Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Augsburg: Kahnfahrt-Schwarzbau: Stadt lenkt im Streit um den Abriss ein

Augsburg

Kahnfahrt-Schwarzbau: Stadt lenkt im Streit um den Abriss ein

    • |
    Die Kahnfahrt ist in Augsburg eine traditionsreiche Institution. Dass niemand bemerkt haben will, dass hier seit Jahrzehnten ein Schwarzbau steht, fällt nun dem aktuellen Wirt auf die Füße.
    Die Kahnfahrt ist in Augsburg eine traditionsreiche Institution. Dass niemand bemerkt haben will, dass hier seit Jahrzehnten ein Schwarzbau steht, fällt nun dem aktuellen Wirt auf die Füße. Foto: Erich Schmid (Archivbild)

    Seit die Wellen um den Abriss der Kahnfahrt hochschlagen, sind Politikerinnen und Politiker der schwarz-grünen Koalition im Rathaus bemüht, öffentlich ihre Solidarität mit Augsburgs traditionsreicher Institution und ihrem Betreiber zu signalisieren. Auch Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) hatte betont, dass sie die Situation in höchstem Maße ärgerlich finde. Die Sommersaison sei aber zumindest mit Außengastronomie und Bootsverleih gesichert. Eine Aussage, die Kahnfahrt-Betreiber Bela Balogh wütend machte: "Die Sommersaison ist überhaupt nicht gesichert", konterte er am Mittwoch. Mit den Bedingungen, die die Stadt ihm stelle, könne er nicht öffnen. Am Abend dann machte die Verwaltung plötzlich eine Kehrtwende - was die Beseitigung des Schwarzbaus auf dem Gelände betrifft. 

    Vergangene Woche hatte Betreiber Bela Balogh einen Brief vom Liegenschaftsamt erhalten. Dem Kahnfahrt-Wirt wird darin eine Nutzungsmöglichkeit der Außengastronomie bis Ende Oktober unter zwei Bedingungen in Aussicht gestellt: Er muss einen Antrag auf eine geringfügige Nutzung bis maximal 60 Personen an das Bauordnungsamt stellen - und er selbst muss den Gastraum, der an die Stadtmauer angebaut ist, bis Ende des Jahres entfernen. Der 53-jährige Wirt fühlt sich unter Druck gesetzt. "Ich darf also draußen nur aufmachen, wenn ich als Mieter das Gebäude abreiße, das gar nicht mir, sondern der Stadt gehört." Das werde er keinesfalls tun. 

    Augsburger Kahnfahrt: Öffnung ab April 2023 laut OB Weber möglich

    OB Weber verkündigte am Dienstag zwar, die Sommersaison könne auf jeden Fall starten. Ob Pächter Balogh den Betrieb unter den genannten Bedingungen aber überhaupt würde aufnehmen wollen, hatte bis dahin gar niemand mit ihm besprochen. Ein Telefonat zwischen Wirtschaftsreferent Wolfgang Hübschle und Bela Balogh gab es erst am Mittwochabend aufgrund weiterer Nachfragen unserer Redaktion. Man habe sich, hieß es danach, nun einigen können: Balogh werde am 1. April im Außenbereich starten. Den Gastraum, der nicht nur ohne Genehmigung gebaut worden, sondern in der Zwischenzeit auch baufällig sei, werde er zwar nicht nutzen können, er muss ihn am Ende der Saison aber nicht selbst abreißen. "Das wird die Stadt übernehmen", versicherte ein Sprecher. Balogh selbst äußerte sich am Abend nicht ganz so zuversichtlich wie die Stadt. Noch habe er nichts Schriftliches und keine festen Zusagen - deshalb könne er noch nicht sagen, ob er Anfang April wirklich öffne. 

    Hilferuf von Kahnfahrt-Betreiber Balogh: Wusste nichts vom Schwarzbau

    Wie berichtet, handelt es sich bei der Gastronomie entlang der Stadtmauer um einen Schwarzbau. Baloghs Eltern hatten ihn in den 70er Jahren errichtet. Bei der Stadt, die ihre Liegenschaft inklusive des Gebäudes seit Jahrzehnten an die Familie verpachtet, hatte das angeblich niemand bemerkt – bis zum vergangenen Sommer, als bei einer Überprüfung durch die Feuerwehr auch erstmals aufgefallen sein soll, dass die Brandschutzvorgaben wegen eines fehlenden zweiten Fluchtweges nicht erfüllt sind. Doch das war das geringste Übel. Weil sich der Bau – der von der Stadt auch als baufällig beschrieben wird – als illegal herausstellte, muss er nach Ansicht der Verwaltung abgerissen werden. Balogh, der die 147 Jahre alte Kahnfahrt in vierter Generation betreibt, sagt dazu, er habe nicht gewusst, dass es sich um einen Schwarzbau handelte. 

    Er hatte vor knapp 20 Jahren die Kahnfahrt von seinen Eltern übernommen: der Augsburger Bela Balogh.
    Er hatte vor knapp 20 Jahren die Kahnfahrt von seinen Eltern übernommen: der Augsburger Bela Balogh. Foto: Silvio Wyszengrad

    Seine Eltern hätten nie mit ihm über bauliche Hintergründe gesprochen. 2015 erst sei der Pachtvertrag zwischen ihm und seinem Sohn mit der Stadt erneuert worden. "In dem Vertrag wurde mir explizit das Gebäude mit vermietet. Für mich war klar, dass alles rechtens ist." Balogh hat Angst vor der Zukunft. Er sagt, dass er vorwiegend von Feierlichkeiten wie Geburtstagen oder Taufen lebe. "Im Schnitt habe ich zwei große Feiern pro Woche." Im Restaurant finden 60 Gäste Platz, auf der Terrasse rund 100. Man dürfe den Kahnfahrt-Betreiber nicht alleine lassen, fordert Stadträtin Beate Schabert-Zeidler von der Fraktion Bürgerliche Mitte. 

    Dieses Aquarell von der Augsburger Kahnfahrt stammt aus dem Jahr 1827. Schon damals waren auf dem Stadtgrabenabschnitt um den Oblatterwall Ruderboote unterwegs.
    Icon Galerie
    15 Bilder
    Der Augsburger Kahnfahrt droht das Aus. Der Bootsverleih hat eine weit über hundert Jahre alte Tradition, wie diese Bilder aus der Vergangenheit zeigen.

    Die einstige Verwaltungsrichterin, die am Vorgehen der Stadt harsche Kritik übte, schlägt vor, schnellstmöglich eine Lösung für einen zweiten Rettungsweg zu finden, damit Balogh vorerst öffnen kann. "Dann müssen wir uns zusammensetzen und beraten, wie wir eine Finanzierung für einen Neubau hinbekommen. Es kann aber nicht sein, dass der Betreiber selbst abreißen oder bauen muss." Ähnlich sieht es die Sozialfraktion. Die Stadtspitze müsse dem Betreiber der Kahnfahrt unter die Arme greifen und alle Ermessensspielräume ausnutzen. "Da ist die OB gefragt", mahnt Fraktionsvorsitzender Florian Freund, der mit Kritik ebenfalls nicht hinter dem Berg hält. 

    Schwarzbau löste große Diskussion bei der Stadt Augsburg aus

    Freund fragt: "Wie kann es sein, dass nicht mal im Nachtrag des Mietvertrages im Jahr 2015 der 'Schwarzbau' aufgefallen ist?" Auch in offiziellen Publikationen der Kahnfahrt und der Stadt sei der "Schwarzbau" des Öfteren zu sehen, betont der SPD-Stadtrat. Dass Eva Weber von einer gesicherten Sommersaison spreche, kann Freund nicht nachvollziehen. "Die Aussagen der Oberbürgermeisterin sind irreführend." Sie verkenne die Realität, obwohl sie den Sachverhalt seit neun Monaten kenne. "Die Sommersaison für die Augsburger Kahnfahrt ist eben nicht gesichert, wie der Hilferuf des Betreibers sehr deutlich macht." 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden