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Augsburg: Augsburger Jugend in Not: Amt nimmt deutlich mehr Kinder und Jugendliche in Obhut

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Augsburger Jugend in Not: Amt nimmt deutlich mehr Kinder und Jugendliche in Obhut

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    Die Zahl der Inobhutnahmen durch das Jugendamt in Augsburg hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.
    Die Zahl der Inobhutnahmen durch das Jugendamt in Augsburg hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Foto: K. Hildenbrand, dpa

    Es ist ein drastischer Schritt. Wenn das Jugendamt vor der Tür steht, um ein Kind oder einen Jugendlichen in Obhut zu nehmen, kann dies bei allen Beteiligten Spuren hinterlassen. Jeder Fall hat seine Vorgeschichte – und doch zeichnet sich in Augsburg ein Trend ab: Wie das Amt für Kinder, Jugend und Familie (AKJF) auf Anfrage unserer Redaktion mitteilt, ist die Zahl der Inobhutnahmen im Stadtgebiet deutlich gestiegen – von rund 75 im Jahr 2017 auf knapp 130 im vergangenen Jahr. "Auffällig ist, dass die Fallzahl zwischen 2018 und 2019 sowie zwischen 2020 und 2021 sprunghaft ansteigt", teilt das Amt mit.Was steckt hinter der Entwicklung?

    Nach dem Kinder- und Jugendhilferecht sind Jugendämter genauso berechtigt wie verpflichtet, in akuten Krisen- oder Gefahrensituationen einzugreifen, um Kinder und Jugendliche zu schützen. Die vorläufige und kurzfristige Maßnahme kann verschiedene Anlässe haben. In rund einem Drittel der Augsburger Fälle im Jahr 2021 wurde "Überforderung der Eltern bzw. des Elternteils" als Grund genannt. Etwa einem Viertel der Fälle lag körperliche, psychische oder sexuelle Kindesmisshandlung zugrunde, rund einem Drittel die unbegleitete Einreise der Betroffenen.

    Jugendamt: Zahl der Inobhutnahmen in Augsburg steigt deutlich

    Gerade unbegleitete minderjährige Ausländerinnen und Ausländer (umA) spielen bei Inobhutnahmen bayernweit eine immer wichtigere Rolle, wie das AKJF erklärt. In ganz Deutschland stieg die Zahl der Inobhutnahmen 2021 im Vergleich zum Vorjahr um rund fünf Prozent auf rund 47.500 – im Wesentlichen lag diese Zunahme ebenfalls an den vermehrten unbegleiteten Einreisen, wie das Statistische Bundesamts mitteilt.

    Nach Einschätzung des AKJF wirkt sich jede politische und gesellschaftliche Krise "immer auch auf die Kinder- und Jugendhilfe aus". Zu diesen

    In der Stadt gibt es zu wenige Plätze für Kinder und Jugendliche

    Nach Auskunft des AKJF ging in Augsburg im vergangenen Jahr rund ein Viertel der Inobhutnahmen auf Bitten der Betroffenen zurück, 20 Prozent auf Hinweise von Polizei und Ordnungsbehörden. Der Anteil der entsprechenden Initiativen von Jugendamt und Sozialdienst liegt aktuell bei rund einem Viertel. Im laufenden Jahr 2022 registrierte das AKJF bislang rund 50 beendete Inobhutnahmen. Davon entfielen rund 60 Prozent auf 14- bis 17-Jährige, rund zwei Drittel der Betroffenen waren männlich.

    Bis eine Lösung für die Minderjährigen gefunden ist, werden sie je nach Konstellation bei Verwandten, in einem Heim oder bei einer Pflegefamilie untergebracht. Insgesamt 17 Inobhutnahmestellen stehen laut Jugendamtsleiter Joachim Herz in Augsburg für Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren zur Verfügung. Die Einrichtungen bewegen sich derzeit aber am Limit. Die Inobhutnahmestelle Biwak etwa ist seit Monaten überbelegt, wie Jürgen Mölle, Geschäftsführer des zuständigen Sozialpädagogischen Instituts Augsburg (SIA), zuletzt erklärte. Der Druck habe zugenommen, teilweise müssten auch wegen Fachkräftemangels Kapazitäten reduziert werden. Auch ambulante Hilfsangebote haben kaum freie Plätze.

    Verdi-Vertrauensmann: Präventionsarbeit müsste gestärkt werden

    Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des städtischen Sozialdienstes des AKJF, die unter anderem die Inobhutnahmen vornehmen, arbeiten schon lange am Limit. Mit der Umsetzung von mindestens zwei Entlastungstagen, die dieses Jahr im Tarifabschluss des Sozial- und Erziehungsdiensts ausgehandelt wurden, könne etwas Ausgleich geschaffen, die zusätzlichen freien Tagen müssten aber in dem Bereich auch kompensiert werden, erklärt Verdi-Vertrauensmann Frank Dietenhöfer. Bereits 2019 war ein Personalpool von zehn Sozialpädagoginnen und -pädagogen gebildet worden, der aufgrund des Fachkräftemangels im sozialen Bereich nie voll besetzt war. Derzeit werde im AKJF mit Nachdruck daran gearbeitet, den Pool zu besetzen.

    Aufgrund der hohen Fallzahlen und der gestiegenen Arbeitsintensität in den Familien wurden außerdem sechs zusätzliche Stellen im Sozialdienst genehmigt. Allerdings müsse erst der Haushalt von der Regierung von Schwaben abgesegnet und anschließend die Stellen ausgeschrieben werden. "Bevor ein Effekt auf die sehr hohe Arbeitsbelastung im Arbeitsalltag der Mitarbeiter im Sozialdienst erwartet werden kann, wird es Mai oder Juni", betont Dietenhöfer. Für ihn müsste auch an weiteren Stellen investiert werden, etwa im Bereich Präventionsarbeit in den Abteilungen Familie und Jugend des AKJF. "Durch präventive Maßnahmen kann erreicht werden, dass Familien Krisen besser bewältigen können und nicht durch kostenintensive Hilfen unterstützt werden müssen. Auch Inobhutnahmen können so verhindert werden."

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