "Es wird krampfhaft versucht, das Thema Autofrei zu beschönigen", meint Rehm. Weniger Parkplätze würden ihm wirtschaftlich schaden, erläutert der Geschäftsmann. Ständig müsse man sich mit neuen Einschränkungen arrangieren, selten sei die Maximilianstraße ohne Baustellen. Für ihn passen die Parklets nicht zur Prachtmeile. Carlotta Lohoff vom Café Bricks sieht es anders. Man profitiere von mehr Laufkundschaft, sagt sie, und das gelte auch für andere Geschäfte. "Es wäre toll, wenn die Prachtmeile komplett zum Bummeln da wäre", sagt Carlotta Lohoff.
Maximilianstraße: Passantin beschwert sich über Zigarettenstummel in Beeten
"Eine herrliche Sache", schwärmt eine Passantin. Eine Sorge hat sie: "Das dauert bestimmt nicht lange, und die Jugendlichen schmieren wieder alles voll." Es fehle außerdem an Mülleimern. Sie zeigt auf Zigarettenstummel, die in den Beeten liegen. Andere Passanten hoffen, dass die Parklets nur der Anfang sind. Viele wünschen sich mehr Bäume und damit Schatten, mehr Gastro und mehr Leben.
"Wer Erholung will, der kann raus in die Natur fahren. Um Augsburg gibt es da genug Angebot. Stadt soll bitte Stadt bleiben", sagt hingegen Maria Löffler. Für sie gehören Autos in der Stadt dazu. "Man parkt in der Maximilianstraße und geht bummeln. So war's schon immer", erzählt ihr Ehemann Erwin Kistler. Die Parklets gefallen den Eheleuten, aber Einschränkungen des Verkehrs seien keine gute Idee. "Die Geschäfte sind vom Verkehr abhängig." Die Eheleute warnen vor weiterem Ladensterben als Konsequenz. Auch Marc Meyer-Döner bewertet die Situation für Autofahrer als schlecht. Nirgends könne man parken, es bleibe oft nur noch die City-Galerie. Nicht der Verkehr, sondern die Lautstärke sei das Problem. "Es braucht eine Dezibel-Grenze, gegen die Poser mit Motorrädern und aufgemotzten Autos", sagt er.
Markus Wunder macht Mittagspause. Die Parklets seien für ihn eine von vielen positiven Entwicklungen auf der Maximilianstraße. "Sehr gemütlich. Zur Abwechslung gibt es modernes Kopfsteinpflaster", freut er sich. Er fährt viel mit dem Rad. Der historische Straßenbelag sei eine Qual – auf zwei Rädern. Auch Klaus Seemüller hat die Parklets entdeckt. Gleich geht er zum Gitarrenunterricht, sein neues Hobby seit Corona. Seemüller findet die Parklets super, wünscht sich aber noch weniger Autos in der Straße. Ganz ohne Autos könnte man sich auf Kultur konzentrieren, wie Konzerte oder Märkte. Genug Platz gebe es ja. Er stellt sich einen Ort der Begegnung vor.
Die Maximilianstraße soll sich verändern. Daran arbeitet die schwarz-grüne Stadtregierung. Parklets sind ein erster Schritt. Im Jahr 2023 soll die Maximilianstraße nahezu autofrei werden, zwischen Herkulesbrunnen und Moritzplatz – testweise für ein Jahr. In diesem Jahr werden am 11. Oktober die Parklets abgebaut. "Das Holz ist nicht winterfest", erklärt Armin Baur vom Amt für Grünordnung. "Die Pflanzen kommen zum Überwintern in den Botanischen Garten." Im Frühling sollen die Parklets zurückkommen.
Kennen Sie schon unsere Reihe "Augsburger Allgemeine Original"? In der neuen Video-Serie "Mensch, Maxstraße" zeigen wir Augsburgs Prachtmeile von einer anderen Seite. Die vier Episoden können Sie sich mit einem Plus-Abo hier anschauen.