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Augsburg: Israel-Flagge am Rathausplatz heruntergerissen: Frau schreitet ein

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Israel-Flagge am Rathausplatz heruntergerissen: Frau schreitet ein

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    Es ging schnell. Ein junger Mann kletterte den Fahnenmast am Augsburger Rathausplatz empor und riss die Israel-Fahne herunter.
    Es ging schnell. Ein junger Mann kletterte den Fahnenmast am Augsburger Rathausplatz empor und riss die Israel-Fahne herunter. Foto: Screenshot

    Es geht schnell. Der junge Mann klettert rasch den Fahnenmast am Augsburger Rathausplatz empor, greift zu, zieht die Israel-Flagge mit zu Boden, reißt sie dann von der Stange. Im Internet werden Videos von der Tat geteilt, die sich am frühen Freitagabend vor dem Rathaus ereignet hat. Der Mann versucht, die Fahne anzuzünden. Ein weiterer Unbekannter filmt die Tat. Die Polizei fasst wenig später zwei Personen, die auf Zeugenbeschreibungen passen. Erst vor wenigen Tagen hatte die Stadt die Flagge als Zeichen der Solidarität mit Israel gehisst. Der Vorfall löst vor allem in der jüdischen Gemeinde Bestürzung aus. Kritik an der Stadt wird laut.

    Nachdem unsere Redaktion über die Tat berichtet hatte, stellte sich nicht nur vielen Lesern die Frage, wie so etwas mitten in Augsburg gegen 19.15 Uhr passieren kann. Tatsächlich zeigen die Videos einen belebten Rathausplatz. Auf den Bänken neben den Fahnenstangen, an denen die israelitische Flagge zwischen der ukrainischen und der Friedensstadt-Fahne hängt, sitzen einige Menschen. Den Unbekannten scheint ihre Tat vor Zeugen egal zu sein. Beobachter alarmieren die Polizei. Als der junge Mann versucht, die israelische Fahne anzuzünden, greift eine Frau ein. Auch das ist auf einem Video zu sehen - und zu hören. 

    Frau schreitet auf Augsburgs Rathausplatz ein: "Das wird nicht angefackelt"

    Unerschrocken geht die Frau auf den jungen Mann zu greift selbst zur Fahne und sagt mit Nachdruck: "Hey, das wird nicht angefackelt. Es ist okay, wenn du eine andere Meinung hast, aber das wird jetzt nicht angefackelt." Er und der zweite Täter flüchten, sie lassen die Flagge zurück. Sie ist mit Brandlöchern versehen. Die Polizei leitet sofort eine Fahndung ein. In der Bürgermeister-Fischer-Straße kontrollieren die Beamten zwei junge Männer, auf die die Zeugenbeschreibung passt. Noch klärt die Polizei, ob die beiden als Tatverdächtige in Betracht kommen. Zu ihrem kulturellen Hintergrund wird bislang nichts bekannt gegeben. Die Polizei will die beschädigte Fahne zeitnah an die Stadt übergeben. Dort ist man bestürzt. 

    Bis Freitagabend wehte noch die israelische Fahne vor dem Augsburger Rathaus.
    Bis Freitagabend wehte noch die israelische Fahne vor dem Augsburger Rathaus. Foto: Anna Kondratenko

    "Dieser feindselige, antisemitische Akt beunruhigt mich zutiefst", sagte Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) am Morgen danach. Man verurteile derartige Handlungen aufs Schärfste und werde Anfeindungen gegen Israel auf Augsburger Boden nicht dulden. Man werde mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln dem entgegentreten. Weber kündigte an, die israelische Flagge erneut am Rathausplatz zu hissen. "Unsere Solidarität kann man nicht herunterreißen, wir werden sie weiter sichtbar zeigen." 

    Oberbürgermeisterin Eva Weber kündigte an, erneut eine Israel-Flagge auf dem Rathausplatz zu hissen.
    Oberbürgermeisterin Eva Weber kündigte an, erneut eine Israel-Flagge auf dem Rathausplatz zu hissen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Stadt Augsburg hatte noch am späten Freitagabend eine Allgemeinverfügung erlassen. Sie betrifft vor allem Versammlungen unter freiem Himmel angesichts der bundesweit beobachteten Aufrufe zu israelfeindlichen Aktionen sowie einiger Vorkommnisse in deutschen Städten. In der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben Augsburg (IKG) spricht man von einem erschreckenden Vorfall und übt Kritik an der Stadt.

    Nach Vorfall mit Israel-Flagge: Kritik an der Stadt Augsburg

    Man drücke nicht nur Entsetzen aus, sondern auch tiefes Bedauern und Empörung über die Ereignisse. "Nur durch das mutige Eingreifen der Passantin wurde das Anzünden vereitelt", sagt Hermann Bredl, Pressesprecher und Beauftragter gegen Antisemitismus der IKG. Sprachlos sei man, dass angesichts der angespannten Atmosphäre der vergangenen Woche und den Warnungen der Sicherheitsbehörden vor potenziellen Übergriffen auf jüdische Einrichtungen keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen am vergangenen Freitag ergriffen worden seien. 

    "Es ist inakzeptabel, dass die Stadt Augsburg es unterlassen hat, an diesem besonderen Freitagabend, an dem man mit möglichen Übergriffen und Angriffen rechnen musste, angemessene Ordnungskräfte in unmittelbarer Nähe der Flagge zu platzieren", kritisiert Bredl. OB Eva Weber verweist auf die enge Zusammenarbeit der Stadt mit der Polizei. Man befinde sich in permanenter Abstimmung über aktuelle Lagen, jüdische Einrichtungen würden intensiv geschützt. Der Vorfall habe sie mit Entsetzen erfüllt. Sobald wieder eine Fahne hänge, werde man schauen, dass Polizeistreifen öfter präsent seien werden, so Weber.

    IKG-Vorsitzender Alexander Mazo merkt an, dass es in Augsburg schon einmal solch einen Vorfall gegeben hat. Im Sommer 2014 sei bei einer Demonstration auf dem Augsburger Rathausplatz eine israelische Flagge verbrannt worden. "Jetzt passiert das wieder. Diese Leute müssen gefunden und bestraft werden." Gesellschaft, Polizei und die städtische Administration dürften so etwas nicht dulden. "So etwas ist kein Spaß, kein Spiel. Auch junge Menschen tragen volle Verantwortung", sagt Mazo. Nicht überrascht von dem Vorfall zeigt sich die Direktorin des Jüdischen Museums in Augsburg Carmen Reichert.

    Die israelische Fahne hing zwischen der ukrainischen Fahne und der Flagge der Friedensstadt Augsburg
    Die israelische Fahne hing zwischen der ukrainischen Fahne und der Flagge der Friedensstadt Augsburg Foto: Ina Marks

    "Leider ist es immer so: Wenn im Nahen Osten etwas passiert, bekommen wir hier auch die Reaktionen ab." Deswegen sei das Jüdische Museum seit Tagen nur noch für gebuchte Führungen zugänglich. "Individualbesuchern sieht man nicht an der Nasenspitze an, ob sie etwas im Schilde führen." Reichert lobt die Frau, die sich trotz aufgeheizter Stimmung getraut habe, am Rathausplatz einzuschreiten. "Das ist extrem positiv." Die Kriminalpolizei ermittelt seit Freitag in der Angelegenheit.

    Einem Polizeisprecher zufolge bestehe der Anfangsverdacht des Verstoßes gegen Paragraf 104 im Strafgesetzbuch. Dieser sieht für eine Entfernung, Beschädigung, Zerstörung oder Verunglimpfung einer aufgrund von Rechtsvorschriften oder anerkanntem Brauch öffentlich gezeigten Flagge oder eines Hoheitszeichens eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe vor.

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